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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

12. 7. 2016 - 17:23

Zurückspulen, neu anfangen

"Hit Reset" ist das neue Album von The Julie Ruin. Ein notwendiger, erfrischender Release der Band um Punkikone Kathleen Hanna.

Es ist ziemlich verrückt, wenn Leute immer nur gute Musik machen. Vor allem wenn die schon seit den frühen 90ern aktiv sind. Aber tatsächlich fällt mir kein einziges schlechtes, nein, mittelmäßiges Lied von Kathleen Hanna ein. Weder von Bikini Kill damals, noch von Le Tigre oder mittlerweile The Julie Ruin. Dafür sind jede Menge Lieblingslieder im Output der Musikerin zu finden: "Rebel Girl" von Bikini Kill und "Deceptacon" von Le Tigre, das sind vielleicht zwei der besten Lieder, die ich je gehört habe. Das sind jetzt lauter Superlative, aber so ist das nunmal mit Kathleen Hanna-Musik.

The Julie Ruin hat die Musikerin aus Portland 2010 gegründet, eine Evolution ihres Projekts aus 1997, "Julie Ruin", ohne das "The" damals. 2013 erschien das erste Album "Run Fast", jetzt ist mit "Hit Reset" der zweite Release der Band erhältlich. Ein Album, das dort weitermacht, wo Kathleen Hanna vor über zwei Jahrzehnten angefangen hat: Der Welt ins blöde Gesicht zu schauen.

The Julie Ruin

Shervin Lainez

Ohne Kathleen Hanna wäre die Welt schlecht

Eine Dankesrede an die Riot Grrrl-Ikone.

"Hit Reset" ist so persönlich aus Kathleen Hannas Leben genommen, dass das fast ein Konzeptalbum sein könnte. Das beginnt mit Kathleens schwieriger Kindheit auf dem Titeltrack "Hit Reset" ("Drunk from a mug shaped like a breast. Punishing the people he loved best. Slept with the lights on, on the floor. Behind a chair that blocked the door.") und beschäftigt sich weiter mit dem alltäglichen Sexismus in der Musikindustrie auf "Mr. So and So" ("Gonna ask you to play just a week and a day before my festival. Cause the bill is all guys and people wanna know why and I need you for some press quotes.").

Und auch ein weiteres Thema spielt weiterhin eine große Rolle im Leben von Kathleen Hanna: Seit 2010 kämpft sie gegen die Lyme-Krankheit an, eine Erkrankung, die sie auch dazu zwang, 2014, kurz nach dem Erscheinen der besonders persönlichen Dokumentation "The Punk Singer", ihre Tour mit The Julie Ruin zu canceln. Damals auch eine geplante Show im WUK in Wien.

Kathleen Hannah und Kurt Cobain

Freundschaften aus dem Popuniversum.

"I’m gonna hit reset before all this shit happened, I’m going to somehow let it go", sagt die Musikerin im Interview mit Oh Comely. "And, you know, you have to look at it to let it go - you can’t turn away from it. Before you hit the reset button you have to do a lot of work". Der titelgebende Neustart als Folge der Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit, eine Abrechnung, die zum Grundthema von "Hit Reset" wird.

Das großartige Talent, sich auf ganz offene, upbeat-punkige Art verschiedensten Themen anzunehmen und damit klassische Popmusikkonventionen zu zerlegen, das setzen The Julie Ruin auch auf "Hit Reset" fort. Zugängliche Melodien und Riffs treffen auf pure Energie und Kathleen Hannas Valley Girl-Stimme trägt von Song zu Song. Da entstehen so Kompositionen wie das balladeske "Rather Not" oder das funkig-elektronische "Time Is Up" und Textzeilen wie "Almost lost my mind like the Count of Monte Christo. Sang it through my mike at my underwater disco."

Hit Reset Albumcover

The Julie Ruin

"Hit Reset" von The Julie Ruin ist auf Hardly Art erschienen.

Kathleen Hanna ist eine popkulturelle Beobachterin. Die in ihren Songs auf die verschiedensten sozialen Veränderungen reagiert, auf die sich ändernde Rolle des Feminismus, die alltäglichen Oberflächlichkeiten und das Internet. "Sitting in an old chair leaning on the bed, writing dumb comments on an internet thread", singt sie auf "I'm Done" und "I know that no one's safe from feeling bad or insecure, but if putting me down makes you feel better I think I have the cure. Pack up your suitcase, roll it right down the hall. I'm gonna take a picture of you, walking out the door" auf "Hello Trust No One".

"Hit Reset", das ist ein Album, da wusste man erst gar nicht wie dringend das notwendig war. In einer Zeit, in der die Rockmusik kaum aus verwaschener Introversion und altbackener Egozentrik herauskommt, ist das eine Platte, die mit ihrer rohen Upbeat-Energie eine willkommene Abwechslung bietet. Ein erstklassiges Album, das gekonnt Zugänglichkeit mit musikalischer und textlicher Tiefe kombiniert. Und wieder mal der Beweis: Es gibt immer noch kein schlechtes Kathleen Hanna-Lied.