Erstellt am: 28. 6. 2016 - 16:37 Uhr
BitTorrent, der Honeybadger des Internet
Das Oberlandesgericht Wien hat eine in Österreich seit ca. einem Jahr geltende "Sperre" von The Pirate Bay, Isohunt, 1337 und anderer Suchmaschinen aufgehoben. Erwirkt hatte die Sperre IFPI, der Interessensverband der Musikindustrie. Auch nach der Aufhebung der einstweiligen Verfügung wird der Rechtsstreit weitergeführt. Aber: Auch während sie galt, konnte das User nicht wirklich daran hindern, BitTorrent und dessen Erweiterung namens Magnet zu benützen. Warum sind Torrents eigentlich nicht totzukriegen?
Filesharing-Protokoll
Fangen wir damit an, was es nicht ist: BitTorrent ist keine Plattform. BitTorrent ist keine Suchmaschine. BitTorrent ist keine Firma. BitTorrent ist ein Protokoll, das seit über 10 Jahren den Download von Milliarden Dateien ermöglicht. So wie TCP/IP die grundlegenden Protokolle des Internet sind, HTTP das Protokoll für das World Wide Web und POP/SMTP zwei Protokolle für E-Mail, so ist BitTorrent eben ein Protokoll für das Filesharing.
Erfunden von Bram Cohen, löst es ein fundamentales Problem des Internet: Wenn eine Datei - beispielsweise ein Video - sehr groß ist, in sehr hoher Qualität vorliegt und vor allem sehr populär ist, dann ist es sehr teuer, diese Datei über herkömmliche Download-Server zu vertreiben. Und im Gegensatz zur Ausstahlung über eine Antenne kommt auch ein Stream übers Internet – etwa der Radiostream von FM4 – den Sender umso teurer, je mehr Menschen ihn nutzen. Die Idee hinter BitTorrent ist also, eine Datei, die sehr viele Menschen haben wollen, so zu verteilen, dass deren User einander kleine Teile gegenseitig senden.
Die anderen User, mit denen man eine Datei teilt, also die „Peers“, sind - in der Sprache von Informatikern gesagt - sogenannte „low quality resources“: ihre Übertragungskapazität ist unbekannt, man weiß nicht, wie lange sie online sein werden, sie sind unkoordiniert. „Es ist unter diesen Umständen nicht unbedingt schwierig, ein funktionierendes Protokoll zu erstellen“, sagt Bram Cohen, „doch es ist schwierig, ein Protokoll zu erstellen, das verlässlich funktioniert.“
CC BY-SA 4.0
Bram Cohen schrieb also das verlässlichste Peer-to-Peer-Protokoll seiner Zeit. Suchmaschinen wie PirateBay, Kickass-Torrents, Isohunt, 1337 und viele andere nutzen es seither, und es wird auch ständig weiterentwickelt. Cohen ist generell ein Verfechter des P2P-Prinzips – er hilft auch bei der Weiterentwicklung von Bitcoin mit, wo statt Dateien Wert direkt zwischen Usern übertragen wird - dezentral, ohne Mittelsmänner und Banken. Wie bei BitTorrent gibt es auch bei Bitcoin keinen zentralen Server und somit keinen „single point of failure“. Die Filesharing-Plattform Napster konnte durch Klagen zu Fall gebracht werden, BitTorrent nicht. PayPal und Visa konnten von US-Behörden zur Spendenblockade gegenüber Wikileaks gezwungen, Bitcoin nicht.
Alles wird dezentralisiert
Immer wieder betont der Programmierer das revolutionäre Potenzial von Peer-to-Peer-Technologien und dezentralisierten Netzwerken. Bram Cohen will die Welt verändern und hat das mit dem Filesharing-Protokoll BitTorrent bereits getan: Es wird nicht nur von Piraten genutzt, sondern etwa auch von Videospiele-Entwickler Blizzard, dem Fernsehsender CBC, von Amazon, vom Musiklabel Sub Pop Records, von Universitäten – überall dort, wo es sinnvoll ist, dass Downloads bei einer großen Zahl von Nutzern nicht langsamer, sondern sogar schneller werden.
Den eingangs geschriebenen Satz „BitTorrent ist keine Firma“ muss ich deshalb auch relativieren: Unter dem Namen „BitTorrent Inc“ hat Bram Cohen nämlich eine Firma gegründet, die sich nicht nur um die Weiterentwicklung des Protokolls kümmert, sondern auch den Vertrieb von Musik, Filmen und Software für ihre Kunden übernimmt. Auch bei dieser Zusammenarbeit mit Rechteinhabern steht für Cohen immer die Problemstellung im Mittelpunkt: „Wie können wir die Upload-Kapazität der User optimal nützen?“
Uploads sind freilich nicht immer legal: Wenn man in Österreich etwas hochlädt, wofür einem der Urheber nicht die Rechte eingeräumt hat, dann macht man sich strafbar. BitTorrent-Clients sind aber üblicherweise so konfiguriert, dass gleichzeitig Down- und Uploads stattfinden - ansonsten würde das Peer-to-Peer-Protokoll ja nicht funktionieren.
Totzukriegen ist das Protokoll BitTorrent (und seine Erweiterung Magnet) bisher jedenfalls nicht. Klagen, einstweilige Verfügungen und Netzsperren gegen einzelne Websites wie The Pirate Bay sind nutzlos – man findet Torrent- und Magnet-Links schließlich auch mit Google.