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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 6. 2016 - 12:46

The daily Blumenau. EM-Journal '16-54, 25-06-16.

Die Achtelfinals starten mit dem einzig verbliebenen Papierform-Duell: kühl-distanzierte Polen retten sich gegen unsicher-herantastende Schweiz über die Ziellinie. AF1

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16, da ist die Klick-Übersicht.

Das war das Aus von Österreich in Runde 3. Das war der Rasierklingen-Tanz von Österreich gegen Portugal, so sieht es in der Nachlese aus. Das war Österreich vs Ungarn und das ist die Analyse dazu.

Das war Runde 3 in der Frankreich-Gruppe A, das in der England/Wales-Gruppe B, das in der Deutschland-Gruppe C in der Spanien-Gruppe D und der Belgien/Italien-Gruppe E.

Das war die zweite Runde mit Rumänien vs. Schweiz sowie Frankreich - Albanien weiters Russland gg. Slowakei und England - Wales sowie Ukraine - Nordirland und Deutschland vs. Polen. Dann war Schweden gegen Italien sowie Tschechien gegen Kroatien und Spanien vs. Türkei

Weitere Erstrunden-Spiele: Frankreich vs. Rumänien sowie Albanien - Schweiz und aus der der Gruppe B Wales vs. Slowakei und England - Russland. So gingen Polen gegen Nordirland und Deutschland - Ukraine. Und das war Türkei - Kroatien und Spanien - Tschechien.
Und dann noch Irland vs. Schweden und -Belgien - Italien plus dann noch Portugal - Island.

Offizielles gibt's auf uefa.com und das ist die Info-Site von sport.orf.at.

Schweiz (Vladimir Petković): 1 Yann Sommer (Borussia Mönchen-gladbach/D), 21 Roman Bürki (Borussia Dortmund/ DEU), 12 Marwin Hitz (Augsburg/D); Kapitän 2 Stephan Lichtsteiner (Juventus/ITA), 6 Michael Lang (FC Basel), 20 Johan Djourou (Hamburger SV/D), 22 Fabian Schär (Hoffenheim/D), 5 Steve Von Bergen (BSC Young Boys), 4 Nico Elvedi (Borussia Mönchen-gladbach/D), 13 Ricardo Rodríguez (Wolfsburg/D), 3 François Moubandje (Toulouse/ FRA); 11 Valon Behrami (Watford/ENG), 15 Blerim Džemaili (FC Genoa/ITA), 16 Gelson Fernandes (Rennes/FRA), 8 Fabian Frei (Mainz/D), 10 Granit Xhaka (Borussia Mönchen-gladbach/D), 14 Denis Zakaria (BSC Young Boys); 23 Xherdan Shaqiri (Stoke City/ENG), 19 Eren Derdiyok (Kasımpaşa/ TUR), 7 Breel Embolo (FC Basel), 18 Admir Mehmedi (Bayer Leverkusen/D), 9 Haris Seferović (Eintracht Frankfurt/D), 17 Shani Tarashaj (Grasshopper Zürich/Everton/ENG).

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Polen (Adam Nawałka): 22 Łukasz Fabiański (Swansea/ENG), 1 Wojciech Szczęsny (Roma/ITA), 12 Artur Boruc (Bournemouth/ ENG); 20 Łukasz Piszczek (Borussia Dortmund/DEU), 4 Thiago Cionek (Palermo/ITA), 15 Kamil Glik (Torino/ITA), 2 Michał Pazdan, 3 Artur Jędrzejczyk (Legia Warszawa), 18 Bartosz Salamon (Cagliari/ITA), 14 Jakub Wawrzyniak (Lechia Gdańsk); 16 Jakub 'Kuba' Błaszczykowski (Fiorentina/ITA), 11 Kamil Grosicki (Rennes/FRA), 6 Tomasz Jodłowiec (Legia Warszawa), 21 Bartosz Kapustka (Cracovia), 10 Grzegorz Krychowiak (Sevilla/SPA), 8 Karol Linetty (Lech Poznań), 5 Krzysztof Mączyński (Wisła Kraków), 17 Sławomir Peszko (Lechia Gdańsk), 23 Filip Starzyński (Zagłębie Lubin), 19 Piotr Zieliński (Empoli/ITA), 7 Arkadiusz Milik (Ajax Amsterdam/NED), 9 Robert Lewandowski (Bayern München/D), 13 Mariusz Stępiński (Ruch Chorzów).

#SUIPOL #emjournal16 #fußballjournal16

Letztlich ist das okay: Die Mannschaft, die mehr bei sich ist, mehr in sich ruht, dem Turnier deutlich besser entspricht, hat die Mannschaft, die immer nur minutenweise wusste, weshalb sie auf dem Platz steht, mit dem knappsten aller Resultate besiegt.
Vermisst hätte ich beide nicht.

Mit der Schweiz scheidet aber das schwächste Vorrundenteam, das es ins Achtelfinale geschafft hat, aus. Und auch das ist okay. Auch wenn sie sich in Halbzeit 2 so weit steigern konnten, dass zumindest der Abgang aus dem Turnier irgendwie statthaft war.

Es ist allerdings kein Zufall, dass es Granit Xhaka war, dem beim Elferschießen die Nerven versagten: der stand nämlich (Pass-Werte hin, Man of the Match-Auszeichnungen her) das ganze Turnier über nur als Schatten seiner selbst auf dem Rasen.

Und dann also gleich das erste Elferschießen...

... in der Schweizer Fankurve. Im Tor Sommer bzw. Fabianski. Und die Schweizer starten auch...
Lichtsteiner: halbhoch mittig 1:0.
Lewandowski: hoch ins rechte Kreuzeck 1:1.
Xhaka: haut ihn vorbei, links, ziemlich sogar.
Milik: rechts, Sommer noch dran, trotzdem drin, 1:2.
Shaqiri: täuscht an, schiebt rechts rein, 2:2.
Glik: satt links sicher 2:3.
Schär: sicher, täuscht, rechts 3:3.
Kuba: sicher, auch getäuscht, auch rechts 3:4.
Rodriguez: täuscht, links, sicher 4:4.
Krychowiak: hoch sicher links 4:5.

Polen steht im Viertelfinale.

Es gibt also die erste Verlängerung...

... und sie ist eigentlich überflüssig - Polen hatte den Gegner gut im Griff, verlor sich dann aber in einem allzu knapp kalkulierten, wieder einmal distanzierten Matchplan. Ist Polen einfach einen Schritt zu weit zurückgegangen in Halbzeit 2, in der das Team seit Minute 54 nicht mehr stattgefunden hat?
Hat die Schweiz genau diese Hilfe gebraucht, um ihren Knoten zu lösen? Auch wenn es ein Kunstschuss war, und keine herausgespielte Aktion.

Ich will ja jetzt keine Stehsätze bemühen, aber in der Verlängerung wird sich wohl keine der Mannschaften zu weit aus dem Fenster hängen - es dürfte also wenig passieren (nur zwei Wechsel, 6 Jodłowiec und 17 Pezsko für Maszynski und Grosicki).

Dass die Schweiz die zweite Halbzeit der Overtime zu einer Drangphase nutzt, gereicht ihr zur Ehre. Denn vor allem die Polen schießen gedanklich schon ihre Elfer; und ich muss nicht betonen, dass ich das nicht mag, diesen Betrug an der Zeit. Derdiyok hat einen Matchball per Kopf (113.) und dann noch einen Murkser (117.) - das Momentum ist jetzt klar auf ihrer Seite, wiewohl die letzte der dann eher nur zufälligen Chancen dann wieder Piszczek gehört.

Halbzeit 2: nachsetzende Schweizer gegen minimalistische Polen

Die Schweizer (heute in Rot) gehen deutlich aktiver in die zweite Halbzeit. Ihre Chance liegt in der überökonomischen polnischen Spielanlage, die nicht einen Deut mehr unternimmt, als nötig ist: Bei einer Temposteigerung ist das auszuhebeln. Shaqiri müht sich nach Kräften.

Das wiederum bringt Polen zusätzliche Konterszenen; und auch den vielen Viertelchancen in Halbzeit 1 werden schön langsam echte Halbchancen.

In Minute 58, nach einer hektischen Phase mit Fouls und gelben Karten ersetzt Petkovic Mittelfeldspieler Dzemaili durch 7 Embolo - das riecht nach einem 4-4-2. Offensiv kippt es sogar in ein 4-2-4. Das ändert sich auch nach der Einwechslung von 19 Derdiyok (70.) nicht: Embolo geht auf die linke Außenbahn des ausgetauschten Mehmedi, Derdiyok neben Seferovic ins Zentrum. Mehr hat Petkovic offensiv nicht mit. Und mehr als ein guter Freistoß von Rodriguez schaut nicht dabei raus. Letzter Schweizer Tausch (77.) 16 Gelson Fernandes ersetzt 11 Behrami; in Position.

Wirklich die Latte trifft Seferovic 12 Minuten vor dem Ende. Auch, weil die Schweizer jetzt vermehrt Druck machen und alles riskieren; und weil Polen sich weiter nur aufs Nötigste zurückzieht. Und auch um den Ausgleich bettelt, die Schweiz noch immer auf dem Level von Halbzeit 1 empfängt.

Und bekommt den Ausgleich (82.) durch eine Bicicletta von Shaquiri.

Alles verläuft nach dem logischen Matchplan

Die Schweiz beginnt, wie sie ist: unsicher, Passfehler und Ballverluste, von Shaqiri bis Lichtsteiner. Nach vorne hin wird man zunehmend planloser.
Polen beginnt, wie es ist: unterkühlt, scheinbar desinteressiert, aber dann schnell zustoßend. Die Offensivaktionen sind deutlich raumgreifender und selbstsicherer inszeniert.

Im Verlauf der 1. Halbzeit kommen die Schweizer ein wenig besser zu ihrem Flügelspiel, auch weil Džemaili immer wieder mitausweicht. Um so etwas wie Spielüberlegenheit oder gar Sicherheit zu bekommen, ist aber vor allem das Spiel der offensiven Außenspieler, also Shaqiri und Mehmedi, deutlich zu fehleranfällig.

Polen verfällt angesichts dieser Schwächen in erhöhte Passivität/Reaktivität, hält das Remis und wartet auf die eine schnelle Chance. Das ist Fußball, der sich von seinem eigentlichen Sinn (der Gestaltung) distanziert, ein Spiel, das sich immer nur knapp über dem Allernötigsten bewegt. Das ist ökonomischer, also kalter Fußball.

Der Schweizer Respekt vor Polen lässt sich darin ablesen, dass Behrami heute deutlicher als sonst zwischen die Innenverteidiger abkippt und so absichert, und dass sich Xhaka kaum von seinem Arbeitsplatz im Zentrum nach vor mit in die Offensive begibt. Die Arbeitsteilung der drei im Zentrum war selten so klar 6-8-10.

Die polnische Führung (39., durch Kuba) fällt dann in einem kühl kalkulierten Konter, nach einer kurzen, aber unsicher vorgetragenen Offensiv-Aktion der Schweiz. Alles wie in der Preview, alles wie am Reißbrett des logischen Matchplans in diesem Spiel. Weswegen auch keine weiteren Halbzeit-Worte notwendig sind.

Das sind die relevanten Anmerkungen vor dem Spiel:

Es gibt zwei direkte Achtelfinal-Duelle von Gruppenzweiten - das andere wird das letzte zwischen England und Island sein. Und Schweiz vs Polen ist das einzige Spiel der ersten K.O.-Runde, das sich an die Papierform gehalten hat. Das ist aber nicht der Grund dafür, dass es im Vorfeld als das potentiell langweiligste gehandelt wurde. Dafür haben die beiden Mannschaften selber gesorgt, mit ausgesucht distanzierten Vorstellungen.

Polen hat sich bis dato völlig rausgenommen aus dem sonst emotionalen Grundtenor dieser Euro: Drei seltsam kühle, wie Polarlicht schimmernde Matches haben sie gespielt, sehr konzentriert, sehr nahe dran am eigenen Können. Wollte man das Positive herausstreichen, könnte man sagen: Die polnische Mannschaft ist eine der wenigen, die sich selber richtig einzuschätzen weiß, ihre Stärken, Schwächen und vor allem ihre Grenzen kennt. Alles Resultate der diesbezüglich am komplett anderen Pol angesiedelten Vorstellung von 2012. Letztlich also ein Resultat der Aufarbeitung und Analyse eines unerwartet verkackten Turniers und einer guten Leitidee für das nächste. Das nur so als Anregung für die österreichischen Versuche für 2018.

Adam Nawalka spielt ein klassisches 4-4-1-1 und hat bis dato insofern Glück, weil ihm keiner seiner Stars ausgefallen ist, weil sein Rückgrat hält. Denn der polnische Kader besitzt keine Tiefe; hinter den tragenden Säulen (den gut- bis hochklassigen Legionären wie Kuba, Krychowiak, Grosicki, Milik und Lewandowski) wartet schon die C-Klasse. Ausnahmen wie der junge Kapustka sind nicht die Regel. Solange da alles klappt, die Abwehr stabil bleibt, kann sich Polen weit nach vor mogeln und Liam Gallaghers Ansage von vor Turnierbeginn (eine osteuropäische Mannschaft kommt ins Semifinale) wahrmachen.

Die Schweiz ist deutlich dichter besetzt - ihr Problem liegt darin, dass kaum einer in Normalform spielt; und das seit Monaten. Einige schleppen ihre Tiefs bereits die ganze Saison mit sich herum, andere wurden durch den nach unten drehenden Teamspirit und den von Teamchef Petkovic wohl an den falschen Stellen angezogenen Druck noch weiter heruntergezogen. Die Schweiz hat in der Vorrunde zum einen von Sommer und Schär gelebt, die hinten vieles kaschieren konnten und zum anderen davon, dass sich ein eigentliches Problem zum Guten gewendet hat: Der Rausschmiss von Kapitän Inler (wegen fehlender Spielpraxis) war zwar menschlich und für den Team-Zusammenhalt Gift, hat aber ein funktionierendes Mittelfeld-Dreigestirn (Behrami, Xhaka, Džemaili) geboren, das sich mittlerweile so fix eingespielt hat, dass selbst die schwache Form der Einzelnen überdeckt werden kann. Granit Xhaka ist aktuell bei nur etwa 50% seines Potentials, wirkt aber in dieser (von Teamchef Petkovic erfundenen) Konstellation trotzdem effektiv. Es ist also ein rechtes einerseits/andererseits mit den Eidgenossen; die aus ihrer bewölkten Phase nur dann herauskommen können, wenn sie sich psychisch befreien - das Spiel, das ihnen diese Selbstsicherheit zurückgibt, fehlt noch.

Die Aufstellungen:

Die Schweiz spielt in rot mit 1 Sommer; 2 Lichtsteiner (K), 22 Schär, 20 Djourou, 13 Rodriguez; 11 Behrami, 10 Granit Xhaka; 15 Džemaili; 23 Shaqiri, 7 Embolo, 18 Mehmedi. also doch wieder der erfahrene, aber formlose Seferovic statt des jungen Embolo

Das ist das bekannte 4-3-3, das - je nach Positionierung von Džemaili auch als 4-2-3-1 lesbar ist. Draußen bleibt 7 Embolo, weitere Wechseloptionen sind 8 Fabian Frei, 16 Gelson, 17 Tarashaj...

Polen kommt in weiß mit 22 Fabiański; 20 Piszczek, 15 Glik, 2 Pazdan, 3 Jędrzejczyk; 16 Kuba Błaszczykowski, 10 Krychowiak, 5 Mączyński, 11 Grosicki; 7 Milik, 9 (K) Lewandowski.

Alles im klassischen 4-4-1-1 mit Milik hinter seinem Kapitän. Tormann Nr. 1, Szczęsny, ist noch nicht fit genug. Draußen sind Jungstar 21 Kapustka sowie 6 Jodłowiec, 17 Pezsko, 19 Zieliński...

Schiri ist der Engländer Clattenburg, ein Profi.