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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

27. 6. 2016 - 14:22

#zerowaste

Nur ein einziges Gurkenglas voll Müll pro Jahr. Ein Trend.

Letzten Sommer, etwas geplättet auf der Couch, war ich wieder mal auf der Suche nach einem neuen Lebenssinn, einer kleinen Revolution, irgendwas, um mein Leben sexier zu machen, das übliche also. Nicht ganz üblich war die Entdeckung, die ich daraufhin gemacht habe, und die mich seither nicht losgelassen hat: #zerowaste.

Bea Johson

APA/AFP/PHILIPPE HUGUEN

Birkenstock

Auftritt Béa Johnson, eine Französin in Kalifornien. Ein Foto zeigt Béa mit einem Gurkenglas voll struppiger Kleinteile: Der Abfall eines gesamten Jahres. Von ihr, zwei Söhnen, Mann und Zwerghund. Béa sieht zurechnungsfähig aus, ihr Haus minimalistisch chic, keine Birkenstocks weit und breit.

Wie zur Hölle geht das?!

Béa Johnson ist am Montag, 27. Juni, in Innsbruck zu Gast: SoWi Aula, Universitätsstraße 15, 19:00 Uhr. Gratis Anmeldung hier.

Ich lese Béa Johnsons Blog Zero Waste Home von vorne bis hinten durch. Erstens habe ich Zeit, zweitens bin ich aufgeganserlt. Fasziniert. Die Verheißung vom sexy-chicen Leben scheint nahe, und man kann so soft einsteigen, wie man will. Zum Beispiel, und das ist bei mir von Anfang an sehr gut gegangen, einfach "Nein, danke" zu Plastiksackerln zu sagen. Eine kleine Stofftasche ist schnell auseinandergefaltet und das Einkaufsgut, wurscht welches, eingesackt. Bei der Obstwaage, an der Kasse, und so weiter.

Modern

Ich fühle mich sehr modern, angekommen im Zeitalter des Post-Consumerism. Oder sagen wir, an dessen Schwelle. Bereit, für Erlebnisse Geld auszugeben statt für Dinge. Immer noch im Kapitalismus, aber mit dem Gurkenglas im Arm.

Ich durchforste Instagram nach #zerowaste-Fotos und sage "Danke, Nein" zu kostenlosen Kugelschreibern, Cremeproben, Postwurfsendungen und gleich auch unnötigen Mails, warum nicht. Die Regeln für #zerowaste sind einfach, übernational, und man muss sich absolut nichts kaufen, um loszulegen. Man kann kreativ sein, Wohnung/Zimmer werden schöner (Und im Gegensatz zu Lebensänderungen wie dem Modeveganismus damals vor zwei Jahren, ähem, ist auch nicht alles im A..ltpapier, wenn man mal einen Fehler macht. Zumindest empfinde ich das so.).

Regeln/ Überlegungen

Folgen wir doch der coolen Béa auf dem Weg zum heiligen Gurkenglas.

1. Refuse

"Danke, nein" sagen zu überflüssigen Ausdrucken, Verpackungen, Flyern und was sonst noch alles auf einen zukommt. Die ganz Harten nehmen in der Kantine keine Serviette, rollen ihr Pausenbrot in ein Stück Stoff ein, befüllen vorm Citybummel (haha, super altes Wort!) ihr Wasserfläschchen oder sagen sogar ihrer Ärztin, dass sie nach der Impfung kein Pflaster brauchen. Sorgfältig legen sie ihre Holzzahnbürste mit Borsten aus verrottbarem Nylon zum Trocknen auf die Heizung.

Sich trauen

Wer sich traut, lässt sich Semmeln, Käse oder gleich ganze Fische über die Budel reichen, um sie im heiligen Gral des #zerowaste zu verstauen: dem Deckelglas!

Wer sich noch mehr traut, sagt sogar dem umweltverträglichen Putzmittel adé und schrubbt mit Natron und Essig. Wieder ein paar Verpackungen gespart.

Man kann aber auch gleich in verpackungslosen Läden einkaufen, wie sie in Wien und Linz entstanden sind. Wer weiß, vielleicht wirbt in ein paar Jahren auch der Supermarkt mit Gwyneth Paltrows Antlitz für #zerowaste-Produkte, so, wie es damals plötzlich mit "Veggie"-Nahrung war. Lebensmittel in identen Glasbehältern aufzubewahren, gefällt sicher auch Gwyneth. Gibt gute Fotos für den Lifestyleblog.

2. Reduce

Shia Su

Shia Su vom Wastelandrebel Blog hat das erste #zerowaste Buch auf Deutsch geschrieben.

Stolzes Gefühl, sich seine Fast-Fashion-Wochenration ohne Plastiksackerl in den Rucksack legen zu lassen ... äh, wie?! Und da sind wir beim größeren Punkt "Reduzieren". Man überlebt es locker, manche Sachen einfach weniger oft zu kaufen. Man muss sich ja nicht gleich, wie Frau Johnson in ihrem Zero-Waste-Home, Mascara und Lippenstift selbst kochen. Oder nur mehr Haargummis verwenden, die man auf der Straße findet (obwohl, das habe ich schon gemacht!).

3. Reuse

Ob man sich jetzt Ersatzteile für sein Rad gebraucht übers Internet kauft oder sich wie Béa Johnson zweimal im Jahr im Secondhandladen eine kleine Garderobe für Winter/Sommer zulegt, ist einem selbst überlassen. Fest steht, dass sich hier modische Konzepte wie #konmari (die einen misten aus, die anderen kaufen es) und #capsulewardrobe (die Erkenntnis, dass man so viel Gewand gar nicht auf einmal anziehen kann und dass man seine gesammelten Fetzen "editieren" oder "kuratieren" kann) auf #zerowaste treffen.

4. Recycle

Im #zerowaste-Leben wird gar nicht so viel recycelt, wie man denkt. Lieber gleich vermeiden. Lieber neue Läden ausprobieren. Im Zweifelsfall hab ich mir dann doch ein neues Deo in der Glasflasche gekauft. Die Kristalle im Bioladen sind schließlich auch in Plastik eingewickelt.

5. Rot

Am 21. September besucht Béa Johnson Wien, zum Abschluss des Zero Waste Labs.

Kompostieren. Mein Freund Hans-Peter ist seit heuer nicht mehr Veganer, aber hat schon einen luftdichten Hocker selbst gebaut, in dem innen aus Schalen, Stingeln und Butzen neue Erde entsteht. Die Suche nach dem guten und richtigen Leben geht weiter.