Erstellt am: 23. 6. 2016 - 20:10 Uhr
Über die Verlierer im Sport
Eigentlich ist das klassische Klo-Lektüre: Lose zusammenhängende Geschichten, eingängige, gewitzte Sprache, lockerer Feuilleton-Stil. Man pickt sich heraus, was einen gerade anlacht ("Lesen nach dem Pralinenschachtelprinzip" nennt das die deutsche Wochenzeitung Der Freitag so schön). Fängt man das Buch mit der Einleitung an, erfährt man, dass Miroslav Klose sich nach Fußballspielen in eine Eiswanne gelegt hat, damit die kleinen Faserrisse in den Muskeln nicht zu Großen werden. Interessant und ein schönes Bild auch.
DVA
Man muss das dieser Tage, an denen alles Mögliche und Unmögliche im Marketing-Windschatten der EM mitfährt, dazu sagen: In "Das Spiel ist aus" geht es nicht nur um Fußball und Fußballer. Es geht um das Scheitern, das in der Kunst und im Feuilleton seit Jahren gefeiert wird. "Meine Verlierer" nennt Holger Gertz seine Protagonisten - wenige Frauen sind auch dabei - und meint dabei bis zu einem gewissen Grad auch sich selbst, da er erkennen muss, dass der Sportjournalist für den Sportler nicht unbedingt ein individuelles Gesicht hat ("Es ist vor allem eine Illusion, dass es zwischen Journalist und Star Gespräche auf Augenhöhe geben kann.")
Gertz schreibt über den gefallenen Medienengel Boris Becker, über den ehemaligen Raumausstatter und späteren Partizan Belgrad-Trainer Lotar Matthäus, über die Menschenrechtsverachter in Sotchi. Weshalb sich Holger Gertz so sehr für die Verlierer interessiert, erklärt er in einem kurzen Essay in der Mitte des Buches ("In der Pause"). Es sei das Siegen heutzutage choreographiert, "die Gesten der Sieger wirken einstudiert", schreibt er. Denn heute, wo alles aufgenommen und sofort verbreitet wird, möchte jeder ein gutes Bild von sich abgeben. Das eigene Verhalten zu kontrollieren, erweist sich jedoch als schwieriges Unterfangen, wenn man gerade scheitert. Gertz schreibt über Mitleid und Schadenfreude, er seziert detailreich die Individualität des öffentlichen Verlierens.
Da es in "Das Spiel ist aus" um Sport und Wettkampf geht, drehen sich die Geschichten auch um Nationen und ihre Eigenschaften. Gertz schreibt von einer sehr deutschen Häme oder vom Österreichischen am österreichischen Fußballer. Es sind zwar textliche Rutschpartien auf dem sehr dünnen Eis nationaler Stereotypen, doch sie fügen sich ungemein gut ein in den lockeren und empathischen Tonfall, mit dem der Autor seine Verlierer präsentiert.