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Claudia Unterweger

Moderiert FM4 Connected und FM4 Homebase.

16. 6. 2016 - 18:02

Solidarität gegen sexualisierte Gewalt

Der Hashtag #solidaritystorm macht die Runde durch Twitter, Facebook und Co. Claudia Unterweger im Gespräch mit Ingrid Thurnher über Hasspostings und sexualisierte Gewalt.

FM4 Auf Laut am 21.6.

"Uns reicht‘s!" - Solidarität gegen Hass und sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen im Netz

Claus Pirschner diskutiert ab 21 Uhr mit AnruferInnen, Hanna Herbst (VICE) und Ingrid Brodnig, Buchautorin von "Hass im Netz".

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Tausende solidarisieren sich mit vier Journalistinnen, die offen über Hasspostings und sexualisierte Gewaltandrohungen reden, mit denen sie häufig konfrontiert sind - weil sie öffentlich als Frauen ihre Meinung sagen.

Corinna Milborn von Puls4, Hanna Herbst von Vice, die freie Journalistin Barbara Kaufmann und Ingrid Thurnher vom ORF sagen: "Es reicht" und berichten in der Wiener Wochenzeitung Falter über Vergewaltigungs- und Morddrohungen, die sie als kritische Journalistinnen erhalten - sexistische Drohungen, die aber auch viele andere Frauen über sich ergehen lassen müssen, sobald sie den Mund aufmachen. Claudia Unterweger hat Ingrid Thurnher zum Interview gebeten.

Claudia Unterweger: Auch Sie sind immer wieder Ziel von frauenfeindlichen Beschimpfungen und Drohungen nach Ihren Sendungen - zuletzt haben Sie besonders viele Hasspostings erreicht im Zuge der Berichterstattung während des Bundespräsidentenwahlkampfs. Lesen Sie sich das durch? Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Thurnher

ORF / Milenko Badzic

Ingrid Thurnher: Zuerst möchte ich sagen, dass es gar nicht notwendig ist, als Frau öffentlich seine Meinung zu sagen. Es reicht bereits, wenn man als Frau öffentlich seine Arbeit tut. Das muss mit Meinung gar nichts zu tun haben, schon das regt offenbar viele Menschen an, ihren Mist online abzuladen und ich kann mich eigentlich nur auf eine einzige Weise dagegen schützen: Indem ich versuche das auszublenden. Wenn man das alles liest, kann man nur zur Auffassung kommen: Es ist mir schade um meine Lebenszeit, die ich dafür hergeben müsste, diesen Dreck - pardon, ich kann es nicht anders ausdrücken - zu lesen. Deswegen versuche ich, das so gut wie möglich auszublenden.

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Ingrid Thurnher in FM4 Connected

Ich habe ehrlich gesagt auch vor, meinen Facebook-Account einfach still zu legen, weil sich das dort sehr häuft. Auf Twitter hat man etwas mehr Kontrolle darüber, auf Facebook ist man diesen Dingen besonders stark ausgeliefert. Man muss sich selbst schützen, sonst überlegt man sich nämlich jedesmal, wenn man im Supermarkt einkaufen geht: Ist der Mensch, der da vor mir in der Reihe steht, vielleicht der, der mir das letzte Hassposting geschickt hat? Oder der, der im Restaurant neben mir sitzt? Oder vielleicht der Verkäufer in einem Geschäft oder der, der im Auto neben mir im Stau steht? Mit so einer Angst mag ich eigentlich nicht leben müssen.

Beeinflusst das auch die eigene Arbeit? So dass man die Schere im Kopf bekommt und sich denkt: Uh, das formuliere ich jetzt lieber weniger krass, oder so?

Das mag schon sein. Man versucht sich zu sagen: Es ist mir egal was unqualifizierte Leute mir an Reaktionen mitteilen wollen. Ich muss meine Arbeit ordentlich und sauber machen, ich muss bei jeder Formulierung sowieso darauf aufpassen, dass sie "hält", dass sie in Ordnung ist, dass sie journalistisch korrekt ist. Aber wenn man sich dann noch überlegen muss, ob man mit einer Äußerung, einer Frage oder in einem Diskussionsbeitrag möglicherweise wieder einen Haufen Hasspostings auslöst, dann ist Ende, dann kann man nicht mehr arbeiten. Deswegen glaube ich, dass man sich davor schützen muss, sonst kann man seine Arbeit nicht mehr qualifiziert machen.

Kommt diese sexualisierte Gewalt aus allen politischen Lagern? Lässt sich das zuordnen?

Ich glaube darüber steht mir kein Urteil zu, ob das mit politischen Lagern in Zusammenhang steht, aber eines weiß ich schon: Es ist im Netz ein Klima entstanden, in dem jeder glaubt, alles sagen zu dürfen und sich für jede auch noch s verrückte und schmutzige Meinung seinen Raum verschaffen zu dürfen, auch wenn es persönlich ist, untergriffig, verletzend, gemein, hasserfüllt, … egal, es gibt keine Grenzen und keine Kriterien mehr und irgendjemand hat den Boden dafür geschaffen, dass jeder glaubt, alles sagen zu dürfen.

Da können wir uns jetzt selbst unsere Meinung bilden, woher diese Haltung kommt, dass man plötzlich glaubt, alles sagen zu dürfen und die Qualität der Meinungsfreiheit in der Demokratie auf diese Weise fehlzuinterpretieren. Es hat eben alles seine Grenzen und wenn es ans persönliche Beleidigen geht und ans Hassen in Worten, dann ist Schluss.

Welche Strategien haben Sie noch entwickelt? Zeigt man das an?

Im Zuge der Hasspostings nach dem Präsidentenwahlkampfduell hat es sehr viele Hasspostings gegeben, die ich zur Anzeige gebracht habe. Es hat auf verschiedenen Facebook-Seiten Äußerungen gegeben, die wir sofort beeinsprucht haben, die sofort vom Netz genommen werden mussten, und da hat es dann auch einige Anzeigen gegeben.

In den sozialen Medien kommt jetzt auch Unterstützung unter dem Hashtag #solidaritystorm - Tausende haben schon unterschrieben gegen Hass und Gewalt gegen Frauen. Macht das Mut? Und was muss darüber hinaus noch passieren?

Es macht auf jeden Fall Mut, ich habe nur die Befürchtung, dass diejenigen, die die Urheber dieser Hasspostings sind, von solchen Kampagnen gar nicht erst erreicht werden. Aber eins sollen sie auf jeden Fall wissen: Sie erreichen damit gar nichts, außer, dass wir uns gegen sie auflehnen, dass wie ihnen sagen, spart euch das, wir hören euch nicht. Punkt. Aus.