Erstellt am: 23. 8. 2016 - 09:58 Uhr
Games-Pop #7
Kentucky Route Zero
Von sogenannten Ausnahmespielen ist oft die Rede, doch "Kentucky Route Zero" ist wirklich eines. Das stylische Adventure, von dem bislang vier Episoden erschienen sind (die vierte erst vor kurzem), verbindet absolut originelle Ideen mit einer Handlung, die magischen Realismus und David Lynch meisterhaft verbindet. Musik spielt dabei eine besondere Rolle. Während uns im ersten und zweiten Akt wunderschön versponnene Bluegrass-Klänge und düstere Soundflächen à la Twin Peaks begleiten, steht im dritten Akt sogar ein Musikstück im Zentrum der Handlung.
FM4 Games-Pop
Musikstücke zu Videospielen. Rainer Sigl, Robert Glashüttner und Conny Lee stellen auf FM4 und fm4.ORF.at den ganzen Sommer über persönliche Favorites und ungewöhnliche Perlen der Games-Musik vor.
Das wunderbar melancholische "Too Late to Love You" von Ken Babbitt wird aber nicht nur vor den Spielerinnen und Spielern auf einer versifften Kneipenbühne aufgeführt, sondern lässt sich sogar von uns mitgestalten. Wie auch sonst im Spiel stehen uns vor Beginn jeder Strophe verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. So können wir dem traurigen Song von verlorener Liebe eine eigene Dramaturgie und Bedeutung geben. Wie sich gleichzeitig wie von Zauberhand das Dach der tristen Bar in die Luft erhebt und einen majestätischen Sternenhimmel freigibt, ist ein magischer Moment, der seinesgleichen sucht. Szenen wie diese sind der Grund, warum "Kentucky Route Zero" seinen Kultstatus genießt - und das, obwohl es noch nicht einmal fertiggestellt ist. Die mysteriöse Suche nach dem titelgebenden Highway soll erst nach insgesamt fünf Akten abgeschlossen sein.
Hotline Miami
"Hotline Miami" ist das Spiel, vor dem uns unsere Eltern immer gewarnt haben. Als maskierter Mörder führen wir in beiden Teilen des Indie-Actionspiels einen blutigen Krieg gegen die Unterwelt und hinterlassen wahre Leichenberge in einem Achtzigerjahre-Miami. Weil die Pixelgrafik aber von Realismus weit entfernt und das fordernde Action-Puzzle wegen seiner Schwierigkeit kaum als Machtfantasie geeignet ist, hat sich "Hotline Miami" schnell als Kultspiel etabliert. Auch deshalb, weil genau diese Gewalt auch vom Spiel selbst klug hinterfragt wird. Nicht umsonst ist der geniale Film "Drive" mit Ryan Gosling dezidiertes Vorbild des Spiels.
Eine besondere Rolle spielt hier auch die Musik. "Hotline Miami" begeistert mit elektronischen Tracks, die auch im Club gut aufgehoben wären und viel zum hypnotischen Flow beitragen. Die schwedischen Entwickler haben für ihr Spiel teils unbekannte, teils namhafte Musiker gewonnen, die mit harten Sythesizer-Tracks den Soundtrack für dieses albtraumhafte Neonmassaker beigesteuert haben. Wenn uns monotone Beats durch die Levels begleiten, reißt uns auch der Tod der Spielfigur nur für einen kleinen Augenblick aus der Trance - und nicht einmal die Musik hört auf, bevor wir es ein weiteres Mal versuchen dürfen. "Hotline Miami", so könnte man sagen, ist die blutigste Disco der Welt. Und dann aber wieder - auch Chillout. Der wunderbar entspannte Track "Rust" von El Huervo steht für die ruhigen Momente, die es auch hier unbedingt braucht. Der Soundtrack zu "Hotline Miami" wird übrigens in Kürze sogar auf Vinyl erhältlich sein.