Erstellt am: 23. 6. 2016 - 12:05 Uhr
Ein Himmel aus Gitarren
Irgendwann war Ben Bridwell dann ein Star. Spätestens als seine Band Of Horses mit dem dritten Album, "Infinite Arms", für einen Grammy nominiert war - vor sechs Jahren, in der Kategorie 'Bestes Alternative Album'. Mit wechselnder Bandbesetzung hatte sich dieser dünne, vieltätowierte, waldschratige junge Mann aus South Carolina via Seattle mit folkigem Americana-Sound, der aber stets fest im Rock verwurzelt war, eine Karriere gebastelt. "Ich bin jeden Tag dafür dankbar, dass es so gelaufen ist, wie es eben gelaufen ist", meint Ben Bridwell im FM4-Interview via Telefon.
Band of Horses
Vier Jahre nach dem letzten Studioalbum der Band, "Mirage Rock", gibt es nun endlich wieder ein neues Album der Band Of Horses, das seine Anfänge in einem alten Haus in North Carolina genommen hatte, im Städtchen Bat Cave, das tatsächlich so heißt. Ein Jahr nach dem Debutalbum, "Everything All The Time", 2006 erschienen, fand sich die Band auf Tour, und weil in Seattle die Miete hoch war, kündigten Ben Bridwell und Drummer Creighton Barrett einfach und kehrten nach der Tour zurück nach South Carolina, wo sie dann auch blieben.
Ben Bridwell ist inzwischen Vater von vier Töchtern. "Deine Töchter können einmal eine Band gründen, oder zusammen mit Sam Beams Töchtern ein richtiges MusikerInnenkollektiv", scherze ich via Telefon, und Ben Bridwell hat Humor und scherzt mit: "Sie können auch ein Rughby Team gründen, wenn sie möchten". Sam Beam von der US-Band Iron And Wine kommt ebenfalls aus South Carolina und ist ein Jugendfreund von Ben Bridwells Bruder. Als Vorgruppe von Iron And Wine im Großraum Seattle verdienten sich Band Of Horses erste Sporen.
Letztes Jahr veröffentlichten Ben Bridwell und Sam Beam miteinander das Album "Sing Into My Mouth", auf dem sie Songs coverten, die sie beeinflussten - von MusikerInnen, die man vielleicht nicht sofort mit Ben und Sam verbindet: von den Talking Heads über John Cale bis zur Schwedin El Perro Del Mar. Sam Beam ist Vater von fünf Töchtern. "Es muss etwas im Wasser sein, dort in South Carolina, wo wir herkommen", lacht Ben Bridwell, "vielleicht haben wir deshalb so viele Töchter."
Why Are You OK
Eine seiner Töchter hat Ben Bridwell zum Titel vom neuen Band Of Horses Album inspiriert: "Why Are You OK". Es war die Zweitjüngste, die am Mobiltelefon der Mutter herumspielte. Sie tippte wohl irgendwelche Buchstaben ein, aus denen die Autokorrektur dann den Satz 'Why Are You OK" formte. Der mysteriöse Satz landete dann via ein SMS bei der Lehrerin von einer der anderen Töchter von Bridwell. Familie Bridwell hatte Erklärungsbedarf. Aber alles klärte sich rasch auf.
Ben Bridwell: "It seemed like one our daughters was accusing the teacher, you know, 'Why are you OK'. But there was no punctuation, so you don´t know if it´s a statement or is it question. There´s no inflection. So, it´s a bit mysterious."
Wir erfahren noch mehr über das Zuhause von Ben Bridwell auf dem neuen Longplayer "Why Are You OK". Etwa dass es einen 'loud room' in seinem Haus gibt - einen Raum, in dem sich all die Vintage-Gitarren und Keyboards befinden, die Ben Bridwell sammelt, und wo er hingeht, um Songideen niederzulegen - oder einfach um laut zu sein. Im Song "Dull Times The Moon", dem siebenminütigen Albumopener, einem wundersamen 'Monster', singt Ben Bridwell über seinen 'loud room': "Put the garbage where it doesn´t belong...filthy room, guitars out of tune".
Ben Bridwell: "It´s just a place to go and be loud in. Sometimes I look around and it´s almost deliberately dirty at times to scare the kids away. They don´t come in there and rifle through things too much."
In diesen 'loud room' geht Ben Bridwell, wenn er sich einsam fühlen möchte, um seine Kreativität zu wecken, oder wenn die Kinder schlafen und nicht durch Lärm geweckt werden dürfen, oder um die Nachtbarn nicht mit lauter Musik zu erschrecken. In seinen 'loud room' schleicht er oft nachts und komponiert, denn morgens bringt er seine Töchter zur Schule, und wenn sie von dort wieder heimkommen, kümmert er sich weiter um sie. Mrs Bridwell - sie hatte sich einmal nach einem Band Of Horses Konzert ein Autogramm vom Sänger der Band geholt und man verliebte sich ineinander - betreibt eine Beauty- und Wellness-Farm, sodass Ben Bridwell, wenn er nicht auf Tour ist, die Familien- und Haushaltspflichten mitübernimmt.
Ein Großteil des neuen Albums der Band Of Horses entstand schließlich in Kalifornien, nämlich im kleinen Ort Stinson, eine halbe Stunde Autofahrt von San Francisco entfernt. Band Of Horses arbeiteten dort mit Jason Lytle von der kalifornischen Indierockband Grandaddy am Album. Jason, der vor zehn Jahren mit Grandaddy das letzte Album machte, ist ein alter 'Held' von Ben Bridwell. Ben hatte ihn einfach angeschrieben, ob denn nicht mitmachen möchte. Lytle, eigentlich ohne Erfahrung, was das Produzieren anderer Bands betrifft, sagte gleich zu. Grandaddy trifft auf Band Of Horses, eine gute Entscheidung. Was immer Jason Lytle da der Band Of Horses injizierte, it works well.
Nach so viel California Feeling, samt Surfing-Besuchen am Stinson Beach - unter der Leitung des passionierten Skaters und Surfers Jason Lytle, war wohl etwas Konträres nötig, um das Album fertigzustellen. Das führte dann im winterlichen Woodstock Dave Fridmann zusammen mit der Band aus. Fridmann ist bekannt für seine Arbeit mit Mercury Rev, den Flaming Lips, Tame Impala oder MGMT.
Ben Bridwell: "The beauty of it was inspiring as hell, especially when you´re from the South. Snow is magical."
Als CO-Producer insgesamt fungierte kein Geringerer als der Buddha-artige US-Musik-Zampano Rick Rubin, der schon früh mitbeteiligt war am Erfolg der Band Of Horses. Eine 'holy trinity' sozusagen, die Ben Bridwell da verpflichten konnte, nachdem er die Grundzüge des Albums mit Phil Ek und Glyn Johns definierte - beide sind ebenfalls erfahrene Produzenten.
Caroline
Weil das aber noch immer nicht genug ist, machte noch ein großer Name mit: J Mascis von den US-Alternative Rock Helden Dinosaur Jr. Auf dem Song "In A Drawer" steuert der grummelige J Mascis diesem Himmel aus Gitarren zwar keine weitere Gitarre bei, dafür aber Backing Vocals. Seine tiefe Stimme passt hervorragend als Gegenpart zum hohen Harmoniegesang der Band. Überhaupt sind die Momente des Einfachen das Große an dieser Platte. Süßer Indierock, wie man ihn in den 90er Jahren spielte, trifft auf 70er Softrock und den US-Radio-Rock eben dieser Dekade.
"I found it in a drawer", singt Ben Bridwell in "In A Drawer", und "sitting on a bear´s skin...familiar like an old time song" heißt es da weiter im Text. Was fand er in der alten Schublade? In "Barrel House" gibt es die Zeile "There is peace...a cat in his lap, and a dog at his feet." Ein heimeliges Altersalbum von Ben Bridwell? Noch nicht. Großes amerikanisches Storytelling und üppige melodische Strukturen finden wir auf "Why Are You OK", diesem fünften Album der Band Of Horses, das ein beinahe perfekter Longplayer für diesen Sommer ist. Wer vom letzten Album, "Mirage Rock", irgendwie ein wenig enttäuscht war, "Why Are You OK" ist ein starkes Comeback für diesen 'unlikely star' Ben Bridwell und seine Band Of Horses.