Erstellt am: 8. 7. 2016 - 15:30 Uhr
Man kann nicht tanzlos glücklich sein
Nie offenbart man sich mehr als beim Tanzen. Der Körper verrät alles. Gefühl wird Bewegung. Bewegung wird Gefühl. Nicht selten sogar Euphorie. "Man kann nicht tanzlos glücklich sein", singen daher auch Filou, und Tanz gibt es diesen Sommer wieder jede Menge - zum Anschauen, Mitmachen und Nachdenken.
Das Impulstanz Festival findet von 14. Juli bis 14. August statt.
Das Impulstanz Festival bringt im Verlauf der nächsten Wochen 53 KünstlerInnen und Compagnien nach Wien und mit ihnen ein Riesenangebot an Performances, Workshops und Parties.
Im Folgenden ein paar der vielen, vielen Highlights:
The Teaches of Peaches
Selber tanzen
Bei den FM4 Fridays in der Impulstanz Festival Lounge im Burgtheater Vestibül legen Kristian Davidek, DJ Phekt und Beware auf, bei den Impulstanz Festival Parties sorgen Martin Pieper, DJ Functionist, Sebastian Schlachter und Christian Fuchs für den Sound.
Mit Fellmuschi und Riesengumminippeln räkelt sich Peaches auf einer künstlichen Felsenlandschaft am Pool. TänzerInnen in Vagina-Kostümen, Synchronschwimmerinnen und eine Art Zombie planschen vergnügt im Wasser. Nach ihrem im Dezember präsentierten "most insane video ever" zum Titelsong ihres aktuellen Albums "Rub", legte Peaches erst gestern ihr neues Video zu "Vaginoplasty" von derselben Platte nach.
Ein paar wenige Glückliche werden Ende Juli nun die Ehre haben, The Teaches of Peaches quasi leibhaftig zu erleben. Gemeinsam mit Performer und Aktivist Keith Hennessy gibt Peaches einen leider bereits ausgebuchten Workshop unter dem Titel "Critical Joy". Das Lab endet mit einem Event im MUMOK. Was das genau wird, ist derzeit noch offen. Der Pressetext verspricht eine "experimentelle Auseinandersetzung mit Malerei, Tanz, Pop und ihren Hybriden. Choreografie, Skulptur und Musik werden zu sozialen Praktiken, bei denen Politik und Kunst und Party und Freundschaft das Handeln motivieren!".
Ian Douglas
Trash im Museum
Nicht weniger radikal und kompromisslos geht Florentina Holzinger an ihre Arbeiten heran. Sie kann getrost als Enfant terrible der österreichischen Performanceszene bezeichnet werden. Ihre Stücke tragen Titel wie "Kein Applaus für Scheiße", sie hat einen Absturz von einer Bühnenaufhängung aus mehreren Metern Höhe überlebt und Prügel von einer professionellen Kickboxerin eingesteckt.
Dieses Jahr präsentiert sie gemeinsam mit ihrem niederländischen Performance-Partner Vincent Riebeek und anderen "Body + Freedom". Eine zweitägige Live-Intervention im Leopold Museum, bei der nach dem aus Journalismus und Porno bekannten Gonzo-Prinzip, das die Kamera als Teil des Geschehens begreift, eine Trash-TV Sendung gedreht wird. Die Zeit im Museum ist gleichzeitig Training für die darauffolgende Performance namens "Jungle", in der es ziemlich viel dampft und ziemlich viel menschelt. Und warum soll man sich nicht auch mal eine Wurst in den Schritt binden? Eben.
Mädchen unter der Erde
Auch das norwegische Performance-Trio Berstad/Helgebostad/Wigdel hinterfragt traditionelle Geschlechterrollen. Ihr Stück heißt "Soil Girl" und basiert auf dem gleichnamigen Gedicht von Dramatikerin Maria Tryti Vennerod. Darin ist ein Mann auf der Suche nach etwas Erdigem und findet es in einem Erdmädchen, das er unter einem Komposthaufen versteckt hält. Sie muss Nacht für Nacht auf ihren Liebhaber warten. Soweit die Geschichte. Die drei Performerinnen machen daraus etwas sehr Unliebliches und wenden sich der dunklen Seite ihrer Weiblichkeit zu. Sie laufen wild durch den Wind, krächzen kehlig, und blecken ihre perlweißen Zähne. Das könnte sehr lustig werden.
Chrisander Brun
FM4 Fan Award
Ihr könnt für die 12 Nominierten beim FM4 Fan Award voten. Welches Video und welche Choreographie gefällt euch am besten?
Die drei Norwegerinnen sind übrigens Teil der 8:tension-Serie, einer Performance-Schiene für Nachwuchs-ChoreographInnen. Alle von ihnen sind für den mit 10.000 Euro dotierten Prix Jardin d'Europe nominert, sowie für den FM4 Fan Award, der in diesem Rahmen ebenfalls vergeben wird.
Tanzen zum Anhören
Vorjahresgewinner Simon Mayer ist auch heuer wieder beim Impulstanz Festival dabei. Er bleibt seiner Agenda treu und dekonstruiert einmal aufs Neue ländliches Brauchtum und traditionelle Männerbilder. In "Sons of Sissy" schwingt er mit drei weiteren Buam Aperpeitschen, schuhplattelt und singt Gstanzln. Nicht nur, aber auch im Adamskostüm. An einem Abend wird die Aufführung auch mit Audiokommentar für sehbehinderte Menschen gezeigt.
Schöne Soundtracks und exzentrische Künstler
Was beim Impulstanz Festival sonst noch alles erwähnenswert ist, lässt sich schwerlich in einem Absatz zusammenfassen, hier dennoch ein Versuch:
Der höchst sympathische Schwede Mårten Spångberg feiert und/oder kritisiert die Konsumkultur in einer epischen 4-Stunden-Performance und bringt einen wunderbaren Soundtrack aus Pop, R&B und HipHop mit.
Der deutsch-britische Künstler Tino Sehgal, der kaum Interviews gibt, nicht per Flugzeug reist und seine Auftritte nicht mit schriftlichen Verträgen, sondern nur per mündlichen Abkommen vereinbart, ist dieses Jahr Mentor für die jungen TanzstipendiatInnen. Drei seiner "konstruierten Situationen" werden im Leopold Museum gezeigt.
Und Simone Aughterlony, Antonija Livingstone und Hahn Rowe verhandeln die großen Essenzen unserer Zeit: Körper, Politik und Natur. Auch in "Supernatural" wird nackt Holz gehackt und sich kräftig aneinander gerieben. Bis dahin bauen die PerformerInnen im Wiener Arsenal aber inzwischen mal eine Mauer aus Spezialziegeln aus Niederösterreich.
Jorge León
Wie immer lohnt es sich aber außerordentlich, das Impulstanz Programm selbst durchzuscannen.