Erstellt am: 12. 6. 2016 - 14:38 Uhr
Schock Rock'n'Roll
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Boris Jordan hat mich ja vor einigen Jahren als nichtsnutzigen Falotten tituliert, der ihn auf dem Nova Rock in Stich gelassen hat. Seine Rache sollte folgen, wenn auch heimtückisch jetzt einige Jahre später. Ha, ich werde nun alles spitze finden, was am dritten Tag auf der Blue Stage passiert... nun ja, fast, aber dazu später.
Den ersten Auftritt des Tages zu bestreiten ist nun nicht unbedingt die dankbarste aller Festivalaufgaben für eine Band. Vor allem ist Death/Rap/Metalcore um 14 Uhr ein wenig so wie Wiener Schnitzel um 7 Uhr am Morgen. Mitunter ist das Publikum vielleicht noch nicht einmal wirklich wach, nachgerade das letzte Jugendgetränk vom Vorabend eventuell schlecht gewesen sein könnte. Keine Spur aber von Katerstimmung während des 30-minütigen Auftritts von Attila, die sich nach dem berühmten Hunnenkönig benannten und trotzdem vom Trinkhorn Lichtjahre entfernt sind. Inhaltlich jedenfalls mehr in der Partyfraktion als bei allzu ernsten Themen angesiedelt. Die Securities hatten einiges zu tun mit den für diese Uhrzeit ungewöhnlich vielen crowdsurfenden Menschen. Die Herren in den gelben Jacken waren sicher erleichtert, dass nach 30 Minuten alles vorbei war, das Publikum hätte mehr gewollt. Absolut zurecht.
Kollegin Susi Ondrusova meinte, ich solle mir die Band "unbedingt anschauen". Zumindest meinte ich, dass Slaves eine Band wären, allerdings sind sie ein Duo, das Lärm für zehn macht und gerne mal mit einem aufs Notwendigste reduzierten Schlagzeug und abwechselnd mal Gitarre oder Bass. Slaves zogen eine Punk-Show ab, die manch mehrköpfige Kapelle wahrscheinlich ganz alt aussehen lässt, und sie scheinen das durchaus ernst zu meinen, auch wenn die zwei Pudelwelpen im Bühnenhintergrund erst anderes vermuten lassen.
Böse Lieder über traurig dreinschauende Männer in Businessanzügen, die in der Londoner U-Bahn sitzen und über ihre Jobs unglücklich sind. Aber auch über sich selbst und den manchmal übertriebenen Aufwand von Bands machen sie sich gerne lustig, wenn ein Song nur aus dem Text "Fuck the Hi-Hat"besteht. Selbige existiert beim Schlagzeug der Slaves nämlich tatsächlich nicht. Brauchen sie auch nicht.
Slaves sind Punk in Reinkultur und mich erinnern solche Duos ja eher an die Deutsch-Amerikanische Freundschaft als an die White Stripes. Ich wurde deshalb als alt bezeichnet. Urgemein. Jedenfalls waren Frau Odrusova und ich von diesem Auftritt so begeistert, dass wir dem Schlagzeuger dann auf dessen Nachfrage während des Konzerts noch ein Eis spendierten. Wir wollen schließlich, dass es denen auf der Bühne da oben gut geht, besonders wenn es ein solches Highlight ist.
Ein kurzer Abstecher zur Red Bull Brandwagen Stage musste auch mal sein, schließlich geht es nicht nur um die großen Bands auf großen Bühnen. Black Inhale fabrizierten auf der Brandwagen Stage ein lässiges Gemisch aus Thrash und Death Metal, das für manche dieser Musikrichtung eher abholde Menschen vielleicht zu viel Posing enthält, wenn man es aber so dermaßen gut macht wie diese Wiener Band, dann darf man das, dann gehört das dazu. Mein erster Muskelkater des Tages und vor dieser kleinen Bühne war es mindestens so voll wie vor mehreren Jahren bei Crowbar, die auch auf dieser Bühne auftraten. Black Inhale wird man sich merken müssen und hoffentlich noch einiges von ihnen hören.
Bisher dachte ich ja immer, Reggae sei so ziemlich die einzige Musikrichtung, die mich dazu bringen kann, fluchtartig das Wirkungsfeld der Beschallung zu verlassen. Seit heute weiß ich, dass Folk-Punk durchaus ebenso das Potential hat, meine Fluchtinstinkte zu wecken. Schunkeln ist eh lustig und so ein dunkles Bier aus irischen Gefilden kann sicher gut schmecken, Musik wie von den Dropkick Murphys brauche ich aber höchstens zu später Stunde im Irish Pub um die Ecke und selbst da habe ich meine Zweifel.
Gründungsmitglied und Sänger Mike McColgan wird schon gewusst haben, warum er die Band verließ, um Feuerwehrmann beim Boston Fire Department zu werden. Ziehharmonika, Banjo und dann auch noch... ist das wirklich auch noch ein Dudelsack? Muss das jetzt wirklich sein? Herrje! Die Damen in den Innenkreis, die Herren in den Außenkreis, denn jetzt kommt Frohsinn, Spaß und gute Laune. Juheissa und Yihaa, noch ein Guiness bitte, oder nein, besser gleich zwei oder drei und Gehörschutz auch dazu.
Wer hat's erfunden? Nein, nicht der Marilyn Manson, auch nicht GWAR, King Diamond, Rammstein und schon gar Lordi. Selbst Kiss waren mit ihren Rockinszenierungen später dran als Alice Coooper, dem Godfather des Schock Rock. Er war es, der in den Siebzigern beschloss, sich nicht einfach nur auf eine Bühne zu stellen und Musik zu spielen, sondern sie mit großen und für damalige Zeiten schockierenden Shows zu inszenieren. Er war es, der auf Rockkonzerten lustige Sachen wie u.a. Zwangsjacken, Folter durch gestrenge Krankenschwestern und simulierte Hinrichtungen einführte. Das mit den abgebissenen Tierköpfen ist übrigens ein hartnäckiges Gerücht, das nur dadurch entstanden ist, weil ihm bei einem Konzert einmal ein Huhn auf die Bühne geworfen wurde und er es wieder zurück ins Publikum warf. Das arme Tier musste dann sterben, weil das wild gewordene Publikum diesem den Garaus machte.
Auch wenn der schon in die Jahre gekommene Alice Cooper heutzutage mit seinen Shows niemanden mehr wirklich schockiert (eine halbe Stunde Nachrichten ist schlimmer) oder gar provoziert wie in den Siebzigern, so ist es immer noch großes Kino, auch wenn es ein wenig wie eine nostalgische Geisterbahn wirkt. Ein Rock Varieté, eine durchgstylte Halloween Las Vegas Show, in der Alice Cooper beinah jedes Wort in seinen Texten pantomimisch umsetzt. Musikalisch mag das alles heutzutage vielleicht eher biederer Hardrock sein, unterhaltsam ist es allemal und einmal im Leben sollte man Alice Cooper schon live gesehen haben, um die Roots von Slipknot & Co. zu kennen. Andernfalls ist man "unworthy" wie Wayne Campbell und Garth Algar.
Gegen die Superstars Volbeat hat der Austrofred ein hartes Los gezogen. Er nimmt es mit der ihm eigenen Eleganz, und bedankt sich bei der Handvoll eingefleischter Fans: "Des vergiss I eich nie, ihr sads meine Freind."
Ansonsten Hits Hits Hits mit Austropoptexten am laufenden Band, dazu große Geste und intensiver Körpereinsatz. Auch bei den Fans: Selbst in diesem Grüppchen wird crowdgesurft und Herzchen mit den Fingern gemacht. Denn hier regiert der Austrofred.
Luftschlangen, Baby!
Wer am Samstag noch alles am Nova Rock gespielt hat: Alligatoah, Seiler und Speer. Und natürlich Cypress Hill.
Und da sind sie wieder, die sympathischen Dänen um Michael Poulsen, die seit einiger Zeit vom Anthrax-Gitarristen Rob Caggiano unterstützt werden. Leider mit etwas Verspätung, da es offenbar Probleme mit dem Soundcheck gab. 25 Minuten nach der geplanten Beginnzeit dröhnte dann aber Motörheads "Born To Raise Hell" zum Intro aus der PA und mit Lemmys Worten "Take it or leave it" fiel mit lautem Knall der Vorhang. "The Devils Bleeding Crown" ertönte in der Rock'n'Roll angemessenen Lautstärke. Überhaupt war der Sound bei Volbeat zu keiner Sekunde zu bemängeln, auch wenn Michael Poulsens Stimme zu Beginn ein wenig angeschlagen wirkte.
Ich bin ja immer noch sowas wie ein großer Fan der Band, auch wenn Volbeat es mit ihrem vorletzten Album "Outlaw Gentlemen & Shady Ladies" der frühen Anhängerschaft nicht leicht machen. Viel zu brav und kompatibel für die ganze Familie war das. Keine Ecken, keine Kanten. Solider Rock, aber einfach ein zu glattgebügeltes Album, und Volbeat hätten das nicht notwendig. Erst vor ein paar Tagen wurde nun "Seal The Deal & Let's Boogie" veröffentlicht und es scheint, als wollten Volbeat es wieder gutmachen. "Seal The Deal" hat wieder viel mehr Rock'n'Roll und härtere Momente als der Vorgänger. Gut so, weiter so.
Was sich zu Beginn bei Alice Cooper mit ein paar Tropfen angekündigt hatte, wurde während des Auftritts von Volbeat dann leider sehr nasse Tatsache. Es begann regelrecht zu schütten, weshalb es auch nicht weiter verwunderlich war, dass während des Konzerts einige der Zuschauerinnen und Zuschauer die Flucht ergriffen. Nicht wenige der offensichtlich hartgesottenen Fans inklusive mir blieben jedoch, und der Auftritt von Volbeat war jede Sekunde wert. Wie zum Dank verlängerten Michael Poulsen & Co. ihre Show dann auch entsprechend dem verspäteten Beginn und mit "Still Counting", "Seal The Deal", "Pool Of Booze" und "The Mirror And The Ripper" war zu sehr später Stunde kurz vor halb zwei Schluss.
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Mich freut ja nichts mehr, als wenn eine Band die Kritik ihrer Fans ernst nimmt. Nach diesem Konzert kann das durchaus wieder was werden mit Volbeat und wenn ein Großteil des Publikums den Regen während des Auftritts ganz einfach ignoriert, dann macht diese Band definitiv etwas richtig. Man darf hoffen, dass es so bleibt.