Erstellt am: 9. 7. 2016 - 05:00 Uhr
The View from the Cheap Seats
Morrow Verlag
Vorwörter und Ansprachen - das sind Dinge die ich im Allgemeinen unfassbar, unsagbar, ungeheuer langweilig finde. Mir schläft normalerweise schon das Gesicht ein, wenn ich nur beim Durchblättere sehe, dass ein Vorwort länger als 2 Seiten ist. Jetzt hatte ich das Dilemma, dass Neil Gaiman - der Autor von dem ich normalerweise alles verschlinge und fantastisch finde - ein Buch herausgebracht hat, das nur solche Texte enthält!
Selected Nonfiction
"The View from the cheap Seats" ist eine Sammlung von Ansprachen, Essays, Vorwörtern und anderen Texten, die Gaiman im Lauf der Jahre verfasst hat. Sie sind thematisch grob nach Themenblöcken geordnet: Some People I have known, Films and Movies and me, On Comics and some of the People who make them usw. Ein Kapitel umfasst Texte, die sich um Musik drehen. Gaiman hat beispielsweise für das Tour Book von Tori Amos geschrieben.
Seine Ansprachen widmen sich, abhängig davon, auf welcher Convention oder Preisverleihung er sie gehalten hat, beispielsweise Themen wie dem Genrebegriff Science Fiction oder der Frage, was ein Kinderbuch ausmacht. In vielen seiner Reden erzählt er von seiner eigenen Kindheit, die er großteils in Bibliotheken verbracht hat. Er erzählt über die Bedeutung die Bücher in seinem Leben schon immer hatten und welche ihn besonders geprägt haben. Er plaudert außerdem aus dem Nähkästchen seiner Autorenarbeit, erzählt Anekdoten darüber, wie die eine oder andere Geschichte entstanden ist, wie er seine Bücher schreibt. "The View from the Cheap Seats" ist also auf jeden Fall interessant für alle, die sich für Neil Gaiman selbst interessieren. Man erfährt aber auch einiges über viele, viele andere interessante Menschen. Einige der Texte drehen sich um die größten Science Fiction -, Fantasy - und Comic-Autoren unserer Zeit (die Neil Gaiman allesamt kennt bzw gekannt hat): Terry Pratchett, Douglas Adams, Ray Bradbury, Diana Wynne Jones, Stephen King und und und. Einige der Menschen über die er schreibt kennt man vielleicht auch nicht, will aber nachdem man seine Worte über sie gelesen hat auch deren Arbeit dringend kennenlernen.
Hier eine seiner bekanntesten Ansprachen, die auch im Buch enthalten ist:
Aber ganz gleich worüber Gaiman in seinen Reden spricht bzw in seinen Essays schreibt - im Kern geht es bei ihm immer um Geschichten. Darum, wie unheimlich wichtig sie für uns alle sind, als Ort, den man besuchen kann, um Dinge zu erleben, die man sonst nicht könnte, um die Welt durch jemand anderes Augen zu sehen. Darum wie Geschichten entstehen und wie sie aufgebaut sein müssen, was sie beinhalten und bewirken müssen, um zu funktionieren. Diese Dinge von Neil Gaiman geschildert zu bekommen ist, wie wenn ein Meisterkoch über verschiedene Gewürze spricht. Es ist ein faszinierender Blick hinter den Vorhang. Dabei sind einige der Texte ernster, andere voll von seinem trockenen britischen Humor.
I am English, and share with many of my countrymen an amateurish fondness for, frankly, messing around in gardens: it's not strictly gardening, rather it's the urge that, last year, meant I got to smile proudly at the arrival of hald a dozen exotic pumpkins, each of which must have cost more than twenty dollars to grow and each of which was manifestly inferior to the locally grown produce. I like gardening, am proudly no good at it, and do not mind this at all.
aus dem Text Some Reflections on Myth (With Several Digressions onto Gardening, Comics and Fairy Tale)
In diesem Text vergleicht Gaiman Mythen mit Kompost. Sie entstehen - so schreibt er - aus Religionen, die in Vergessenheit geraten oder nicht mehr praktiziert werden und werden zu fruchtbarer Erde für Geschichten. Nur Neil Gaiman kann innerhalb einer Buchseite so gekonnt einen Bogen von Kompost zu der mythischen Sage von Cupid und Psyche spannen.
"The View from the cheap Seats" ist etwas für alle, die mehr über Neil Gaiman und seine Arbeit wissen möchten, für alle, die gerne Science Fiction und Fantasy lesen und für alle, denen Bücher am Herzen liegen. Denn jedes Wort das Neil Gaiman sagt oder schreibt ist eine Liebeserklärung an das Lesen.