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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

29. 6. 2016 - 11:57

Das Ende der Welt mit Phlegma

"Der Krieg im Garten des Königs der Toten" von Sascha Macht.

Man kann sich, wenn man möchte, das Ende der Welt als ein unspektakuläres Ereignis vorstellen. Bumm, die Welt geht zgrund. Im Horrorfilm und in der dystopischen Literatur kann es nicht so einfach sein, sonst gäbe es keine Handlung. Da arbeitet man sich ab an der Selbstzerstörungskraft der Menschheit, der Hinterhältigkeit der Natur, an einer Unordnung, die alles in den Abgrund zieht.
Unter der Feder des jungen deutschen Autors Sascha Macht (der beim Bachmannpreis in Klagenfurt wettlesen wird) schlittert eine Insel in den Verderb. Unfreiwillig und widerwillig mit dabei ist Bruno, die Zentralfigur des Romans.

Cover des Buches

Dumont Verlag

Bruno liebt Horrorfilme. Er schaut wochenlang. Währenddessen übernimmt eine Militärregierung die Insel, auf der er wohnt, eine Provinz in den Bergen ruft die Autonomie aus (Bergkarabach lässt grüßen), wenige haben immer mehr, der Großteil der Bevölkerung nichts. "Der Krieg im Garten des Königs der Toten" hat zwei Hauptmotive: die verzweifelte Heimat-Hassliebe einer Bevölkerung im Freiheitskampf und einen 17-Jährigen, dessen Eltern auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Bruno findet sich allein im Chaos und zieht sich in die Horrorfilmwelt zurück. Trotz dieser versprechenden Ausgangslage ist "Der Krieg im Garten des Königs der Toten", man muss es leider sagen, eine öde Lektüre.

Videokasetten von Horrorfilmen - das ist das einzige, was von den Hilfslieferungen, die auf die Insel kommen, bis in Brunos Dorf gelangt. Ein Dorf, das sich wie die britische Eighties-Band Kajagoogoo (die mit Too shy-shy hush-hush) nennt. Bald schon möchte Bruno sein Wissen mit Gleichgesinnten teilen, den "Menschen das bisschen Hoffnung nahe bringen, das tief in der Kunstform des Horrorfilms verborgen ist" und plant eine Reise zum Filmfestival in der Hauptstadt (durch die - ACHTUNG BEDEUTUNG! - der Fluss "Schweigen" fließt).

Wobei, mit Plan geht bei Bruno gar nichts. Es hält ihn auch vieles ab: Lakritzlikör, ein todkranker Preuße, der sich für diesen gottverlassenen Flecken Erde interessiert (man merkt Anspielungen auf draufgängerische Abenteuer-Reisende) und ein Mann, der sich "El Corazón" nennt und sich als Brunos Bruder ausgibt (wie es sich für den Träger eines solchen Spitznamens gehört, ein äußerst sinistrer Kerl).
Bruno widerfährt Seltsames, Bedrohliches, er hat Albträume. Was ihn nicht irritiert, Bruno ist ein phlegmatischer Kerl. Einer, der tagelang an die Decke schaut, einer, der selbst wenn er in einen flotten Dreier verstrickt wird, noch immer nicht so etwas wie Spirit hochkriegt. Ungünstigerweise ist das Buch aus seiner Perspektive erzählt.

Die Szenen wirken aufgezählt, so als müsste der Autor seine schreiberische Tollkühnheit unter Beweis stellen. Bemühte Einfälle wechseln sich mit Metaphern-Monstern ab. Da gibt es einen Regen aus "Blut oder Tränen oder Scheiße oder Olivenöl", da gibt es ein graues Schloss, "das den knöchrigen Verehrern klassizistischer Herrschaftsdiktatur milchige Tränen in die Augen" treibt. "Der Krieg im Garten des Königs der Toten" könnte einen verstörend-inspirierenden Blick in den Abgrund werfen, könnte eine Allegorie sein auf Freiheitskämpfe vom Baskenland bis Irland, von Westsahara bis Tschetschenien und ihre unschuldigen Opfer, doch das Phlegma des Helden Bruno überdünstet alles.