Erstellt am: 8. 7. 2016 - 16:09 Uhr
The daily Blumenau. EM-Journal '16-72, 08-07-16.
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16, da ist die Klick-Übersicht.
Das war das erste, kleine Semifinale zwischen Portugal und Wales, das das zweite, große von Deutschland und Frankreich.
Das ist der Reality Check der Euro-Preview und das ist die Analyse des Erfolgs des demokratischen Europa.
Das waren die Viertelfinals: Polen gegen Portugal, dann Wales - Belgien und das Drama von Deutschland gegen Italien und Frankreich - Island
Das war die grundsätzliche System-Analyse nach dem Achtelfinale, das die Einschätzung der Auswirkungen des aktuellen Nationalismus.
Das waren die Achtelfinals: Schweiz - Polen. dann Wales - Nordirland und schließlich Kroatien gegen Portugal, der Sieg von Frankreich gegen Irland weiters Deutschland vs Slowakei und Ungarn - Beglien sowie schließlich Italien vs Spanien und England - Island
Das war das Aus von Österreich in Runde 3 und das die selbstkritische Schuldfrage.
Das war der Rasierklingen-Tanz von Österreich gegen Portugal, so sieht es in der Nachlese aus. Das war Österreich vs Ungarn und das ist die Analyse dazu.
Das ist die Bilanz der Vorunde.
Das war Runde 3 in der Frankreich-Gruppe A, das in der England/Wales-Gruppe B, der Deutschland-Gruppe C. der Spanien-Gruppe D und der Belgien/Italien-Gruppe E.
Das war die zweite Runde mit Rumänien vs. Schweiz sowie Frankreich - Albanien weiters Russland gg. Slowakei und England - Wales sowie Ukraine - Nordirland und Deutschland vs. Polen. Dann war Schweden gegen Italien sowie Tschechien gegen Kroatien und Spanien vs. Türkei
Weitere Erstrunden-Spiele: Frankreich vs. Rumänien sowie Albanien - Schweiz und aus der der Gruppe B Wales vs. Slowakei und England - Russland. So gingen Polen gegen Nordirland und Deutschland - Ukraine. Und das war Türkei - Kroatien und Spanien - Tschechien.
Und dann noch Irland vs. Schweden und Belgien - Italien plus dann noch Portugal - Island.
Offizielles gibt's auf uefa.com und das ist die Info-Site von sport.orf.at.
#GER #emjournal16 #fußballjournal16
Es ist ein Heulen und Zähneknirschen biblischen Ausmaßes: die in- und externe Begleitmusik zu Deutschlands EM-Abschied, die rund um die Leitmotive Pech, kein Glück und Verdrängung rotiert und sich zur Symphonie auszubreiten droht.
Weil es nicht einmal in an sich einfach geregelten Plätzen wie dem Sport, auch nicht im deppensicher angelegten Fußball mit der einfachen, monokausalen Antwort abgetan ist, und weil alle Menschen (von Löw bis zum Boulevard, vom Core-Fan bis zum Mitläufer) aber nach einer Erklärung dürsten, wird dieser Brandherd noch eine Weile schwelen. Auch weil den Verantwortlichen nicht wirklich an einer öffentlichen Aufarbeitung gelegen ist (was im Übrigen genau so für den ÖFB und seine bis dato halbherzigen Analysen gilt): es würde zu sehr ans Eingemachte gehen, sich derart an den Boulevard zu entäußern wäre auch selbstmörderisch.
Wieso Löw nichts falsch gemacht hat und es trotzdem kein Pech war
Im Kern hat Jogi Löw nichts falsch gemacht: sein Matchplan, seine strategische Idee einer nur kleinen, aber bedeutsamen Umstellung ist aufgegangen. Frankreich stand in Halbzeit 1 gute 30 Minuten mit dem Rücken zur Wand, und war auch in Halbzeit 2 mindestens zehn Minuten lang schwer unter Druck.
Und genau diese zeitweilige Überlegenheit gilt dem nachträglichen Jammer-Chor als Beleg für Ungerechtig- und Glücklosigkeit.
Aber: dass Spielanteile und Ballbesitz keine Spiele gewinnen, ist nicht erst eine Erkenntnis dieser Euro, auch wenn sie dort in den letzten Wochen durchaus vermehrt vorzufinden war. Die durch Spaniens Beherrschungsfußball ab 2008 ausgelöste Ära der Dominanz ist Geschichte, die Gegenwart und die nähere Zukunft gehört jenen Teams, die sowohl offensiven Druck ausüben wollen/können als auch (defensiv) die Räume kontrollieren und so wenig wie möglich zulassen. Das werden über kurz oder lang ohnehin wieder nur die großen Mannschaften der üblichen Verdächtigen sein - zu Beginn solcher Umbruchzeiten haben auch kleinere Teams mit ausgesucht klugen strategischen Mitteln eine Chance mitzuspielen.
Bereits perfekt beherrscht wird dieses Doppelspiel von Italien und Portugal, die deshalb beide weitaus jenseits ihrer eigentlichen Möglichkeiten operiert haben. Kräftige Schritte haben Deutschland und Frankreich gemacht. Luft nach oben haben noch Belgien, England und Spanien (die sich ebenso umstellen werden). Bereits über seinen Möglichkeiten hat etwa Wales gespielt.
Der direkte Vergleich Portugal - Deutschland macht uns sicher:
Um konkret beim DFB-Team zu bleiben: dort hat Joachim Löw die Zeichen der Zeit erkannt und reagiert, hat gegen Italien auf eine Italien-light-Strategie umgestellt, hat sich für Frankreich eine ausgezeichnete Extra-Variante überlegt.
Vergleicht man diese punktuellen Veränderungen mit der radikal-philosophischen Veränderung des portugiesischen Spiels ab der K.-O.-Phase, sollten die dabei gestellten Anforderungen an die Spieler also kein gröberes Problem sein. War es dann aber doch.
Fernando Santos hat im Vergleich zu den Gruppenspielen folgendes angeordnet: Zurückhaltung der sonst offensiven Außenverteidiger, ein fluides Mittelfeld, das trotzdem seine (defensive) Kettenformation nie aufgibt, mit nach hinten arbeitende Spitzen. Sein Team kann von diesem Modus aus natürlich jederzeit in den aggressiv andrückenden Offensiv-Modus vergangener Tage umschalten (zumal diese Tage echt nur Tage her sind). Und noch was: in seinem Team ist strukturell jeder, personell (bis auf CR7) fast jeder ersetzbar.
Löws permanente Wechsel: segensreich und notwendig
Löw ging mit einem klar strukturierten 4-2-3-1 in die Euro, aber erst im dritten Gruppenspiel hatte er seine Turnierelf gefunden, mit Rechtsverteidiger Kimmich und Stoßstürmer Gomez. Die durften dann zwei bejubelte Spiele abliefern, ehe sie gegen Italien einer kleinen, aber bedeutsamen Änderung (zu einem 5-2-3) unterzogen wurde, die vor allem auch die Außenverteidiger und ihre Rolle betraf. Gestern gegen Frankreich war es dann ein 4-3-3, und wieder trugen die Außenverteidiger einen erheblichen Teil der strategischen Last.
Nach dem Ausfall von Boateng war es diese Defensiv-Formation, die sich in einer schwerwiegenden Fehlerkette das entscheidende zweite Gegentor, das erste des Turniers aus dem Spielverlauf heraus, einfing: Kimmich-Mustafi-Höwedes-Hector, davor als Einzel-Sechser der durch sein Handspiel moralisch geschwächte Kapitän Schweinsteiger.
Achtung, es geht nicht darum das Ausscheiden durch die Ausfälle von Hummels, Khedira, Gomez und Boateng zu entschuldigen - die kann der DFB-Kader allesamt ersetzen. Löw allerdings hat ihre Aufgaben überreizt, die Ansprüche an diese Mischung aus Neulingen, B-Elf und nach langer Verletzung noch nicht Vollfitten überzogen. Wenn wie im konkreten Fall dann auch noch ein Fehler des fehlerlosen Neuer dazukommt, also auch die letzte Absicherung patzt, dann fängt man sich was ein.
Löws Risikonahme scheitert am zu schlecht geschulten Personal
Löws Maßnahmen waren völlig richtig; er hatte nur nicht (bzw noch nicht lange genug) das geeignete Personal dafür. Ich bin sicher, dass sein Trainerteam dieses Risiko mitbedacht (auch der Ausfall von Boateng musste als jederzeit drohende Möglichkeit einkalkuliert sein) und in Kauf genommen hat. Und auch diese Entscheidung war wohl richtig.
Die von ARD-Experten mit geringer Beschäftigungs-Aufmerksamkeitsspanne und Gier nach Boulevard-Bestätigung per hate-speech geübte Kritik an der Tatsache, dass es überhaupt Veränderungen gegeben hatte, schlägt dabei fehl: wäre Löw mit seiner gegen Nordirland/Slowakei gut eingespielten Crew ins Italien-Spiel gegangen hätte er das Schicksal seiner Kollegen aus Belgien und Spanien geteilt, wäre einem taktisch vielfach besseren Gegner ins Messer gelaufen. Hätte Löw sich nicht speziell an Frankreich orientiert, hätten die ersten Rollkommando-Minuten der Blauen nie geendet.
Es war - im Rahmen der Risiko-Abwägungen - alles richtig, was Löw unternommen hat. Sein Plan ist nicht aufgegangen, weil die Mannschaft zu wenige echte Torchancen erarbeitete, keine verwertete und sich - und da ging die Risikonahme dann halt nach hinten los - unter Druck Aussetzer erlaubte.
Das als Frage von Glück und Pech zu beweinen
ziemt sich für eine Mannschaft, die sich nur via Elferschießen gegen ein eigentlich besser orientiertes italienisches Team durchgesetzt hatte, letztlich gar nicht; diese Ausrede gereicht eher zur Schande, ist aber - siehe oben - den Medien-Verhältnissen Deutschlands, vor allem der Macht des Boulevards geschuldet, der eine solche, der Mentalität entsprechende Leidensmiene besser vermarkten kann (besser: will; Stichwort: Nationalismus) als eine ehrliche nüchterne Aufarbeitung.
Dass mit Portugal jetzt das andere Italien im Finale gegen die französischen Gastgeber spielen darf, ärgert Löw zurecht am Meisten. Das doppelt nämlich seine momentane Niederlage.
Lang vorhalten wird der Gram aber nicht. Das DFB-Trainerteam wird ab sofort an den nötigen Maßnahmen arbeiten sich die Doppelstrategie draufzuschaffen und wird auch gut daran tun die Personal-Sicherheit zu erhöhen. Und im WM-Finale 2018 stehen.