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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

1. 7. 2016 - 11:52

Die BPW-Stichwahl wird wiederholt

Der VfGH hat der Anfechtung der FPÖ stattgegeben, die Wahl muss bundesweit wiederholt werden. Die Reaktionen reichen von "Sieg der Demokratie" bis hin zu "Warum nicht einfach Revolution?"

FM4 Reality Check

Constitutional court ruling analysis:

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Listen:

"Die Entscheidung, die ich jetzt verkünden werde, macht niemanden zum Verlierer und niemanden zum Gewinner", erklärte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs einleitend und unmissverständlich. "Sie soll allein einem Ziel dienen: Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und damit in unsere Demokratie zu stärken."

Verfassungsrichter

ORF.at / Roland Winkler

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger

"Im Namen der Republik! Der Verfassungsgerichtshof hat über die von Heinz-Christian Strache eingebrachte Anfechtung des zweiten Wahlgangs der Bundespräsidentenwahl [...] zu Recht erkannt: Der Anfechtung wird stattgegeben", so Holzinger.

Unjuristisch ausgedrückt bedeutet das: Die Stichwahl muss in ganz Österreich zur Gänze wiederholt werden.

In 14 von 20 der im Verfahren untersuchten Bezirken kam es demnach zu gravierenden Mängeln bei der Durchführung, insbesondere beim Ablauf der Auszählung der Briefwahl. Aus Sicht der VerfassungsrichterInnen wurden damit Rechtsvorschriften verletzt, die unmittelbar auf die Vermeidung von Wahlmanipulationen gerichtet sind. Allein die Möglichkeit einer Manipulation durch diese Rechtswidrigkeiten in diesem Umfang reicht den VerfassungsrichterInnen zur Aufhebung des Wahlergebnisses.

Keine Manipulationen - Trotzdem Wiederholung

Rund 90 WahlbeisitzerInnen wurden letzte Woche vor den VfGH als ZeugInnen geladen. Ihnen spricht Holzinger eine eminente Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des österreichischen Wahlsystems" zu. Die "Unzukömmlichkeiten" seien nicht in erster Linie diesen Frauen und Männern zuzurechnen. Holzinger will das freiwillige Amt des Wahlbeisitzers attraktivieren und plädiert für bessere Schulungen.

Ein Nachweis, dass es tatsächlich zu Manipulationen gekommen ist, sei laut Holzinger für eine Wahlwiederholung nicht nötig. Ausdrücklich weist der VfGH-Präsident darauf hin, dass auch kein einziger der gehörten Zeugen eine solche Manipulation behauptet hat. Der VfGH hat zudem keine grundsätzlichen Bedenken gegen die derzeitige Gesetzeslage was die Briefwahl betrifft, hebt das Wahlergebnis der Stichwahl allerdings wegen der zu Tage getretenen Mängel bei der Durchführung auf.

Zum ersten Mal muss somit eine Wahl in Österreich bundesweit wiederholt werden. Bundesregierung und Nationalrat müssen nun einen Wahltag für die Wiederholung der Stichwahl festlegen.

Experten: "Urteil schlüssig" und "einzige Möglichkeit"

Im FM4-Reality Check war heute Politikexperte Eric Frey zu Gast. Wie so viele, hatte er zu Beginn der Verhandlung nicht damit gerechnet, dass es tatsächlich zu Neuwahlen kommen wird. "In den letzten 24 Stunden wurde es aber immer klarer, dass es so weit kommen wird, also war man gewissermaßen vorbereitet. Trotzdem ist es ein gewisser Schock", so Frey. Mit dem Urteil habe der Verfassungsgerichtshof zeigen wollen, dass das politische System und die Demokratie funktioniere. Österreich wolle damit zeigen, dass es "sauber" sei, sagt der Politikexperte.

FM4-Connected hat mit Politikexpertin Katrin Stainer-Hämmerle gesprochen. Für sie ist das Urteil des VfGH "schlüssig", auch wenn sie glaubt, dass "der VfGH selbst nicht gewusst hat, in welchem Ausmaß solche 'Schlampereien' gegeben hat."

Neben der kompletten Wahlwiederholung hatte es ja auch das Szenario der Teilwiederholung gegeben. Doch aufgrund der Briefwahlstimmen, die in fremden Wahllokalen abgegeben wurden und nicht zuordenbar waren, sei dieses Szenario für den VfGH nicht denkbar gewesen. "Dadurch ist es eigentlich die einzige Möglichkeit diese Wahl in ganz Österreich zu wiederholen", so die Politikwissenschaftlerin. "Ich glaube auch, dass das bei einem Teil der Bevölkerung zu Unruhe und Unmut führen würde." Die Behörden stünden bereits durch die Aufdeckung der Missstände in keinem guten Licht.

"Die Bewährungsprobe ist nun, dass die Wahlbehörden wirklich korrekt auszählen, sich an die Verfahren halten, Protokolle nicht mehr leichtfertig unterschrieben werden", so Stainer-Hämmerle. Vorstellen könnte Sie sich auch die ein oder andere Änderung des Wahlgesetzes, so dass sich die Behörden nicht mehr unter Druck gesetzt fühlen und korrekt verfahren können.

Der Druck, sagen Wahlbeisitzer, war von oben gekommen – also von der Bundeswahlbehörde im Innenministerium. Schließlich musste man die Ergebnisse rechtzeitig bekanntgeben. Medienhäuser und JournalistInnen stellten sich nach dem Urteil daher schnell die Frage, wie in Zukunft mit Hochrechnungen und Teilergebnissen umgegangen wird. Innenminister Wolfgang Sobotka verkündete noch am frühen Nachmittag die künftige Vorgangsweise, die auf ein langes Warten auf das Ergebnis hindeutet: Weder Teilergebnisse, noch Hochrechnungen sollen nach der nächsten Wahl bekanntgegeben werden. Erst nach Vorliegen sämtlicher Stimmen werden Resultate bekanntgegeben, so der Innenminister.

Die Twitter-Reaktionen

Die Kollegen von Ö1 zitieren Politikwissenschaftler Anton Pelinka:

ORF-Kollegin Susanne Schnabl spielt auf den heutigen Schulschluss an, lässt aber eine Beurteilung aus:

Ingrid Thurnher findet Schnittmengen zwischen Österreich und dem Karibikstaat Haiti:

Falter-Chefredakteur Florian Klenk versucht, Verschwörungstheoretiker zu besänftigen:

Karin Stanger vom ÖH-Vorsitzteam hätte sich schon soo auf das Sommerloch gefreut:

Weil höchstwahrscheinlich auch bei früheren Wahl genau gleich vorgegangen wurde, kritisiert Hannes Tschürtz (Nicht der LH-Stv. im Burgenland) die Entscheidung des VfGH:

In Wien weiß man, dass der Balkan am Rennweg beginnt. Dieser User rechnet nun ganz Österreich dem Balkan zu:

Und am linken Twitter-Rand wünscht man sich statt Neuwahlen eine Revolution: