Erstellt am: 22. 6. 2016 - 11:05 Uhr
NFC-Zahlsysteme als potenzielle Datenhamster
Drei Jahre nach ihrem Start ist die "kontaktlose Bezahlrevolution" mit NFC-Chips auf den Bankomatkarten in allen österreichischen Supermarktketten flächendeckend präsent. Laut REWE, Spar und Hofer steigert die Bezahlung über Nahfeld-Chips die "Customer Convenience am Point of Sale" für den Kunden im Vergleich zur herkömmlichen Zahlung mit Karteneinschub. Anders als bei den alten Bankomatkarten wird die nötige Energie drahtlos übertragen, laut Auskuft von Spar beträgt die Zeitersparnis durch NFC gerade einmal zehn Sekunden pro Kunde.
Die damals neuen österreichischen Reisepässe wurden ab 2005 mit nahezu baugleichen NFC-Chips vom Typ "Mifare" ausgestattet. Diese Chips enthielten erstmals Fingerabdrücke
Dies sei der "Unique Selling Point", also der alleinige Grund für die Einführung der NFC-Technologie, weitere Ausbaupläne gebe es derzeit nicht, hieß es dazu von REWE. Da es im Geschäftsleben aber bekanntlich nichts gratis gibt und neue Technologien nur dann eingeführt werden, wenn sich dies in zukünftigem Umsatzwachstum niederschlägt, stellt sich die Frage nach dem Mehrwert für die Verkäuferseite. Der kann im Zeitalter der Datenökonomie logischerweise nur aus neuen Daten bestehen, nämlich solchen von völlig neuer Qualität. Neu dazu kommt die Möglichkeit, Kunden während des Verkaufsvorgangs automatisiert zu kontaktieren.
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APA/HANS KLAUS TECHT
Was nicht unterstellt werden soll
Die REWE-Group Österreich berief sich auf ein "Gefühl der Exklusivität" durch Einführung der NFC-Bezahlmethode. Nicht erklärt wurde, worin diese "Exklusivität" denn bestehe, wenn dieselbe Bezahltechnologie von allen Supermärkten gleichzeitig eingeführt wurde.
Definitiv nicht unterstellt werden soll, dass in Österreichs Supermarktketten die systematische Erfassung und Auswertung von Verhaltensdaten, die während des Einkaufs anfallen, bereits praktiziert wird. Die NFC-Bezahlsysteme machen dies nur erstmals möglich, da sie auf Funkimpulse auf der Frequenz 13,56 MHz automatisch mit Rücksendung ihrer jeweiligen Kennzahl antworten. Über diese eindeutige Zahl lassen sich neu anfallende Verhaltensdaten von Einkäufen mit bestehenden Kundenprofilen verknüpfen. Nach der Logik der Datenökonomie ist die Erfassung und Auswertung dieser neuartigen Daten die nächste Ausbaustufe der NFC-Systeme.
Zeitstempel, Einkaufsverhalten, Minicomputer
"Noch bequemer & noch schneller mit Karte bezahlen!" - so bewirbt die Supermarktkette SPAR für ihre ihre NFC-Bezahlsysteme
Während Kundenkarten nur Zahlungen mit einem bestehenden Profil verknüpfen, fallen bei der NFC-Technologie Daten zur Gesamteinkaufszeit, der Verweildauer vor Regalen etc., also Verhaltensdaten an. Einzige Voraussetzung für ein solches System ist die Verteilung von "Lesegeräten" - die tatsächlich miniaturisierte, primitive Kurzwellenfunkgeräte samt Empfänger mit etwas Speicherplatz sind - quer durch die Supermärkte. Im Zeitalter programmierbarer Radios, die von der Technologie her weniger Radios als vielmehr Minicomputer sind, lassen sich derartige Gerätchen zu Spottpreisen herstellen. Während solche Lesegeräte auf entsprechend programmierten Standardplatinen einzeln um die 60 Euro kosten, kommt man bei Bestellung entsprechender Stückzahlen jeweils auf Beträge im Cent-Bereich.
Exkurs in die Technologiegeschichte
"Sowohl unsere Verkaufsmitarbeiter, als auch unsere Kunden spüren eine deutliche Beschleunigung des Kassierprozesses, wenn dieser mittels NFC-Funktionalität abgewickelt wird", heißt es seitens der Hofer-Märkte
Um ihr heutiges Potenzial einzuschätzen, ist ein Exkurs in die abenteuerliche Geschichte dieser Technologie hilfreich, die Information und Energie gemeinsam überträgt. Der erste praktischer Einsatz wird auf den Zweiten Weltkrieg datiert. Die Technologie basierte auf demselben Prinzip wie heute: Ein Funksystem sendet automatisch Impulse aus, ein zweites System antwortet. Oder auch nicht, denn es herrschte die Logik des Kriegs, die zentrale Funktion der Systeme war daher "Ja oder Nein".
Nach exakt diesem Prinzip funktionierte die Freund- Feind-Erkennung im Luftkrieg der Vierziger Jahre, sowohl seitens des Nazireichs als auch der Alliierten. Kam auf die Funkimpulse keine Antwort zurück, stiegen die Abfangjäger des "Deutschen Reichs" auf Abschussposition, vom Boden her eröffneten die Geschützbatterien der Fliegerabwehr (FLAK) das Feuer. Aus den Bombern der Alliierten wiederum schneite es Alustreifen, die die Radarimpulse der FLAK reflektierten und die Zielerfassung blendeten. Die FLAK-Granaten detonierten im Nirgendwo, nur die Jagdflugzeuge verfügten noch über Angriffspotenzial, wenn sie im Sichtflug aus größerer Höhe angriffen.
- gemeinfrei -
Nikola Tesla und die Energie über Radiowellen
Der ebenso geniale wie legendär erfolglose Erfinder Nikola Tesla
Das Prinzip von "Friend or Foe", der Freund-Feind-Erkennung durch "Radio Frequency Identification" war so eine Art negativer Blaupause der nunmehr flächendeckend eingeführten Zahlungsmethode über Nahfeldenergie. Während zu Kriegszeiten allein "Ja oder Nein" entscheidend war, ob das Feuer eröffnet wurde, geht es bei den NFC-Karten nur um die jeweilige Ordnungszahl auf dem Funkchip. "Freund oder Feind" zählt nicht mehr, wenn es diese Unterscheidung nicht mehr gibt, weil alle Kunden sind.
Die Geißlersche Röhre, eine Kaltkathoden-Gasentladungsröhre wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts vom deutschen Physiker Heinrich Geißler erfunden, der zugleich Glasbläser war.
Das NFC-Prinzip, Energie und Information zugleich zu übertragen, geht auf Patente des serbischen Erfinders Nikola Tesla zurück. Tesla war zeitlebens von der Idee besessen, mittels hochfrequenter Wechselströme Informationen wie auch Energie zu übertragen. "Hochfrequente Wechselströme" wiederum sind nichts anderes als Kurzwellenfunk. Das erste diesbezügliche Tesla-Patent stammt aus dem Jahr 1900, als Radioübertragung noch in die Kategorie "Technikutopien" fiel. Die ersten Radiostationen gingen erst zwanzig Jahre später in Betrieb. Zur Zeit Teslas existierten noch nicht einmal Braun'sche Radioröhren, deshalb experimentierte er mit Gasentladungsröhren.
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- gemeinfrei -
Detektorradios, Tesla-Prinzip
Tesla ließ diese diese Röhren drahtlos leuchten, indem er die beiden Elektroden wie Radioantennen in die Luft strahlen ließ. Die erste praktische Umsetzung seiner Erfindung war das sogenannte "Detektorradio" der späten Zwanziger Jahre. Gerade vier Bauteile - Detektordiode, Spule, Drehkondensator und Kopfhörer - samt Antennenanschluss und Erdung - reichten aus, eine Stromquelle brauchte es nicht. Die von der ersten Radiostationen mitübertragene elektromagnetische Energie reichte aus, um die Membranen eines Kopfhörers schwingen zu lassen. Sprache und Musik wurden hörbar.
Fazit und Ausblick
Ob Verhaltensdaten von den Supermarktketten bereits erhoben werden, sollte im Datenschutzregister der Republik festgehalten sein. Zugriff darauf erhält der interessierte Bürger nur über die so genannte Bürgerkarte, die von der überwältigenden Mehrheit der Staatsbürger - wie auch vom Autor dieses Artikels - bis jetzt boykottiert wird.
Wie bei jeder kommerziellen Anwendung neuer Technologien zur Datenverarbeitung gilt jedenfalls auch hier das zeitgemäß adaptierte Sprichwort: Der Weg in die Datenhölle ist mit Kundenbequemlichkeit asphaltiert.