Erstellt am: 13. 6. 2016 - 14:00 Uhr
Finaler Tag der Kontraste am Nova Rock
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Der Tag des Kontrastprogramms steht an mit einer Menge Metalcore unterschiedlichster Spielart, zwischendurch eingestreuten satanistischen Ritualen bei hellem Tageslicht, den Deftones, die sowieso eine eigene Kategorie für sich sind, und einem würdigen Abschluss mit den Red Hot Chili Peppers. Letztere hatten offensichtlich einen richtig guten Tag, was nicht selbstverständlich ist.
Zu dieser Band fällt mir spontan "Die 'öme' kommen" ein, ein Zitat jenes Herren, der kein "R" aussprechen kann und in den Asterix-Comics im Ausguck des Piratenschiffs sitzt, das in regelmäßigen Abständen versenkt wird. Nebenbei werden die Piraten von den Galliern auch immer wieder verprügelt, wenn sie ihr Schiff nicht gerade selbst versenken. Asterix und Obelix hätte ich mir beim Auftritt von We Came As Romans eigentlich herbeigewünscht, oder wenigstens Hatebreed, die zeigen, wie das wirklich geht mit dem Metalcore.
Es ist ja nicht unbedingt alles schlecht an den Herrschaften, die da als Römer kommen, nur sind gerade mal geschätzte 70 Prozent auszuhalten. Ja, das klingt gar nicht mal so schlecht und lädt zum frohen Moshen und Headbangen ein. Die restlichen 30 Prozent klingen allerdings nach einer Mischung aus Boyband-Jammergesang und Vader Abraham mit den Schlümpfen auf Speed. We Came As Romans sei hiermit ein Seminar bei den später auftretenden Killswitch Engage empfohlen. Ich hoffe, sie besuchen es.
Mehr Kontrast zwischen zwei hintereinander auftretenden Bands geht wohl kaum. Als hätte man es so bestellt, wurde der davor sonnige Himmel grau, als die polnischen Satanisten Behemoth die Red Stage betraten. Früher mehr dem Black Metal zugewandt, wandten sie sich später stilistisch mehr dem Death Metal zu. Satan und der Ästhetik des Black Metal sind sie nach wie vor hold und liegen in punkto Blasphemie im Moment wahrscheinlich gleichauf mit Marduk.
Gerade für Behemoth möchte man eigentlich meinen, dass ein bei Tageslicht stattfindender Festivalauftritt so gar nicht funktionieren würde. Weit gefehlt und auch wenn eine dunkle Halle oder wenigstens die spätere Abendstunde der düsteren Grundstimmung weitaus zuträglicher gewesen wäre, so funktionierte das trotzdem erstaunlich gut. Großartige Stimmung, wenn auch in ganz anderer Art und weniger durch Crowdsurfing und Herumgehüpfe als viel mehr mit andächtigem Headbanging und huldigendem Kopfnicken.
Und wieder eine Faustwatsche des Kontrasts. Das Seminar zum Thema "Wie baue ich schöne Melodien und Gesänge in bretterharte Metalcore Weisen" beginnt mit Killswitch Engage und ich hoffe We Came As Romans kamen nicht nur als Römer, sondern auch zu diesem sehr lehrreichen Workshop. Bisher hatte ich die Band ja schon mehrmals auf dem Nova Rock gesehen, allerdings mit dem inzwischen gesundheitlichen Gründen ausgestiegenen Sänger Howard Jones. Auch wenn Jesse Leach Vokalist der ersten Stunde ist, war ich im Vorfeld nicht ganz so überzeugt, ob er seinem Vorgänger Howard Jones live das Wasser reichen könne. Nun ja, er kann.
Der Mann enttäuschte zu keiner Sekunde und man muss die Mütze vor dessen Gesangscoach Melissa Cross ziehen. Einerseits so dermaßen zu brüllen, um dann wieder regelrechte Arien zu schmettern, hört man in dieser Perfektion selten. Killswitch Engage bekommen die Kunst hin, Metalcore mit zuckersüßen Melodien zu verknüpfen, ohne peinlich zu werden. Ob man das Repertoire an Humor des Gitarristen und musikalischen Masterminds Adam Dudkewitz nun lustig oder deppert finden will, die Nova-Rock-Stammgäste Killswitch Engage sind nach wie vor einen Besuch vor der Bühne wert.
Wie Killswitch Engage musikalisch im Metalcore verhaftet, ist bei Heaven Shall Burn die Wucht eher durch harte Arbeit angesagt als durch Bässe in die Magengrube. Regen setzte zwischendurch ein, der Stimmung tat das keinen Abbruch. Die Thüringer haben in Österreich eine ziemlich große und fanatische Fangemeinde, weshalb ihre Show zum 10-jährigen Bestehen vor einigen Jahren auch in Wien stattfand. Auch auf dem Nova Rock waren sie sich dessen bewusst und lieferten ein Konzert, dass wahrscheinlich sogar Headlinerstatus verdient hätte.
Alles sang mit und vor der Bühne setzen sich die Damen und Herrn auch schon mal hin um kollektiv gemeinsam zu... hm.... rudern. Klingt komisch, ist aber so. Absoluter Höhepunkt war wohl "Endzeit", wo man ob des exzessiven Einsatzes von Flammenwerfern auf der Bühne schon mal Angst um die Band bekommen konnte. Ein großer Auftritt, der vom Wetter gar mit einem beeindruckenden Regenbogen belohnt wurde.
Bei den Deftones sind Konzerte ein wenig Glücksache. Nicht wegen der Band selbst, sondern viel mehr wegen jener Person, die gerade hinter dem Mischpult sitzt. Ich musste schon Konzerte von ihnen erleben, die vom Sound her eine mittelschwere Katastrophe waren. Zum Glück war dem dieses Mal nicht so und die Deftones bretterten in einem Klang von der Blue Stage, der ihrer würdig ist. Erstaunlich wenig vom neuen Album "Gore" wurde gespielt, dafür so ziemlich alles, was das Herz der Fans erfreut. Ob "Be Quiet And Drive (Far Away)", "Rosemary" oder "Around The Fur", so sollte das sein. Dass bei "My Own Summer (Shove It)" prompt die Gitarre von Stephen Carpenter den Geist aufgab, tat der Stimmung keinen Abbruch und die Deftones nahmen es mit Humor.
Überhaupt hat man die Deftones wohl selten so dermaßen gut aufgelegt gesehen. Bassist Sergio Vega und Chino Moreno schienen einen regelrechten Wettbewerb veranstalten zu wollen, wer ekstatischer über die Bühne fegen kann und Moreno wollte gar nicht mehr mit dem Grinsen aufhören. Der ließ es sich auch nicht nehmen, immer wieder in den Fotograben zu springen und die ganze erste Reihe abzuklatschen. Einmal wurde er auch noch kurz ins Publikum gezerrt, was den Securities wohl einige zusätzliche Schweißperlen verschaffte. Mit "Engine No. 9", das sie auch noch mit "How I Could Just Kill A Man" von Cypress Hill kombinierten, war nach 70 sehr kurzweiligen Minuten viel zu früh Schluss. Eine große Band und für mich der eigentliche Headliner, auch wenn mit Sicherheit viel mehr wegen der danach auftretenden Red Hot Chili Peppers da waren.
Ein einziger Wermutstropfen sei angemerkt, der aber nicht die Deftones betrifft. Viel mehr dürfen sich jene Teile des Publikums angesprochen fühlen, die sich gegenseitig Smalltalk ins Ohr brüllen, während man einer seiner Lieblingsbands zuhört. Das ist einfach zum Kotzen. Sicher ist es legitim, rechtzeitig nach vorne zu gehen, um den späteren Headliner so nahe wie möglich zu erleben. Eure Gespräche interessieren das Umfeld allerdings in etwa so viel, wie sich die hinter euch stehenden Menschen für eure in die Luft gereckten Smartphones begeistern.
Selbst als zugegebenermaßen einer jener, der einzelne Songs der Red Hot Chili Peppers zwar mag, aber nun nicht der große Fan der Band ist, muss ich ihnen für diesen Auftritt auf dem Nova Rock Respekt zollen. Wie uns der Kollege von Ö3 verraten hatte, meinte Bassist Flea im Interview, dass alle Mitglieder der Band sehr betroffen von den schrecklichen Ereignissen in Orlando seien. Man sieht der Band daher sicher gerne nach, dass die Kommunikation mit dem Publikum sich an diesem Abend in Grenzen hielt, denn auch gut bezahlte Superstars sind keine Maschinen. Umso erstaunlicher war es andererseits, dass dieses Konzert wesentlich spielfreudiger wirkte als jenes vor etlichen Jahren auf dem Aerodrome, wo sie ihr Programm eher runterzuspulen schienen.
Mit nur einigen wenigen Ausnahmen lieferten Anthony Kiedis & Co. große Songs und eine Bühnenshow, die wohl eine der beeindruckendsten, wenn nicht die am schönsten anzuschauende des gesamten Nova Rock 2016 war. Hier regierte der Bass, der Funk und der Rhythmus mit den schönen Refrains zum Mitsingen. Die Gitarre ist wie immer Nebensache und die laut gebrüllten Smalltalks waren immerhin fast zur Gänze verstummt.
Die Red Hot Chili Peppers sind nun nicht unbedingt eine Band der durchgehend großartigen Alben, dem Zauber ihrer gelungenen Songs wie "Dani California" oder "By The Way" kann man sich jedoch schwer entziehen, vor allem wenn so ziemlich das gesamte Publikum alles Wort für Wort mitsingt. Nur "We Turn Red" vom kommenden Album wollte nicht so recht überzeugen, war die Reaktion des Publikums darauf nun doch eher verhalten.
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In Österreich sind sie ja relativ selten zu sehen und auch das wird ein Grund gewesen sein, warum an diesem Tag wohl ziemlich viele nur wegen dieser Band da waren. An diesem Abend wurde niemand enttäuscht und mit "Under The Bridge" und "Give It Away" beendeten die Red Hot Chili Peppers das Nova Rock 2016 mit einem trotz der eingangs erwähnten Umstände beeindruckenden Konzert. Wohl in Anspielung auf die Ereignisse in Orlando meinte Bassist Flea am Schluss: "Go home and spread your love. The world needs it." Wahre Worte und es wird Zeit, dass die Welt sich das endlich zu Herzen nimmt.