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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

21. 6. 2016 - 14:32

Umsonst und draußen

Am Dienstag ist auch in Berlin schon wieder der 21. Juni - der längste Tag des Jahres, die Sommersonnenwende.

Die Sommersonnenwende: MelancholikerInnen und PessimistInnen können an diesem Datum trauern und klagen, der Sommer sei praktisch gelaufen, die Tage würden kürzer und es gehe auf Weihnachten zu.

Ihnen sei gesagt: Im Gegenteil, es ist Sommeranfang. Und so wie uns nach der Wintersonnenwende am 21.12. die kältesten Monate ja noch bevor stehen, liegt jetzt das Beste vom Sommer noch vor uns.

Der Sommer steht also vor der Tür, das sollte Anlass sein, erste Trends der Berliner Sommervergnügungen 2016 auszumachen. Noch sind die Daten des Frühsommers 2016 nicht ausgewertet, trotzdem lässt sich schon eine Tendenz erkennen:

"Umsonst und Draußen" ist auch für diesen Sommer ein unschlagbares Konzept und liegt voll im Trend. Zu den Klassikern "draußen rumhängen, chillen im Park, Schwimmbad, zum See fahren", sind in den letzten Jahren doch die Outdoor- Aktivitäten "cornern" und "bridgen" gekommen. Wir berichteten.

Menschen sitzen auf einer Brücke und trinken etwas

Rösinger

Menschen am Bridgen

Berlin hat ja mehr Brücken als Venedig, und Richtung Sonnenuntergang ist an Sonn- und Werktagen jede Brücke am Kanal (wg. Naturromantik) oder über den S-Bahn Gleisen (wg. Industrieromantik) voll besetzt mit romantisch glotzenden jungen Leuten gerne aus dem englischsprachigen Ausland.

Verlierer dieser Trends ist die althergebrachte Gastronomie, Gewinner sind die Spätis. In den Berliner Spätverkaufsläden deckt man sich mit den nötigen Getränken ein und setzt sich auf die Brücke oder ans Ufer. Der asketische Typ kommt ohne Verpflegung und kritzelt nur nachdenklich versonnen was ins mitgebrachte Tagebuch.

"Späti rules" heißt es auch bei der EM. Zum Public Viewing auf die "Fanmeile" geht nur, wer sich in schwarz-rot-goldenen bierunseligen Massen wohlfühlt. Interkulturelles Viewing findet in Biergärten der jeweiligen ethnischen Restaurants statt, also beim Italiener, Schweizer, Franzosen, Polen, Russen usw...

Den Flaneur hingegen zieht es zu den Spätis, wo man ein paar Bierbänke und einen Fernseher aufs Trottoir gestellt hat, wo sich die local drinker, Partypeople und zufällig Vorbeikommende zum erholsam unnationalen Fussball gucken zusammenfinden.

Manche Berlin-Touristen haben es mit den Spätis noch nicht so ganz raus. So kann man immer öfter große Gruppen lebenslustiger junger Briten in Burgerläden (die es als Gegenbewegung zum Neuköllner Vegan-Trend inzwischen auch in abgelegenen Kreuzberger Straßen in mehrfacher Ausführung gibt) beobachten. Die Briten verweilen dort lange, haben sich zum Burger vorsorglich zwei Kästen Bier bestellt, die sie ohne Hast, aber stetig wegtrinken.

"Es ist doch viel billiger, wenn man das Bier am Späti holt!" - will man den Mannen von der Insel zurufen - aber sie lassen sich, kaum sind die Kästen geleert, von mehreren Großraumtaxis abholen und finden das Saufen in Berlin wahrscheinlich eh so günstig, dass sie nicht auf die zwei Euro gucken, die sie pro Bier sparen könnten.

Am vergangenen Wochenende konnte man in Berlin das Prinzip "Umsonst und draußen" noch mit dem Konzept "Was Sinnvolles tun" kombinieren. Das Brandenburger Tor ist am Samstag, eine Woche nach dem Terroranschlag auf den queeren Club Pulse in Orlando, in Regenbogenfarben angestrahlt worden. Mit einer Mahnwache und einer Kundgebung gedachte man der 49 Toten von Orlando. Gerechnet hatten die Organisatoren der Kundgebung mit 250 Menschen, am Ende waren es 5000, die sich vor dem Brandenburger Tor einfanden.

Das queere Berlin war zusammen gekommen, um in Zeiten latenter Homophobie emotional zusammen zu rücken, wie es eine Redner*in beschrieb. Auf der Bühne sprachen Dragqueens, die Miss CSD 2016, aber auch der amerikanische Botschafter in Berlin hielt eine emotionale Ansprache, die mit den Worten "Liebe und Hoffnung werden immer Hass und Angst besiegen" endete.

Oranienplatz Menschenkette gegen Rassismus

Christiane Rösinger

Oranienplatz: Menschenkette gegen Rassismus

Umsonst draußen sein und sich politisch engagieren konnte die Berlinerin sich auch am Sonntagnachmittag bei der Menschenkette gegen Rassismus. Man traf sich am Kreuzberger Oranienplatz, aber obwohl 9000 Berlinerinnen dabei waren, reichte es nicht ganz für eine Menschenkette bis zum Roten Rathaus.

Vielleicht war einfach zu viel los und die eine oder andere wollte sich auch lieber sportlich als antirassistisch engagieren. Am Sonntag konnte nämlich jeder der wollte mit 13000 anderen beim Velothon Radrennen durch die autofreie Stadt radeln.

Diese Woche geht es grad so weiter. Am Dienstag ist nämlich "Fete de la Musique" , wo auf 100 Bühnen in der ganzen Stadt (Schwerpunkt die Bezirke Kreuzberg – Friedrichshain und Prenzlauer Berg) MusikerInnen und Bands auf Straßen, Plätzen, Brücken, Ufern und Schiffen auftreten, natürlich umsonst und draußen.

Oranienplatz Menschenkette gegen Rassismus

Christiane Rösinger