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Daniel Grabner

Geschichten aus on- und offline, zwischen den Zeilen und hinter den Links

30. 6. 2016 - 18:59

"Ich sehe mich überall als Tourist"

Viel mediale Aufmerksamkeit für Stefanie Sargnagel am ersten Tag des TDDL. Wir haben sie kurz nach der Lesung interviewt.

In blumigem Kleid, einer löchrigen Strumpfhose und der obligatorischen roten Mütze am Kopf ist Stefanie Sargnagel, "Facebook Poetin" und als einzige österreichische Autorin heute bei den TDDL, dem Superbowl der deutschsprachigen Literaturszene erschienen. Der Andrang an die öffentliche Lesung war groß, nicht alle Besucher fanden im Saal Platz. Ruhig, routiniert und mit szenischen Einlagen las Sargnagel ihren Text „Penne vom Kika“, dem eine ausgiebige und größtenteils positive Besprechung der Jury folgte. Außer Meike Feßmann („banal“, „Gequassel“, „Klischees“) äußerten sich vor allem Klaus Kastberger, Sandra Kegelund und Hubert Winkels besonders wohlwollend. Zuletzt waren sich zumindest sechs Siebentel der Jury einig, dass der Text nicht einfach zu interpretieren sei und das wohl eine Qualität für sich bedeute.

Stefanie Sargnagel,

Maria Motter

Wie war der Ausflug in die Hochkultur?

Ich war recht gleichmütig. Davor war ich schon so u-huhu, Bachmannpreis und so. Jetzt denke ich mir, ja, war eigentlich eh ganz normal. Es hat mich jetzt nicht sehr aufgewühlt oder so. Ich glaube eher, jetzt wenn ich Twitter und so anschauen werde, dann werde ich so Wutausbrüche bekommen oder so. Keine Ahnung.

Weil du gesagt hast, gleichmütig. Bei der Jurydiskussion hast du, glaube ich, zwei Mal etwas gesagt. Das ist sehr ungewohnt beim Bachmannpreis, dass sich Autorinnen und Autoren während der Jurydiskussion zu Wort melden. Da hatte ich schon den Eindruck, dass du auch unbedingt was sagen wolltest.

Ja, ich habe halt gedacht, ich darf nichts sagen. Und dann war: Wenn du was sagen willst, dann sag' halt einfach. Dann dachte ich mir, ja, ich will jetzt auch was sagen. Weil es stimmt wirklich, dass ich mir dachte, es ging ja gar nicht so richtig ums Schreiben vom Bachmannpreis. Das war nur eine Stelle. Dass das andere dann auch so interpretiert wurde, dabei ging es da gar nicht darum. Ich hatte halt Lust, auch was zu sagen. Ich dachte mir, wenn man eh darf, dann will ich schon mitreden.

Und du hast eingeworfen: Ich sehe mich ja auch so wie die. Siehst du dich tatsächlich als so jemand, der in diesen Beisln rumhängt und dort Tourist ist oder siehst du dich schon woanders?

Ich muss sagen, ich sehe mich eigentlich überall wo ich hinkomme als Tourist. Ich habe das Gefühl, überall, wo ich bin, identifiziere ich mich ein bisschen, aber auch nicht ganz damit. Ich habe generell immer einen beobachtenden Abstand zu überall, wo ich hingehe. Ich glaube, das ist öfter so bei Leuten, die sich Sachen aufschreiben und überall hingehen und die ein bisschen distanzierter sind. Dann beobachtet man wahrscheinlich auch mehr, wenn man sich so fühlt, als wenn man sich mehr in der Situation fühlt. So ein bisschen derealisiert halt immer. Natürlich fühle ich mich nicht ganz so wie die Leute, aber ich habe schon so einen Hang, mich mit Leuten zu identifizieren, die halt komplett nicht funktionieren im gesellschaftlichen Sinn.

Was ist das für ein Gefühl, von dem Typen gelobt zu werden, der letztes Jahr Ronja von Rönne eingeladen hat?

Dadurch habe ich sein Lob nicht ganz so ernst genommen. Aber es ist okay. Mir ist das wurscht. Ronja von Rönne ist ja auch nicht meine Feindin. Ich kritisiere nur, dass man Fame über so etwas generiert; anderen Leuten auf den Schädel scheißen, sehe ich sehr skeptisch. Gegen ihre Texte habe ich gar nichts. Nur gegen die Haltung. Die biedert sich manchmal bei den falschen Leuten an, meine Meinung.

In dem Text, den wir heute gehört haben, wieviel steckt ganz persönlich von dir drinnen? Was Ansichten und so weiter angeht?

Eh alles, glaube ich. Es ist halt humoristisch überspitzt, immer dieser Größenwahn. Es ist tatsächlich alles so passiert. Deswegen fand ich es lustig, dass sie gesagt hat, das ist so klischeehaft. Ja, die Realität ist halt manchmal klischeehaft. All die Dialoge, die ich verwendet habe, haben tatsächlich genau so stattgefunden. Dass der Typ erzählt hat von seinem Kater, seinem Garfield, und dem Krebs. Die Welt präsentiert sich halt manchmal in Klischees.

Ganz viel ist gesprochen worden über die Penne also über die Nudeln, die nach nichts schmecken und dass das gut sei. Hast du manchmal ein Bedürfnis nach Unaufgeregtheit?

Ja, genau. Das Wort ist nämlich nicht gefallen. Wie die dann angefangen haben, dachte ich mir, das steht eh auch so im Text. Einfach ein ganz normales Leben. Ob ich ein Bedürfnis danach habe? Ich komme aus einer Familie, wo alle wirklich recht bodenständig sind. Es gibt keine Künstler oder Intellektuellen. Ich bin der Freak, ich bin sehr kreativ veranlagt, ich habe mich immer gern ausgeflippt angezogen ist, wie es halt ist mit künstlerisch veranlagten Menschen. Ich wäre auch so gern wie die Normalen. Da arbeite ich mich eh immer daran ab: Eigentlich wäre ich gern ganz so normal, so geordnet... manche haben so eine Verachtung dafür, finden das bieder oder spießig, doch ich finde das Gegenteil davon. Ich denke, das ist urschön. Ich verkläre es auch teilweise so. Vater, Mutter, Kind, Haus, am Sonntag in die Kirche gehen. Ich wäre gern so, wirklich. Würde mich nicht stören.

In Moment steuerst du in die genau gegensätzliche Richtung.

Ja, das ist auch schräg, dass ich plötzlich eine andere gesellschaftliche Position kriege, in der ich mich nie selber gesehen habe. Dass ich z.B. in ein Lokal gehe und was trinke und nichts bezahlen muss.

Kommt das vor?

Ja. Ich trinke wo Kaffee, will bezahlen und dann sagt die Kellnerin, du bist eingeladen. Ich denke mir, was, warum. Ich habe mich in solchen formellen Situationen immer wie der ärgste Sandler gefühlt. Das ist eh typisch Künstler: Erst ist man der Penner und dann ist man der Penner, der die anderen bespaßen soll und immer eingeladen wird. Das ist eh ziemlich klassisch.

Was für einen Anspruch hast du beim Schreiben? Oder anders gefragt: Warum schreibst du?

Bei mir ist es wirklich ein direkter Erzähldrang. Es war nicht so, dass ich als Kind so urgern geschrieben habe. Ich wusste ich kann es, und ich mochte es nicht ungern, wenn ich eine Schularbeit schreiben musste. Aber es war nie so mein präferiertes Ausdrucksmittel. Ich will am liebsten Leute zum Lachen bringen. Ich will humoristisch arbeiten. Und so einen Deix-artigen Wahrheitshumor. Das ist das, was ich gern mache. Ich habe schon immer gern Geschichten, ich habe es aber meistens verbal getan, und ich unterhalte gern damit. So provokativ ist es in meinen Augen nicht. Ich mag wirklich aufrichtig meine Wahrnehmung der Welt repräsentieren.

Was nimmst du mit von hier?

25.000 Euro. Ja, ich weiß es gar nicht, ehrlich gesagt. Es war ziemlich so, wie ich es erwartet habe. Ich fand es nett, gestern die anderen Autoren kennenzulernen. Die waren alle sehr lässig. Ich glaube, ich werde erst Sachen erleben, die ich mitnehmen werde. Meine Textpräsentation war jetzt nicht so – ja.