Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Wir kommen schon nach Hause, so oder so"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

3. 7. 2016 - 16:01

Wir kommen schon nach Hause, so oder so

Der Song zum Sonntag: The Strokes - "Threat of Joy"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Wenn wir den guten, alten Rock'n'Roll wollen, dann wollen wir eines von ihm vor allen Dingen nicht: die Vernunft. Lieber wollen wir speckige Typen und Typinnen, akkurat verwuschelte Jeans- und Lederboys, sexy Risiko und Gefahr.

Ein ständiges Leben auf der Klinge des Springmessers, Ekstase und die erhellendsten Einsichten der Welt, die sich morgen früh schon wieder als greller Humbug entpuppt haben werden. Das alles sind Klischees und wir wollen uns in sie hineinlegen. Dann gehen wir wieder arbeiten. Vom Erwachsenwerden mit Klasse und dem öden Altern in Würde wollen wir in der Kunst nicht so gerne hören.

The Strokes

The Strokes

Die Strokes aus New York haben mit ihrer ersten EP und ihrem immer noch und auf immer hervorragenden Debütalbum "Is This It" aus dem Jahr 2001 die Gitarrenrock-Renaissance der Nuller-Jahre mit schäbigem Schick eingeläutet und sind seither nach wie vor verlässlich abgefuckte Rock'n'Roll-Darsteller mit Fashion-Appeal, bloß eben schon recht gut ins Alter gekommen, mal mehr, mal weniger im Licht der Öffentlichkeit.

Eine Welt müssen die Strokes nicht mehr einreißen, ein besseres oder auch nur ähnlich gutes Album wie das Debüt ist ihnen nicht mehr gelungen, mal sind sie okay, mal weniger okay, oft solide egal, moderner Classic Rock, mittlerweile die eigene Referenzgröße.

Das Stück "Threat of Joy" von der Anfang Juni erschienenen "Future Present Past"-EP ist das beste Stück der Strokes seit langer Zeit. Es swingt, es schunkelt, schaukelt mal melancholisch, mal verschnupft gelangweilt, so wie früher, als wir in der kaputten Jacke in der Dive Bar an der Jukebox schlechte Lieder gedrückt haben und all die anderen Leute triumphierend nicht angeschaut haben.

Sänger Julian Casablancas ist stimmlich in guter Form, was auch heißt, dass er wieder mal so klingt, als sei ihm wieder mal alles recht egal, switcht von bester Lou-Reed-Verkörperung im Intro des Songs zu nasal leierndem Singsang und dann doch gar gefühlig zerdehnten Momenten der Sehnsucht: "And for the first time in my life, I'm gonna get myself right."

Darum geht es in "Threat of Joy". Die Selbstzerstörung überwinden. Irgendwann wird man dann eben doch so etwas wie ein bisschen erwachsen, hat vielleicht Familie, Kinder, das über die Maßen ausgelebte Vergnügen stellt eine mögliche Bedrohung dar.

Der Song stellt Sucht, Verfall, Spaß, Explosion, Freiheitswunsch und die Freuden der Geborgenheit, das Kuschelleben im Ohrensessel, Ruhe im Körper in ein interessantes Reibungs-Verhältnis. Dann gibt es noch ein typisch geil überzuckertes Gitarrensolo, direkt aus dem Achtziger-Jahre-Softrock-Radio ins Nick Valensis Instrument gebeamt, und wir wissen, dass es gut ist, wie es ist.