Erstellt am: 4. 7. 2016 - 15:44 Uhr
The daily Blumenau. EM-Journal '16-68, 04-07-16.
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16, da ist die Klick-Übersicht.
Das waren die Viertelfinals: Polen gegen Portugal, dann Wales - Belgien und das Drama von Deutschland gegen Italien und Frankreich - Island
Das war die grundsätzliche System-Analyse nach dem Achtelfinale, das die Einschätzung der Auswirkungen des aktuellen Nationalismus.
Das waren die Achtelfinals: Schweiz - Polen. dann Wales - Nordirland und schließlich Kroatien gegen Portugal, der Sieg von Frankreich gegen Irland weiters Deutschland vs Slowakei und Ungarn - Beglien sowie schließlich Italien vs Spanien und England - Island
Das war das Aus von Österreich in Runde 3 und das die selbstkritische Schuldfrage.
Das war der Rasierklingen-Tanz von Österreich gegen Portugal, so sieht es in der Nachlese aus. Das war Österreich vs Ungarn und das ist die Analyse dazu.
Das ist die Bilanz der Vorunde.
Das war Runde 3 in der Frankreich-Gruppe A, das in der England/Wales-Gruppe B, der Deutschland-Gruppe C. der Spanien-Gruppe D und der Belgien/Italien-Gruppe E.
Das war die zweite Runde mit Rumänien vs. Schweiz sowie Frankreich - Albanien weiters Russland gg. Slowakei und England - Wales sowie Ukraine - Nordirland und Deutschland vs. Polen. Dann war Schweden gegen Italien sowie Tschechien gegen Kroatien und Spanien vs. Türkei
Weitere Erstrunden-Spiele: Frankreich vs. Rumänien sowie Albanien - Schweiz und aus der der Gruppe B Wales vs. Slowakei und England - Russland. So gingen Polen gegen Nordirland und Deutschland - Ukraine. Und das war Türkei - Kroatien und Spanien - Tschechien.
Und dann noch Irland vs. Schweden und Belgien - Italien plus dann noch Portugal - Island.
Offizielles gibt's auf uefa.com und das ist die Info-Site von sport.orf.at.
#emjournal16 #fußballjournal16
Es sind nun also noch vier übrig: Portugal, Wales, Deutschland und Frankreich. Mit zwei davon hatte man fix, mit Portugal durchaus, und mit Wales eher nicht gerechnet. Wiewohl Wales im Vorfeld (da ist der Beleg) sowohl als Geheim-Favorit gehandelt als auch mit Lob zur strategischen Ausrichtung überschüttet wurde; man hätte es also durchaus wissen können.
Diese vier Teams aus drei Nationen und einer Region haben zwei Dinge gemeinsam: zum einen gehören sie allesamt zum alten (westlichen) Europa und werden entweder von linken Regierungen (Portugal, Frankreich und auch Wales; und für Italien hätte das ebenso gegolten) oder von einer Koalition der Mitte (Deutschland) regiert.
Zum anderen sind alle vier Teams wegen ihrer taktischen und strategischen Flexibilität so weit gekommen: Wales sowieso von Haus aus, Portugal seit dieser Euro, Deutschland und Frankreich changieren zielgenau zwischen zwei Ideen.
Ich will hier keine vielleicht schon überwuzelten Thesen nachplappern (der argentinische Weltmeister Cesar Luis Menotti und seine Philosophie des linken Fußballs, in der es nicht nur ums Gewinnen geht, sondern auch "um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen"), ich stelle nur fest.
1) alle Nationalisten sind draußen, schon längst
Alle Nationen und Verbände, die sich eilfertig in den Dienst nationaler patriotischer Propaganda gestellt haben, sind - teilweise mit verheerenden Ergebnisse und frühzeitig - rausgeflogen. Ich habe hier eh schon im Detail ausgeführt, was die Ukraine und Russland, Ungarn oder die Türkei betrifft, aber auch in weiterer Folge das ultranationalistisch geprägte Kroatien. Mit Polen hat sich die letzte Mannschaft, die aus einem von Nationalisten regierten Land kommt, auch das letzte osteuropäische Team verabschiedet. Wie überhaupt der Osten (Stichwort: Visegrad) und der Südosten einen ganz schweren Stand hatten.
2) das alte demokratische Westeuropa dominiert
Der alte Westen hingegen, die EG 12 stellt alle Halbfinalisten, sechs Viertelfinalisten und die Mehrheit der Achtelfinalisten, wiewohl nur zehn überhaupt bei der Euro mitspielten - das ist eine überragende Bilanz.
Die alten Europäer mit konservativen Regierungen (England, auch Nordirland, Belgien, Spanien, Irland) haben sich allesamt spätestens im Viertelfinale verabschiedet. Die letzten vier und Italien hingegen sind sozialdemokratisch bzw. von einer christdemokratisch / sozialdemokratischen Koalition regiert.
3) strategische Vielfalt besiegt taktische Einfalt
Die hier von mir prominent herausgehobenen Mannschaften, die sich nicht wegen ihrer individuellen Klasse oder überlegenden Strukturen, sondern trotz schlechterer Voraussetzungen in den Vordergrund gespielt haben, sind die aus Portugal, Wales, Italien und Nordirland, mit einer lobenden Erwähnung von Irland.
Unter den letzten Acht sind mit Polen und Island nur zwei Teams ohne Plan B, über den Deutschland, Frankreich und auch Belgien sehr wohl verfügen.
Jogi Löw verordnete Deutschland im entscheidenden Viertelfinale sogar eine radikale Kur, eine Komplett-Umstellung von 4-2-3-1 auf 5-2-3; und auch Frankreich wich überraschenderweise vom eingeübten 4-3-3 ab und stellte auf ein 4-2-3-1/4-4-2-Hybrid um.
Auch Belgien probierte in den finalen Minuten seines Matches eine Umstellung, scheiterte aber (auch) an der allzu großen Starrheit seiner Spielidee.
Strategisch flexibel zeigten sich außerdem nur die Slowaken, die ein gutes Turnier spielten, im schlechten leider auch Österreich, das mit drei ganz unterschiedlichen Systemen ein Cartagena-Schicksal erlitt (und wie damals 2011 die U20, nach ebenso drei dramatisch divergierenden Aufstellungen, in die Gruppenphase der WM als Gruppen-Vierter ausschied) und England, das weder im 4-3-3 noch im 4-2-4 gut aussehen konnte, weil es durch die konservative Gesamt-Struktur, mit der Roy Hodgson sein Team überzog, gebremst wurde.
Andere hocheingeschätzte Teams wie Spanien oder Kroatien spielten ihren Stiefel ebenso runter wie Teams, die schon mehr Potential hätten wie Polen oder die Schweiz und Mannschaften, die froh sein müssen, ein gutes System gefunden zu haben wie Island, Rumänien, Albanien oder Ungarn. Und unter den meisten der ganz früh Ausgeschiedenen ist die Unbeweglichkeit besonders hoch: Russland, Ukraine, Tschechien, Türkei.
4) Die Schnittmenge zeigt: wer gesellschaftspolitisch freier denken kann, spielt kreativeren Fußball - und gewinnt die Euro
Wie gesagt: ich bin kein Menotti-Apostel, mich hat die (vor allem in Harald Irnbergers Standardwerk) ausgeführte These vom besseren, linken Fußball immer schon eher amüsiert, auch weil sie sich so schön als Provokation von Rechten eignet.
Dass sich im aktuellen Europa des Umbruchs aber eine so klare Tendenz zeigt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Den klügsten und schlauesten, taktisch hochwertigsten Fußball der Euro spielen Portugal und Italien; die beste und effektivste, weil spiegelnde Reaktion darauf zeigt das deutsche Team; der eindeutig am weitesten fortgeschrittene britische Teilnehmer ist Wales; und selbst das gern hochnäsige, auf keinerlei Außeneinflüsse reagierende Frankreich passt sich geschmeidig-intelligent an. Die Nationalisten kriegen allesamt Lektionen erteilt, und auch die sehr konservativ geschulten europäischen (bzw. dank Brexit ex-europäischen) Kernländer sind verdientermaßen auf dem Heimweg.
Das alte demokratisch gesinnte, vorwiegend sogar linke Europa gewinnt diese Euro; weil sich seine Mannschaften komplexes Denken und kreatives Handeln erlauben. Wer mit populistisch gestrickten einfachen Antworten und den simplen Systemen auf den Platz geht, fällt auf die Schnauze.