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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

29. 6. 2016 - 18:15

Warum mich das Remake von System Shock kalt lässt

Ein Entwicklerstudio baut mit viel Mühe ein technisch zeitgemäßes Remake des Spieleklassikers "System Shock" - und übersieht dabei den intellektuellen Kern des Spiels.

Mit Kickstarter-Werbetrommelei kann man mich jagen, vor allem wenn es um angebliche Liebhabereien geht, die dort mit Geld überschüttet werden sollen. Und leider geht es mir auch beim "System Shock"-Remake (man muss diesen Begriff vorsichtig verwenden) der Nightdive Studios so. Eine frühe Vorabversion ist jetzt über Steam zum Download erhältlich, außerdem bittet das Spielestudio über Kickstarter um Geld. Über 372.000 der 900.000 geforderten Dollars sind schon zusammengekommen.

@nightdivestudios.com

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Wie viele andere bin ich ein großer Fan der System-Shock-Spiele von 1994 und 1999 und spiele Teil 1 auch noch hin und wieder. Das Spiel ist störrisch und unzerstörbar, hässlich und unfair und nervig und schwer und trotzdem perfekt in seiner Abgeschlossenheit aller spielerischen und ästhetischen Dinge. So wie es sich spielt, fühlt es sich auch an.

Das mit verbesserter Grafik und Sounds neu aufzuziehen, ist ein sicherlich schwieriges Unterfangen - und von dem, was man bisher in Videos und Screenshots (und jetzt in der Demo) sah, haben sich die Entwickler sehr Mühe gegeben, das Vorbild möglichst detailliert nachzubauen.

Rainer Sigl vor vier Jahren: "'Black Mesa' zeigt uns in seiner Treue zum Original, dass "Half-Life" auch nach 14 Jahren noch ein Ausnahmespiel ist, behält aber auch die Schwächen des großen Klassikers von 1998 bei."

Aber zumindest mir reicht das nicht, es nervt mich sogar: Denn im Gegensatz zu dem fantastischen Half-Life-Remake Black Mesa erscheint mir genau das eine, grundsätzliche nicht von den Entwicklern verstanden und damit das ganze Projekt schon jetzt gescheitert: Die Energie von System Shock 1, viel mehr als seines Nachfolgers, sind die verschwommenen Grenzen zwischen Spieler und Gespieltem (ob das von den Entwicklern so angelegt war, sei mal besser dahin gestellt). Man steuert einen Cyborg, der nach und nach zu Kräften gelangt. Die hakelige Steuerung erscheint als Analogie für den geschundenen Cyborgkörper der Spielfigur, die - wie der Spieler, die Spielerin - nur mühsam zu Kräften und Eleganz gelangt. Das ganze Spiel, das Ringen mit der künstlichen Intelligenz Shodan, die Deutung der zurückgelassenen Sprachnachrichten, die Rekonstruktion einer Katastrophe ist schon selbst eine Spiele-Dekonstruktion. Die Spielperspektive ist die des Cyborgs. Sein Blickfeld wird von elektrischen Entladungen gestört, der Blick ist überlagert mit Elementen einer Blickfeldanzeige: Die Spielwelt ist für den Spieler und die Spielfigur identisch. Und beide werden von Shodan ausgespielt, den ins Spiel manifestierten auktorialen Spiele-EntwicklerInnen.

@polygon.com

Spiel und Ästhetik sind bei System Shock dasselbe: eine bunte, ruckelige, hakelige Welt, in der das einzig fließende der Blick der SpielerInnen/der Spielfigur ist. Dem einfach ein modernes Aussehen zu verpassen, macht eine ganz neue Sache draus.

Jetzt ist es unfair, anhand einer sehr frühen Demoversion davon zu sprechen, ob Nightdive Studios das trotzdem (durch Glück?) irgendwie hinbekommen haben. Aber ich glaube trotzdem einen kleinen Beweis dafür gefunden zu haben, dass sie sowieso keine Chance haben.

@nightdivestudios

Dieser Beweis ist der Service-Roboter, in den man gleich am Anfang rennt: Im Original sieht er auch furchtbar trashig aus, aber das ist in der eh schon abstrakten SS1-Welt kein Problem: sein symbolischer Wert bezieht sich auf die Erzählung und das Spiel und nicht auf einen realweltlichen Roboter. Im Remake ist der Trash-Roboter eine Roboter-Persiflage (so wie in der Fallout-Reihe), im Original ist er ein Stellvertreter für die abstrakte Macht Shodan.

In der hochauflösenden Übersetzung wird sein symbolischer Wert verändert - und das haben die EntwicklerInnen nicht verstanden. Aber weil sie ein Remake machen wollen und das in der technozentrischen Computerspielbranche und -kundschaft auf eine Verbesserung der Grafik reduziert werden kann, können sie keine Übertragung machen. Die EntwicklerInnen verraten sich da schon selbst, wenn sie andeuten, dass sie nicht das Spiel remaken, das System Shock war, sondern das, an das man sich erinnert. Für mich ein Zeichen dafür, dass sie ihr Ding nicht ganz verstanden haben, beziehungsweise dessen intellektuellen Kern nicht begreifen beziehungsweise sich die Arbeit leicht gemacht haben.

System Shock Portable ist genau genommen ein Patch für eine bestehende Installation einer legalen Kopie von System Shock. Das Original gibt es gerade für 2,50 Euro bei Steam und für 9 Euro bei GoG.

@gog.com

Aber ich will gar nicht zu abwertend klingen: Vielleicht ist das Remake ein tolles Spiel, selbst wenn es kein System Shock ist. Und das ist ja gar nicht schlimm: Denn es gibt mit System Shock Portable eine für aktuelle Hardware fit gemachte Version von System Shock 1. Und diese Version ist alles, was man braucht: Das beste Spiel der Welt.