Erstellt am: 1. 8. 2016 - 12:30 Uhr
Das Spiel mit dem Spiel gegen das Spiel
Everspace
Ich spiele gerade ein hübsches Metaspiel mit und gegen mich und mit und gegen die Update-Wellen von Everspace, ein - kann man das so sagen? - Rogue-like im Weltraum. Das Spiel ist ein sehr hübscher Weltraum-Shooter, bei dem man sich von Level zu Level mit Ressourcen, Geld und Ausrüstung vollpumpt, bis man ablebt. Die gewonnenen Ressourcen investiert man nach einer Spielrunde in Verbesserungen am Schiff, Spielvereinfachungen und neue Funktionen - kleine Vorteile für die nächste Runde.
Diese Spielmechanik ist ein wirklich gut funktionierender Motivator, setzt er doch eine so genannte Compulsion Loop zwischen das Ende einer Spielrunde und den Anfang einer neuen. Ich glaube, ohne die Theorie von Compulsion Loops und dem Studium gut funktionierender Sucht-Trigger in Mobile- und anderen Abzockspielen wäre so ein Design nicht möglich.
Aber ich spiele Everspace nicht nur, weil es in sich äußerst packend (im Suchtsinne) und wirklich hübsch ist. Das Entwicklerstudio aus Hamburg stellt nach und nach Vorabversionen seinen Vorkäufern zur Verfügung (als eventueller Rezensent hab ich diese Version umsonst bekommen). Alle paar Wochen bis Monate wird die zunächst sehr unfertige Vorabversion durch ein großes Update mit Funktionen und Levels erweitert. Hat man Pech, gehen durch das Update stundenlang erspielte Spielvorteile drauf. Hat man Glück, machen all die teuren Investitionen ins Schiff dann erst richtig Spaß, weil sie aus einer Spielsackgasse führen. Andererseits sind noch fehlende Funktionen durch leere Ausrüstungsfelder angedeutet: vor einem Update auf die nächste Version gibt es also die Hoffnung, dass man endlich neue, interessante Dinge wird freischalten können.
Das Spiel selbst hat sich in den drei Versionen, die ich bisher gespielt habe, sehr weiterentwickelt. Schon in seiner ersten Version eines sehr minimalistischen Shooters hat es mich gepackt, dann kamen Komplikationen und eine deutlich verschärfte Schwierigkeit hinzu und das Spiel wandelte sich von einem "Schieß auf alles und sacke alles ein" zu einer Welt, in der man viel strategischer vorgehen muss. So musste ich jedesmal auch Everspace wieder ein bisschen von vorne lernen.
@rockfishgames.com
Das erste Spiel ist also Everspace. Das erste Metaspiel ist mein Spiel gegen den Programmier- und Designfortschritt der Entwickler. Ich muss schnell genug sein, um im aktuellen Spielstand permanente Erfolge zu erreichen, aber langsam genug, um nicht vor dem nächsten Update schon an die Grenzen des Spiels zu gelangen - wo es dann sehr schnell langweilig wird.
Das zweite Metaspiel ist also eines gegen mich selbst: Nämlich gegen die Langweile, die an den Rändern des Spiels auf mich wartet, wie die Leere zwischen den Inseln der Ordnung im freien Raum. Das hatte ich bislang nur bei wenigen Spielen, dass ich merkte, dass der Spaß ein Ende haben wird, dass ich aber durch eine absichtliche Verlangsamung das Unausweichliche noch ein wenig hinauszögern kann. Ein bisschen so, wie wenn man das letzte Kapitel eines Buches nur noch seitenweise liest oder noch einmal an den Anfang des Buches zurück springt, um sich mit dieser Welt vollzusaugen, die man bald verlassen muss.
@rockfishgames.com
Aber dieses Spiel hat noch eine weitere, äußere Grenze, und die beschreibt mein drittes Metaspiel. Denn auch bei mir im Privatleben gibt es derzeit einen Countdown, der dieser Tage bei Null enden wird - und dann ist auch erstmal Schluss mit Spielen. Bis es soweit ist, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder Everspace solange zu spielen, bis es mir zum Hals heraushängt und ich gar nicht mehr weiterspielen will. Das ist die einfache Methode. Oder Everspace am Höhepunkt meines Spielspaßes zu verlassen, damit es mir so in Erinnerung bleibt: eine schier endlose Weite an Zeitvertreib.
Aber sollte ich dann dereinst zurück zum Spiel kehren, werde ich es vermutlich gar nicht wiedererkennen. Es wird sich ohne mich weiterentwickelt haben und andere Menschen werden sich darin viel besser auskennen als ich, der Pionier. Ich werde bis dahin versuchen müssen, jeglichen Kontakt zum Spiel und seinen Foren abzubrechen und es bloß nicht zu viel zu loben und die Zeit mit ihm zu verklären.
@rockfishgames.com
Der Abschied wird drastisch sein, egal, wie ich es mache. Aber vielleicht ist das ja auch eine Möglichkeit für andere Spiele: Sie nicht fertig spielen, sie bei der Entwicklung beobachten und dann wieder alleine lassen. Denn auch wenn der Spieltod in Everspace immer auch ein verbesserter Anfang ist, dann ist er doch auch immer ein Schritt hin zum Unausweichlichen: Dass man als Spieler besser als das Spiel geworden ist und ein Weitermachen eh nicht mehr sinnvoll ist. In Spielen mit endgültigem Tod ist die endlose Langeweile, gefangen in Compulsion Loops und Sucht-ähnlichem Verhalten das schlimmste Ende. Die Freiheit vom Spiel das schönste.