Erstellt am: 29. 6. 2016 - 12:48 Uhr
Balconing
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.
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An der bulgarischen Schwarzmeerküste gibt es viele britische Touristen. Es ist kein Geheimnis, dass sie nicht wegen der Sonne, des reinen Meerwassers, der guten Hotels oder des guten Service dorthin fahren. Sie fahren nach Bulgarien, weil dort der Alkohol billig ist. Für viele Bulgaren sind die Preise an Orten wie "Sunny Beach" unglaublich hoch. Doch die Briten sind dort im Alkoholparadies. Besonders in "All Inclusive"-Hotels, wo Alkohol im Preis inkludiert ist.
CC BY-SA 2.0, Axel Schwenke on Flickr
Die britischen Touristen kommen in Charterflügen an und springen ins Meer (nicht ins Schwarze Meer, sondern ins Alkoholmeer) und kommen erst heraus, wenn man sie wieder zu ihren Charterflügen zurück bringt. Ich habe mal britische Touristen beobachtet, die um zirka 10-11 Uhr versuchen, aus ihren Hotelzimmern hinauszukriechen, um sich am Pool hinzulegen. Um diese Zeit riecht es um die Pools herum besonders stark nach Mastika (Mastika ist die bulgarische Version des griechischen Ouzos). Der Geruch kommt meistens davon, dass die Touristen ihre Münder mit Mastika füllen und wie Mastikabrunnen auf ihre Freunde spucken. Das ist natürlich unglaublich lustig für alle.
Am lustigsten wird es aber am Abend. Bevor man in irgendeinem Club versinkt, kommt es zum sogenannten "Balconing". Das ist eine Art Sport, eine Wette oder schlicht einfach eine totale Idiotie. Nachdem die Bademeister nicht mehr im Dienst sind, fangen betrunkene Menschen an, in den Pool zu springen. Zuerst vom Poolrand, dann von immer weiter weg, bis sie am Ende von ihrem Hotelzimmerbalkon springen. Wie man es erwarten könnte, finden sich immer ein paar, die daneben springen. Die Polizei versucht das "Balconing" in Sunny Beach aufzuhalten, aber die Hotelbesitzer versuchen diese Fälle zu vertuschen. Man will das Image des Alkoholparadieses nicht gefährden.
Man erinnert sich immer noch an einen britischen Touristen, der einen Stapler gestohlen hatte und einige Autos durch die Gegend warf. Danach stürmte der besoffene Brite, der, wie sich herausstelte, ein MMA-Kämpfer war, eine Tankstelle und die ganze lokale Polizei musste ihn mit Gummigeschossen aufhalten, während er sie mit einer Eisenstange angriff. Der Typ wurde danach von der Justiz wegen Betrunkenheit und Drogenkonsums als unzurechnungsfähig eingestuft und freigelassen. Er flog wieder heil und munter zurück. Ganz bestimmt hat er letzte Woche für den Brexit gestimmt.
Ich glaube, dass das Verhalten vieler bei diesem Referendum dem Verhalten der Touristen ähnelt, die vom Balkon springen und dann verwunder sind, dass sie nicht im Pool gelandet sind. Jetzt kommt die Frage: wird Europa genau so wie die bulgarische Justiz handeln und den Betrunkenen für unzurechnungsfähig erklären?