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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

28. 6. 2016 - 14:28

Das Wiesel will nicht weichen

Jan Snela tritt zum Wettlesen um den Bachmannpreis an. Mit "Milchgesicht. Ein Bestiarium der Liebe" legt der Münchner einen kunstvollen Erzählband vor.

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Entzückend ist das Cover mit dieser jungen Frau mit ihrem Bauerngesicht und ihren rosigen Wangen und wie sie ein Einhorn umarmt. Ein richtiges Einhorn, keine steinerne Skulptur. Ein Stück Kunstgeschichte vermittelt Jan Snela somit vorab auf seinem Prosadebüt: Das Fresko im Palazzo Farnese in Rom stammt vom italienischen Maler Domenichino aus dem Jahre 1602. "Milchgesicht. Ein Bestiarium der Liebe" heißt Jan Snelas erster Band mit zehn Erzählungen. Die Geschichten beginnen in unserer Gegenwart, und doch kippen sie plötzlich in fantastische Gedankenwelten und surreale Sequenzen.

Das Buchcover zu "Milchgesicht. Bestiarium der Liebe" zeigt das Gemälde einer jungen Frau, die ein Einhorn umarmt

Klett-Cotta

Jan Snelas Erzählband ist bei Klett-Cotta erschienen. Hier gibt´s eine Leseprobe im PDF-Format.

Denn Jan Snela liebt es, wenn ein "Tanz der Sprache" möglich ist und die Sprache nicht als ein einziges Vehikel der Narration dient. Poetisch sehr aufgeladen sind seine Geschichten. Die Sprache oft rhythmisiert. Oh ja, man muss sich daran gewöhnen, dass der Münchner Wörter verwendet, die niemals im aktiven Wortschatz angekommen sind. "Hikkikomorisch" etwa oder "nichtsdestominder". Aber auch "sanguinisch singend" und "bukolisch balgen". Alles ist kunstvoll angerichtet und an Verweisen mangelt es nicht. Marylin Monroe und Derrida gehen sich bei Snela in einem Satz aus.

Das Unbewusste läuft mit

Was hat es mit seinem "Milchgesicht. Bestiarium der Liebe" auf sich? Ein Bestiarium, das ist eigentlich ein mittelalterliches allegorisches Tierbuch, in dem legendäre fantastische Vorstellungen von Tieren heilsgeschichtlich und moralisch gedeutet werden. Mäuse, Milben, Tom & Jerry und Hello Kitty, Tiere tauchen auf, aber vor allem ein Wiesel tut sich in der längsten Geschichte hervor. Nach einer Partynacht erwacht ein nicht mehr ganz so junger Mann in einem Park, als ein Wiesel ihn anblickt und nicht mehr von seiner Seite weicht:

"Henri zischt: »Kusch! Verzieh dich! Du Hermelinhomunkel!« Aber das Wiesel bleibt. Es kommt, mit Schrittchen der beiden Hinterläufe, gar auf ihn zugetrippelt. Mit seinen Raubtierzähnen, die scharf, gefletscht sind, scheint es zu grinsen. Und wie die Augen funkeln. Blitzklug und schalkdurchschillert. Es ziept und zirpt."

Das Wiesel folgt Henri nachhause, zieht dort ein, wo Henri mit seiner Freundin lebt, und bekommt fortan alle Aufmerksamkeit.

Jan Snela trägt ein T-Shirt und steht im Freien

privat

Jan Snela tritt in Klagenfurt an

Bachmannpreis

Zita Bereuter moderiert für 3sat live aus und in Klagenfurt und Daniel Grabner berichtet auf fm4.orf.at von den #tddl16. Top FM4 reist am Freitag an und hat den Twitteraturwettbewerb ausgerufen.

Es gibt französische Romane, in die AutorInnen das Unbewusste in ihre Texte hineingeschrieben haben. Mit Jan Snelas Geschichten, die sich um Wünsche und Liebesunglücke drehen, könnten GermanistInnen große Freude haben und sich länger beschäftigen.

In den kommenden Tagen wird Jan Snelas Poetik ergründet werden: Morgen beginnen die 40. Tage der deutschsprachigen Literatur. Jan Snela liest - auf Einladung der Jurorin Meike Feßmann - einen bis dahin unveröffentlichten Text. So wollen es die Spielregeln. Klagenfurt, ahoi!