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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

23. 6. 2016 - 08:02

Wo ein Körper ist ...

Sich gegenseitig im Weg sein ist oft nervig. Es kann aber auch für heitere Situationen sorgen. Etwa in Computerspielen, bei denen wir uns heillos ineinander verknoten und verkeilen.

EM ist und so habe sogar ich mir als absoluter Fußballmuffel seit langer Zeit mal wieder ein Match angesehen. Also zumindest die erste Hälfte. Den stärksten Eindruck hat bei mir die Tatsache hinterlassen, dass die Spieler sich ständig im Weg sind und wahlweise ineinander verkeilen, sich bewusst oder unbewusst ein Haxl stellen oder einfach ihre Körper gegeneinander drücken. Das mag für Fußballfans eine vernachlässigbare Beobachtung sein, die auf der Hand liegt, ich finde es allerdings reizvoll. Zwar sind die Körperkollisionen nicht sonderlich elegant, mitunter eignen sie sich aber sogar als eigenes Spielprinzip. Vielleicht nicht am Fußballfeld, aber vor dem Rechner und der Konsole.

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Verkeilen und Verknoten kann nämlich in Games für ziemlich viel Unterhaltung sorgen. Es entstehen dadurch amüsante und skurrile Situationen, für die man gerne ein bisschen Kontrolle abgibt. Denn ums intuitive, präzise Steuern geht es hier nicht, sondern mehr ums Annähern, Probieren und Experimentieren. Der innovative Gamedesigner und -professor Bennett Foddy etwa hat das in Spielen wie "QWOP" oder "Pole Riders" mehrfach eindringlich vorgeführt. Diese Slapstick-Spiele sind das Gegenteil der üblichen Machtfantasien in Computerspielen, wo das Drücken weniger Knöpfe am Gamepad Welten bewegt. Hier werden wir stattdessen in Demut geschult und müssen erst mal lernen, ein paar gerade Schritte zu machen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Daddy Long Legs": eine quadratische Figur auf Stelzen.

Set Snail

Gehen will gelernt sein, hier vorgeführt in "Daddy Long Legs".

"Push Me Pull You"

Zwei aktuelle Games stehen in der besten Tradition des Uneleganten und Ulkigen, wo es sich herrlich verknotet und verkeilt. "Push Me Pull You" hat sogar einen Bezug zu Fußball, denn wir sind eine Art Wurm, der an beiden Enden einen Menschenkopf und Arme hat. Das klingt nach Horror, sieht aber aus wie aus einem Kinderbuch. Wer mit seinem Menschenwurm besser den Ball umschlingen und ihn ins Tor wuchten kann, gewinnt. Es ist ein bisschen so, wie wenn man mit sich selbst Arm drückt, Daumen ringt oder Tic-Tac-Toe spielt. Man gewinnt immer, aber gleichzeitig ist es ein ewiges Patt.

Bei "Push Me Pull You" ist man sich viel selbst im Weg. Wenn man es geschickt anstellt und etwas übt, kann man seine kuriosen Menschenraupe zumindest einigermaßen gezielt steuern. Das Game ist ein reines Mehrspielerspiel: es gibt immer zwei Teams und zwei Würmer. Zwei bis vier Personen sitzen vor der Konsole und steuern wahlweise einen Teil oder beide Teile eines Wurms. Je mehr Menschen, desto größer ist natürlich das Chaos, weil dann buchstäblich die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Am besten ist, man beginnt erst mal im Zweispielermodus: Jeder steuert dann beide Enden seines Wurms und stürzt sich auf den Ball. Wir können unseren Wurmkörper per Knopfdruck länger oder kürzer machen und damit den Ball in die gewünschte Richtung ziehen. Alternativ kann man auch versuchen, mit einem der Köpfe zu dribbeln.



"Push Me Pull You" ist für Playstation 4 als Download erschienen, Windows, Mac und Linux folgen in Kürze.

Es gibt verschiedene Spielmodi, in allen geht es aber darum, den Ball wahlweise im eigenen Bereich des Spielfeldes zu halten oder ihn an eine bestimmte Stelle zu bringen. Der gegnerische Wurm hat naturgemäß dasselbe Ziel und wir sollten ihn davon abhalten. Taktisch wird es dann, wenn man in bestimmten Situationen die Wurmlänge anpasst um gezielte Manöver durchzuführen. "Push Me Pull You" sieht sehr kindlich, einladend und harmlos aus, im Eifer des Gefechts kann es aber schon ziemlich emotional zugehen. Es wurmt einen eben, wenn schon wieder der Ball geklaut worden ist. Oder man sich heillos verknotet hat.

"Mixed Macho Arts"

Wer Fighting Games mag, aber keine Lust hat, die ganzen Tastenkombinationen zu lernen, kann sich einer alten Kampfspiel-Tradition bedienen: dem sogenannten Button-Mashing. Da drückt man, wie der Name schon sagt, wahlweise und möglichst schnell viele verschiedene Knöpfe am Spielcontroller. Und hofft dann, dass was Wirkungsvolles dabei herauskommt. Meistens passiert aber einfach irgendwas, und falls man damit eine Runde gewinnt, hat man anschließend keine Ahnung, warum! Aber jetzt gibt es ein Spiel, wo Button-Mashing Sinn macht.

In "Mixed Macho Arts" steuern wir unsere Macho-Ringer nur mit den Tasten links und rechts. Halten wir eine Taste gedrückt, beginnt sich die Figur in die jeweilige Richtung zu drehen und schlägt Räder. Eine Pixelfigur wirbelt am Boden und in der Luft herum - in der Hoffnung, den Gegner in den Abgrund zu stoßen. Eine Runde dauert nie länger als eine Minute, denn die wackeligen Plattformen, auf der unsere Kämpfer stehen, versinken bald in Lava. Wer als erster mit Kopf oder Körper untertaucht, hat verloren. Im Zufalls- und Superzufallsmodus haben unsere Figuren dann diverse Variationen: fehlende Köpfe oder Extremitäten, Ballonköpfe oder Gorillaarme. All das beeinflusst die jeweilige Bewegung der Figuren.



"Mixed Macho Arts" ist für mobile Apple-Geräte erschienen, aber auch im Browser spielbar.

Gespielt wird "Mixed Macho Arts" alleine gegen den Computer oder zu zweit gegeneinander auf einem Gerät. Wer als erster drei Punkte gemacht hat, geht als Sieger vom Platz. Mit Talent und Geschick hat das Spiel wenig zu tun, es geht mehr ums chaotisch-tollpatschige Herumwirbeln. Ganz frei von Können ist das Spiel aber auch nicht: Oft ist ein gezielter Richtungswechsel der Schlüssel zum Erfolg.

In diesem Sinne: Lasset uns ineinander und gegeneinander Drücken, Ziehen, Schwingen und Schlingen!