Erstellt am: 11. 7. 2016 - 15:39 Uhr
Sarah Kuttner revisited
Laura Lackmann, Jahrgang 1979, hat soeben doppelt debütiert. Anfang Mai ist ihr erster Spielfilm in die Kinos gekommen, der quasi Leinwand-Remix von Sarah Kuttners Erfolgsbuch "Mängelexemplar". Stichwort (und erster Satz des Romans): "Eine Depression ist ein fucking Event". Mittzwanzigerin Karo verliert Job, Freund und vor allem ihr letztes bisschen Halt.
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Nur kurz nach Film-Release, im Juni, hat Lackmann dann auch noch ihren Romanerstling vorgelegt, Titel: "Die Punkte nach dem Schlussstrich".
Was beide Werke eint: Thema wie Personal überschneiden sich, zumindest ein bisschen.
Beda Mulzer
Kein DIN-Format
Lackmanns Roman-Protagonistin Luzy steht (ähnlich wie Mängelexemplar-Karo) etwas abgerückt von dem, was wir Norm nennen.
Luzy ist reich - richtig reich mit viel Freizeit, der Papa Maler und später suizidal, die Mama einstige Porno-Ikone. Das elterliche Zuhause gleicht dabei der Ex-DDR. Denn eine Mauer zerteilt die Grunewald-Villa mitten durch, in ein Mama-hier und ein Papa-Drüben, das Töchterchen haust neutral im Keller.
Luzys Hauptprobleme sind das Alleinsein und die Liebe. Beides kann sie irgendwie nicht. Mit Kindergarten-Freundin Sophie war noch alles einfach, das symbiotische Verhältnis eigentlich Luzys erste große Liebe.
Aber dann kommt das Erwachsenwerden plus Männerbeziehungen und alles geht den Bach runter. Sophie entfernt sich von Luzy und Luzy sucht sich stattdessen Apollo. Er wird der erste in einer Reihe von verdreht-abgewrackten bis lieblosen Beziehungen sein. Gefolgt vom viel zu alten Schulkollegen-Vater Peter oder dessen Ablöse Jonas. Gerade als Luzy letzteren gewissermaßen unter ein Expedit-Regal geschubst hat, lernen wir sie kennen. Die Polizei verhaftet sie gerade, und dann gleich noch einmal, weil sie zurück in Jonas´ Wohnung geschlichen ist.
Pop-Lit
"Die Punkte nach dem Schlussstrich" von Laura Lackmann ist bei LIST erschienen. Die Illustrationen im Buch stammen von Laura Tonke.
Leseprobe
"Die Punkte nach dem Schlussstrich" ist poppig montiert, viele Zeitsprünge, Backstory-Rückblenden, dazwischen Luzys Gedankenwelt. Luzy verbiegt sich für das, was sie für Liebe hält. Erfindet sich, Biografisches oder Drogenabhängigkeiten, sie kann alles spielen. Sie ist, wie sie sagt, Berufsfreundin. Aber weil es dafür keine Ausbildung gibt, schießt Luzy schon mal ordentlich übers Ziel. Loslassen ist in ihrem Programm sowieso nicht wirklich vorgesehen. Siehe Titel...
In Interviews hat die Autorin übrigens erzählt, dass sie auch eine persönliche Geschichte mit Depressionen hat.
LIST
Lackmanns Roman ist ein gelungenes Debüt, wenn auch nicht an allen Fronten. Flüssiger Stil, durchwegs geglückte Story sowie Protagonistinnen plus ein gut zu lesendes Ende (Enden sind ja oft ein Ärgernis - zumindest für mich). Allein, ein bisschen Redundanz schleicht sich in die Story ein, Verhaltensmuster ähneln sich.
Amüsant sind zudem die von Laura Tonke beigesteuerten Illustrationen, die dem Roman eine Art Comic-Kick geben.
Womit wir schließlich wieder bei der anfangs angeprochenen personellen Überschneidung mit Mängelexemplar wären: Laura Tonke spielte nämlich auch die beste Freundin der Protagonistin in der Verfilmung von Laura Lackmann. Die wiederum bereits ihren nächsten Kinofilm vorbereitet...