Erstellt am: 22. 6. 2016 - 17:30 Uhr
Alte Männer und das Leben
Sie brauchen anscheinend immer einen gewissen Ruf, ihrem Schicksal zu folgen und auf Abenteuer zu gehen, die älteren Männer, die nach irgendetwas suchen, aber nicht wissen, was das ist. Die beiden Filme "Kill Billy" und "Bach in Brazil", die beide diese Woche in den Kinos starten, schicken ihre zentralen Figuren auf ein Abenteuer fernab der Heimat und unterziehen sie damit dem Unterricht über sich selbst.
"Bach in Brazil" ist ein Film über den pensionierten Musiklehrer Marten. Marten ist unzufrieden. Seine Karriere als klassischer Musiker funktioniert einfach nicht mehr so wie erhofft, bis eines Tages plötzlich eine Nachricht an ihn aus dem Nichts auftaucht und Martens Leben ordentlich verändert: Sein ehemaliger bester Freund Karl hat ihm ein wertvolles Notenblatt von Johann Sebastian Bach vermacht. Der Haken an der Sache: Marten muss das Notenblatt selbst in Brasilien abholen.
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In der brasilianischen Stadt Ouro Preto angekommen, kommen Marten die wertvollen Bachnoten abhanden. Um sie wiederzufinden, geht er einen Deal mit Candido ein, dem einzigen Einwohner der Stadt, der Deutsch spricht: Candido hilft ihm dabei, das Blatt zurückzubekommen, dafür muss Marten aber in der nahe gelegenen Jugendstrafanstalt als Musiklehrer aushelfen. Was dann passiert, kann man sich leicht vorstellen: Nachdem er zu Beginn eher unglücklich über diese Abmachung ist, beginnt Marten seine Passion für das Unterrichten der lokalen Straßenkinder zu entdecken und wird vom zurückgezogenen Griesgram zum offenen Dirigenten seines eigenen kleinen Orchesters.
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Die deutsch-brasilianische Koproduktion "Bach in Brazil" ist ein klassischer Feel-Good-Movie: Herzerwärmend, zugänglich und einfachen Mustern folgend. Der Film geht keine Risiken ein und gibt sich damit zufrieden, eine simple Geschichte zu erzählen, die man auch schon anderswo öfters gesehen hat. Und die diesem einen, einfachen Handlungsstrang folgt, der so zentral für viele Filme über einsame, ältere Herren ist: Ein Charakter geht nicht auf Reisen, weil er glaubt, etwas an sich verändern zu müssen, sondern weil er von seinen Umständen dazu quasi gezwungen wird. Marten fliegt in erster Linie nach Brasilien, um seine Bachnoten zu holen und versucht ursprünglich auch gar nicht, Veränderung zu finden. Bis die Veränderung ihn findet.
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Auch der norwegische Film "Her er Harold", der auf Deutsch den etwas seltsamen Namen "Kill Billy" trägt, schickt seinen Protagonisten auf Reisen. Zwar nicht so weit wie von Deutschland nach Brasilien, sondern nur von Norwegen nach Schweden, die dunklere Ästhetik des skandinavischen Winters ist aber auch passender für die Story des Films: Das Leben des Möbelhändlers Harold Lunde fällt darin auseinander, wenn sein entfremdeter Sohn seine Anrufe nicht beantwortet, sein Möbelgeschäft schließen muss und letzten Endes seine Frau einen Herzinfarkt erleidet.
Für Harold ist klar, wer an der ganzen Misere schuld ist: Der IKEA-Megastore, der gegenüber von Harolds Geschäft geöffnet hat. Kurzerhand beschließt er also, nach Norwegen zu fahren und Ingvar Kamprad, den Gründer von IKEA, zu entführen. Dabei hilft ihm eine schwedische Teenagerin, die er zufällig in Kamprads Heimatort Älmhult trifft.
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"Bach in Brazil" und "Kill Billy" starten am Freitag, den 24. Juni, in den heimischen Kinos.
Die Handlung von "Kill Billy" konzentriert sich voll und ganz auf diese eine Idee: Die Story des alten Mannes, der auf einen persönlichen Rachefeldzug gegen den Konzern IKEA geht. Nachdem das aufgelöst ist, geht dem Film aber relativ schnell die Luft aus. Das Aufeinandertreffen von Harold Lunde und Ingvar Kamprad, aus dem fast eine Art Freundschaft entsteht, ist auf eine Buddy-Comedy-Art ganz witzig, viel wird damit aber nicht angefangen. Wünschenswert wäre vielleicht ein Sequel oder ein Sitcom-Spin-Off dazu, in dem Kamprad und Lunde als "Odd Couple" gemeinsam in einer WG wohnen oder durch die Länder reisen. Was aber leider nie passieren wird.
Aber um Kamprad und um IKEA geht's ja eigentlich nicht in "Kill Billy". Genauso wie es Marten in "Bach in Brazil" auch nicht wirklich um seine Bachnoten geht. Wie der Zinnmann im "Zauberer von Oz" haben beide nur nach einem Herz gesucht. Nur erlauben ihnen ihre Filme nicht, das auch gleich selbst herauszufinden.