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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

3. 7. 2016 - 15:06

Heldinnen und Denkmäler

Flimmern - der assoziative Wochenrückblick.

„Alle Identitären werden sterben, Steffis Titten sind Weltkulturerben“. Diese Textzeile aus Inge Borg 50.000 Euro ist mein Lieblingsrap zur Zeit.

Leider sterben auch die Guten wie Manfred Deix. In einer Diskussion mit seinem Freund Gottfried Helnwein fiel der Satz, dass er von Donald Duck mehr über Kunst gelernt hat, als in allen Schulen und Kunstunis, die er besucht hat. Ich weiß nicht, wer diesen Satz zu wem gesagt hat. Beide waren Donaldisten und haben Donald Duck mehrfach gemalt und gezeichnet.

Ich habe vom Fernsehen definitiv mehr gelernt, als in der Schule. Ich habe Heldinnen gefunden die mir meine Kindheit und Jugend 23,5 Kilometer entfernt vom Austragungsort des Bachmannpreis erträglich gemacht haben.

Ingeborg Bachmann hat viel über Klagenfurt geschrieben. In einem ihrer letzten Texte „Drei Wege zum See“, geht es um Heimatlosigkeit und Heimatsuche. Sie beschreibt ein Gefühl des Unwohlseins, dass die Protagonistin jedes Mal befällt, wenn sie in Klagenfurt aus dem Zug steigt. Meine Freundin T., die mir aus „Drei Wege zum See“ vorgelesen hat, hat in Klagenfurt und in Beirut gelebt. Sie hat Familie an beiden Orten. Trotz der politischen Situation lebt sie nach wie vor lieber in Beirut als in Klagenfurt, weil auch sie dieses drückende Unwohlsein kennt.

324 Kilometer entfernt von Klagenfurt spüre auch ich Unwohlsein, als ich zum ersten Mal die Collage der Sponsoren des Bachmann Preises auf der Seite meines Arbeitgebers sehe. Das als rassistisch diskutierte Logo eines ehemaligen Kolonialwarenhändlers ist Ingeborg in den Hinterkopf photogeshoppt worden.

Ich fühle eine Mission in mir aufsteigen, keiner soll das Andenken meiner Heldinnen beschmutzen durch Photoshopcrimes oder tatsächlich Verleumdung.

Ein lebenslanges und posthumes Verleumdungsopfer ist mein Held MJ. Es muss hier klargestellt werden: auch vermeintlich seriöse Seiten schrieben von der Yellow Press „Radar Online“ ab und machen keinen Faktencheck. Letzte Woche war auf vielen Nachrichtenseiten zu lesen, dass neues belastendes Material aufgetaucht sei. Eine Sammlung verschiedenster Materialien, die Pornografie, SM, sowie Folter von Tieren und Kindern zeigen und im Jahr 2005 von der Polizei beschlagnahmt worden sind, der berühmte anonyme Polizeiermittler wird zitiert: "Die vom Santa Barbara County Sheriff's Department gesammelten Dokumente malen ein düsteres und angsteinflößendes Bild von Jackson".

Die Polizeiprotokolle sind online und die Materialien aufgrund derer MJ dieser Verbrechen beschuldigt worden ist sind Kunstbände, welche im Detail ist im oben verlinkten PDF nachzulesen. Es waren unter anderem Larry Clark, Mike Kelley und „Adolescent Extremes“ - eine Ausstellung des belgischen Designers Raf Simmons, ein Grundlagenwerk der Subkultur-Forschung.

Auf das Grab meiner Heldinnen spuckt keiner, ohne massive Gegenattacken von mir zu bekommen. Im Fall des großen sanften Giganten meiner Kindheit würde das niemandem einfallen. Einmal sind ich und der Rest der Welt uns einig, in diesem Fall in Trauer vereint.

Bud Spencer, Lieferant von Lebensweisheiten, großartigen Schlagkombinationen und auch im Privatleben eine Erscheinung, mit der mensch verwandt, befreundet oder zumindest bekannt sein möchte, ist gestorben. Sein Freund Terence Hill hat beim Begräbnis eine Abschiedsrede gehalten, bei der mir das erste Mal die Tränen kamen. Ich liebe Bud Spencer so sehr, bin mir daher jetzt auch nicht zu blöd, die Bild-Zeitung zu verlinken:

Das zweite Mal kamen mir Tränen, als ich gelesen habe, dass Bud Spencers letzte Worte „Danke“ waren. Das dritte Mal, als er sichtlich gezeichnet wenige Tage vor seinem Tod ein Foto von sich lächelnd postet mit der Bildunterschrift „Just Chillin".

Das vierte Mal kommen mir Zornestränen, weil ich jetzt doch selbst das Andenken meines Helden beschmutzen muss, weil ich euch die Information, die ich gerade von Dalia Ahmed bekommen habe, nicht vorenthalten kann: Bud Spencer hat 2005 für Berlusconis Forza Italia kandidiert, hat aber kurz danach sinngemäß in Interviews gesagt, dass ihm Parteien egal sind und er verwirrt war...

Ist akzeptiert.