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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

8. 7. 2016 - 15:00

"Das Land der Alternativlosigkeit ist eine Wüste"

Markus Mittmansgruber lässt in seinem Romandebüt "Verwüstung der Zellen" die Zombies aufmarschieren, um einen Ausweg aus der Trostlosigkeit zu finden.

Es ist gar nicht so selbstverständlich, dass die Zombie-Welle aus dem Kino und TV-Serien in die Literatur hinüberschwappt, zu starr sind hier oft die Grenzen, die Trash und Horror draußenhalten. Doch Markus Mittmansgruber halten diese Genredünkel nicht ab: Gleich auf den ersten Seiten seines Debütromans "Verwüstung der Zellen" lässt der Autor eine Kreatur, für die die Kategorien lebendig und tot nicht mehr gelten, ihre Zähne in den Hals eines Nachbarn schlagen, der sich unvorsichtigerweise in dessen Wohnung gewagt hat. Nach diesem ersten Happen macht sich der Untote auf, um mit anderen Untoten durch eine postapokalyptische Welt zu schlurfen und sich seine Opfer zu suchen.

Buch: Markus Mittmansgruber - "Verwüstung der Zellen"

Luftschacht-Verlag

"Verwüstung der Zellen" von Markus Mittmansgruber ist im Luftschacht-Verlag erschienen.

Der Untote wird als Massepunkt bezeichnet, geschrieben als ●. Was dieser ● mit dem Protagonisten der Parallelhandlung, dem Sohn, zu tun hat, ist lange Zeit nicht klar. Was die beiden verbindet, ist der Verfall, körperlich bei ●, psychisch beim Sohn.

Am Anfang sind es nur ein paar scheinbar kleine Veränderungen im Leben, er macht mit seiner Freundin Schluss, schmeißt das Philosophiestudium, nimmt einen langweiligen Job in einer Consulting-Firma an, Veränderungen, die dann doch von ernsteren Dingen begleitet werden: Beim Vater wird eine tödliche Krankheit diagnostiziert, verbannt allerdings seine Familie von seinem Krankenbett, was die Mutter in den Rückzug drängt und beim Sohn ein unangenehmes Geräusch im Ohr auslöst, das ihn die nervliche Substanz kostet, ihn in Panik versetzt und schließlich in Behandlung treibt, wo er starke Psychopharmaka gegen Depressionen verschrieben bekommt.

Immer stärker beschleicht den Sohn das Gefühl, dass seine Entscheidungsmöglichkeiten im Leben Schritt für Schritt weniger werden, wobei er immer weiter aufgerieben wird. Da fällt ihm ein Text in die Hände, der genau dieses Gefühl nachzeichnet, aber auch Abhilfe verspricht: Möglichkeiten-Multiplikation.

Der Sohn ergreift diesen scheinbar rettenden Strohhalm und begibt sich in die Hände eines Unbekannten und dessen Frau, die in einer Art Selbstverwirklichungskurs eine "Körperentpanzerung" anbieten. Doch was in dieser recht schrägen Runde passiert und von ihm gefordert wird, lässt seine Angst und Selbstzweifel aber weiter wachsen und er gleitet schließlich in eine Paranoia ab.

Langweilig wird einem mit Markus Mittmansgrubers "Verwüstung der Zellen" nicht. Der 35-Jährige erschafft starke Bilder, die lange hängenbleiben. Da ist zum Beispiel dieses nervtötende Geräusch, das der Autor als ausgehungerten Köter beschreibt, der sich im Ohr des Sohnes auf einen stets gefüllten Aufmerksamkeitsnapf stürzt und ihn "mit Tollwut und kläffendem Terror ausleckt".

Markus Mittmansgruber portrait

Veronika Richter

Dass Mittmansgruber schreiben kann, hat er schon mehrfach bewiesen. Sowohl 2011 als auch 2015 hat er es auf die Longlist des FM4 Kurzgeschichten-Wettbewerbs Wortlaut geschafft, 2011 sogar unter die besten 10, mit einer Geschichte über einen todkranken Vater und schräge Clowns. Den todkranken Vater hat er für sein Romandebüt übernommen, und noch eine weitere Parallele gibt's zum Text aus 2011. Clemens Setz, damals in der Wortlaut-Hauptjury, hat quasi einen Cameo-Auftritt als Teilnehmer im Selbstverwirklichungskurs, inklusive Obertongesang-Performance.

Witzige Szenen wie der Setz-Auftritt sind allerdings selten in dem rasantem Romandebüt, in dem die Zombie-Geschichte um ● und der Kontrollverlust in einem jungen Leben immer stärker ineinandergreifen. Meist treibt Mittmansgruber seine LeserInnen vor sich her, ohne große erklärende Pausen, mit Ausflügen in die Philosophie-, Literatur- oder B-Movie-Geschichte. Das Tempo, das er dabei vorlegt, lässt einen kaum verschnaufen, mit dem Nachteil, dass einige LeserInnen dem Autor wohl nicht ganz folgen werden können.