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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

28. 6. 2016 - 11:15

Ungleiche Duos auf Killerjagd

Wenn Thrillerkino mit Politik aufgeladen wird: Notizen zu "Bastille Day" und "Marshland".

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Es wirkt wie außerordentlich geschmackloses Timing, wenn ein halbes Jahr nach der Tragödie von Paris schon ein Actionspektakel in die Kinos kommt, in dem die französische Metropole von Terroranschlägen erschüttert wird. Diesbezüglich muss man die Macher von „Bastille Day“ aber in Schutz nehmen. Der Film wurde tatsächlich schon eine ganze Weile vor dem rabenschwarzen 13. November abgedreht und korreliert nur zufällig mit der schockierenden Realität.

Vorwürfe anderer Art bleiben der britisch-französischen Coproduktion aber wohl nicht erspart. Warum muss zum Beispiel ein europäischer Film mit maximal mittelmäßigem Budget versuchen, in der kommerziellsten Hollywood-Liga mitzuspielen, inklusive Buddy-Movie-Klischees, schlechten CIA-Onelinern und bemühten Action-Sequenzen? Warum setzt ein grundsätzlich keineswegs uninteressanter Regisseur wie der Londoner Genre-Spezialist James Watkins („Eden Lake“, „The Woman in Black“) nicht auf einen beklemmenden, verstörenden Thriller zu dem Thema, anstatt einen armseligen inoffiziellen Beitrag zur „Jason Bourne“ Reihe zu inszenieren?

Bastille Day

Constantin

"Bastille Day"

Kinofilm in TV-Ästhetik

„Bastille Day“ schickt die TV-Stars Idris Elba (der neben den Serien „Luther” und „The Wire” auf der großen Leinwand eher in Nebenrollen begeisterte) und Richard Madden (bislang nur als Robb Stark aus „Game of Thrones“ ein Begriff) in ein Rennen um die Zeit. Ersterer spielt einen hitzigen CIA-Agenten auf der Spur eines Bombenanschlags in einem Pariser Ausgehviertel, zweiterer einen gefinkelten Taschendieb, der durch einen Zufall zum Hauptverdächtigen der Tat wird.

Es dauert nicht allzulange bis die beiden Hauptfiguren zu einem Duo wider Willen zusammengeschweißt sind und der anfänglich solide Thriller immer wieder in Richtung einer Buddy-Action-Comedy kippt. Fühlt sich dieser witzelnde Tonfall im Zusammenhang mit dem Terror-Thema und dem Schauplatz Paris schon wirklich nervig an, katapultiert sich der Film mit einigen cheesy Handlungswendungen komplett ins Out.

Bastille Day

Constantin

"Bastille Day"

Spätestens wenn die lächerlichen Bösewichte enthüllt sind, die hinter dem blutigen Attentat stehen, wirken die zahlreichen Anspielungen auf brisante sozialpolitische Themen, Hackerrebellen, Regierungsverschwörungen und den Überwachungstaat peinlich aufgesetzt. Dass die Actionsequenzen und die grundsätzliche Ästhetik an einen TV-Film erinnern, macht „Bastille Day“ endgültig fragwürdig. In der Videotheken-Ära wäre James Watkins‘ Streifen wohl noch ein kleines guilty pleasure für einen verregneten Sonntagnachmittag geworden, warum man für so eine Fließbandproduktion ins Kino gehen soll, lässt sich aber nicht beantworten.

Flirrende Hitze und diabolische Morde

Auch der spanische Streifen „La isla mínima “, der unter dem internationalen Verleihtitel „Marshland“ jetzt auch bei uns einen kleinen Kinostart hat, verknüpft Suspense-Thrills mit einem politischen Background und stellt ein ungleiches Ermittlerduo ins Zentrum seiner Geschichte. Hier hören aber auch schon potentielle Vergleiche mit „Bastille Day“ auf. Denn der bereits 2014 veröffentlichte Film bedient sich eben nicht bei den gängigen reißerischen Hollywood-Stilmitteln.

Regisseur Alberto Rodriguez setzt Actionmomente nur höchst punktuell ein, vertraut auf ausgedehnte Dialogpassagen und ein bewusst bedächtigtes Tempo, das zu der flirrenden Hitze passt, die die Figuren lähmt und die der Film fast körperlich spürbar vermittelt. Wir folgen im gespaltenen Spanien der achtziger Jahre, kurz nach dem Zusammenbruch der Franco-Diktatur, zwei Polizisten durch einen grausigen Provinz-Sommer.

Marshland

Polyfilm

"Marshland"

Der schnauzbärtige Großstadtbulle Pedro (Raúl Arévalo) versucht, seine linksengagierte Vergangenheit, die ihm eine Versetzung aufs Land einbrachte, so gut wie möglich zu verbergen, wird durch seinen neuen Partner aber an seine Grenzen geführt. Denn Juan (Javier Gutiérrez), ein trinkender Frauenheld wie aus dem Machismo-Bilderbuch, entpuppt sich als früherer Handlanger des verhassten Regimes. Als ein diabolischer Frauenmörder in einem Kaff im tiefen Süden sein Unwesen treibt, spannt das Schicksal die konträren Männer in einem stickigen Polizeiwagen zusammen.

Im Sumpf des Bösen

Wer sich bei zwei gegensätzlichen Cops, die in einer schwülen, sumpfigen Gegend der Spur eines diabolischen Killers folgen, an die erste Staffel der US-Ausnahmeserie „True Detective“ erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Keine Kritik zu „Marshland“ kommt ohne diesen Vergleich aus, der durch die saturierten Farben und die hypnotische Atmosphäre noch verstärkt wird. Aber Alberto Rodriguez, der auch als Co-Autor des Drehbuchs fungiert, drehte seine iberische Gänsehaut-Story zeitgleich mit der HBO-Serie und „La isla mínima“ entwickelt letztlich einen ganz eigenen Flair.

Marshland

Polyfilm

"Marshland"

Der idealistische Pedro ist irgendwann mit unterschiedlichen Kategorien des Bösen konfrontiert, von der eisigen Unmenschlichkeit des Mörders über provinzielle Korruption bis hin zu den Nachwehen des Faschismus, die noch deutlich zu spüren sind. Die Politik ist in „Marshland“ kein Versatzstück, um die Handlung auszuschmücken, sondern durchdringt die Erzählung bis zum bitteren, schmerzhaft ambivalenten Ende. Ein Geheimtipp, den ich hiermit dringlich empfehlen darf.