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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

12. 7. 2016 - 15:00

Auf einsamen Pfaden

Was ist das Besondere am Allein-Reisen? FM4 Auf Laut versucht eine Antwort zu finden.

FM4 Auf Laut

Thema: Was ist das Besondere am einsamen Reisen? - ab sofort für 7 Tage im FM4 Player.

Sich einfach mal Zeit für sich nehmen. Das wünschen sich viele, aber die Umsetzung ist dann doch nicht so einfach. Allein essen gehen oder auf ein Konzert? Fühlt sich immer ein bisschen komisch an. Aber wie ist es, wenn man allein verreist?

Schatten einer Reisenden mit Rucksack und Kamera

CC BY-SA 2.0 Chelsea Hsu via flickr

CC BY-SA 2.0 Chelsea Hsu via flickr

Allein reisen kann befreiend sein, den Horizont erweitern, aber auch anstrengend und im schlimmsten Fall sogar gefährlich werden. Deswegen haben auch viele Angst vor der Vorstellung, sich allein in ein fremdes Land zu begeben. Wieso es trotzdem jede und jeder machen sollte, erklären zwei FM4-Kolleginnen

Claudia Czesch

"Have you heard about the backpacker murders?"

Das fragte mich eine der zwei Frauen, die mich gerade eingeladen hatten, mit ihnen nachts am Bronte Beach schwimmen zu gehen. Es war an meinem dritten Abend in Australien und ich hatte die beiden soeben in einem Pub in der Oxford Street in Sydney kennengelernt. Ich war kurz irritiert, bevor wir alle sehr gelacht haben.

Sydney war die erste Station meiner Reise durch den Kontinent. Ich hatte nur einen groben Plan, was ich in diesen drei Monaten allein unternehmen wollte. Es war sowieso alles aufregend für mich down under. Das Fahren auf der linken Straßenseite! Die Flughunde im Park mitten in der Großstadt! Der Sternenhimmel mit dem Southern Cross!
Und zwischen diesen Oh- und Ah-Momenten die Begegnungen mit Menschen, die mir alle super-freundlich erschienen sind. Kaum hatte ich einen Stadtplan gezückt, bot schon jemand Hilfe an, fragte nach meiner Herkunft und erzählte dann über eigene Reisen. ALLE waren schon einmal in Salzburg.

Ich wurde in drei Monaten mehrmals zum Essen eingeladen, habe zweimal geweint (einmal aus Einsamkeit, einmal aus Rührung), habe einen Babyhai, unzählige Arten von Quallen und mich selbst kennengelernt. Und ich wurde nicht einmal blöd angeredet.
Die beiden Frauen mit denen ich vor 18 Jahren nachts schwimmen war, heißen Betty und Karla. Sie nennen mich Busmeister und jedes Mal, wenn wir uns wieder sehen, singen sie mir etwas aus „The Sound of Music“ vor. Friends for life.

Barbara Köppel

Ich war 18 als ich meine erste Reise allein angetreten habe. Eine Woche Paris. Keine Weltumrundung, aber immerhin. Mit einem Monat Interrail-Erfahrung, die ich im Jahr zuvor mit zwei Freundinnen gemacht hatte, fühlte ich mich schon wie eine Globetrotterin. Ich hatte alles selbst organisiert und war stolz, mich diesmal allein in den Zug zu setzen.
Meiner Mutter gefiel die Idee nicht so gut.
Mit zusammengepressten Lippen und Sorgenfalten auf der Stirn hat sie mir am Bahnsteig noch den Ehering meiner verstorbenen Großmutter in die Hand gedrückt und mir einen Rat mit auf den Weg gegeben: "Wenn dir einer blöd kommt, sag' dein Mann kommt gleich!" Ich habe die Augen verdreht, etwas von "Ich pass' schon auf mich auf" in unsere Umarmung gemurmelt, den Ring dann aber doch angesteckt.

Barbara Köppel, Vinales, Kuba

Barbara Köppel

Selbstporträt aus dem Handgelenk: So sehen Erinnerungsfotos von Alleinreisenden aus.

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Seither hat mich der Ring auf allen meinen Reisen begleitet, und er steht stellvertretend für einen Harem an festen Freunden und Ehemännern, die ich erfunden habe, wenn es mal heikel wurde oder ich einfach meine Ruhe haben wollte. Denn, ja, selbst wenn frau sich für noch so abgeklärt hält, viel auf ihre Menschenkenntnis gibt und generell nicht auf den Mund gefallen ist, es kann etwas passieren.

In der Pariser Jugendherberge wurde ich also prompt von einem nachmittags noch sehr sympathischen Studenten mit alkoholgetränkten Küssen im Schlaf überfallen. In Kuba musste ich wiederholt richtig ausfällig werden, um selbsternannte Beschützer loszuwerden und Mitreisende, die partout nicht verstehen wollten, warum ich nicht zurückflirte, sind mir auch des Öfteren untergekommen.

Natürlich hatte damals am Bahnhof nicht nur meine Mutter ein mulmiges Gefühl im Bauch, sondern auch ich selbst. Anstatt mich allerdings davon zurückhalten zu lassen, habe ich es als Begleiter akzeptiert, der sich bemerkbar macht, wenn meine Mutter sagen würde: "Nein, der Typ will dir nicht einfach nur seine Wohnung zeigen" oder "Ja, sag' dem Busfahrer lieber doch, er soll warten, bis du vom Klo zurück bist".

All die anderen Erlebnisse, die ich unterwegs gemacht habe, wiegen diese kurzen Momente der Unsicherheit aber tausend Mal auf, und haben mich eigenständiger und selbstbewusster gemacht. Ich war krank, ich wurde abgezockt, ich habe mich verlaufen, gefürchtet, verliebt, verletzt und mich ab und zu auch einsam gefühlt - aber ich habe keine meiner Reisen jemals bereut.

Backpacker/Wanderer schaut über eine Landschaft

CC0 Public Domain

FM4 Auf Laut: Auf einsamen Pfaden

Am Flughafen hat sich Ernst Merkinger noch gefragt, was er da eigentlich macht. Als er dann auf dem Jakobsweg ging, wusste er bei jedem Schritt, dass es die richtige Entscheidung war. Ernst hat sich nicht lange auf die Reise vorbereitet. Mit schlechter Ausrüstung wanderte er einen Monat lang mit Blasen an den Füßen und Schmerzen in den Knien. Dennoch hat er keine Minute bereut. Jetzt will er nicht nur am Jakosbweg, sondern auch im Leben ein Pilger sein. Was das bedeutet und was das Besondere am einsamen Reisen ist, erzählt er Elisabeth Scharang in FM4 Auf Laut.

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