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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 6. 2016 - 16:30

Schwere Stunde

Der Song zum Sonntag: Preoccupations - "Anxiety"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Da das gute Wort "Isolation" als Leitfigur und Hymnentitel schon von den in der Musikgeschichtsschreibung auf ewig als Sinnbilder für finsteren Postpunk verbrieften Joy Division besetzt worden ist, hat sich das kanadische Quartett Preoccupations den nicht weniger saftigen Begriff "Anxiety" als Botschafter der eigenen Agenda geangelt.

Bis vor kurzem noch hat die Gruppe Preoccupations den juvenil-störrischen Namen Viet Cong getragen, nach zunehmenden Beschwerden – von unterschiedlichsten Seiten des politischen Spektrums – hinsichtlich des gar stumpf-unüberlegten Verstörungswunsches haben sich die Herren nun doch dazu durchringen können, einen vagen Neustart zu wagen. Mit einem nun betont unschockierenden, man muss ja nicht gleich sagen: uninteressanten, Namen: Preoccupations, die Voreingenommenheiten, die tiefgehenden Beschäftigungen oder auch die Sorgen. Hier lassen sich ganze Lebensentwürfe hineindenken oder aber ein großes prächtiges Nichts und die Leere der Existenz.

Preoccupations

Preoccupations

Fka Viet Cong

Die erste Single der Band unter neuem Namen hackt also gleich wenig bescheiden mit dem besonders groben Beil: "Anxiety", die Angst, die Angstzustände, die Beklemmung, die Beunruhigung. Preoccupations sind immer noch Viet Cong, in musikalischer, in thematischer Hinsicht. Die Musik ist kalt, entrückt, das Leben trostlos.

Der monotone Bariton von Frontmann Matt Flegel, dem es schwer fallen zu scheint, sich zum Singen von der eine Seite des Bettes auf die andere zu drehen, mühsam, schmerzvoll, verkörpert Entfremdung, Verzweiflung, ja, Depression. Er will ja nicht, er muss eben.

Man meint aber in "Anxiety" nicht einen sich traurig vorkommenden Jungmann zu hören, der sich gerade in The Cure und Einsamkeit verliebt hat. Hier geht es jemandem ernsthaft nicht gut. Der Erzähler des Songs ist "second-guessing just about everything", kann sich nicht mehr so recht zurechtfinden da draußen im angeblichen Alltag, empfindet die Dinge nicht selten als "blunt humilation".

Unter all dem Brummen und giftigen Zischen und Fauchen schickt eine süßliche Synthesizer-Melodie ein paar einzelne Sonnenstrahlen in die miefige Kammer. Leise schimmert da und dort der bittere Humor des noch nicht komplett Zerstörten durch: "Excuse my efforts for today", so meint der Erzähler, oder auch, er sei meist nicht unbedingt "at risk of being overconfident". Es gibt keine Erlösung, weil es keine Erlösung gibt. Kaputte Musik für eine kaputte Welt, und dann geht es halt weiter.