Erstellt am: 10. 6. 2016 - 20:15 Uhr

The daily Blumenau. EM-Journal '16-20, 10-06-16.

Wie das Eröffnungs-Match der #Euro2016 trotz eines Sieges keine Machtdemonstration des Veranstalters brachte und sich Rumänien profilieren konnte.

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Was dann doch nicht überraschend war: wie sich Klasse durch späte Tore manifestiert, die dann noch dazu vom Träger des Spiels kommen. Und das ist nicht Griezman oder Pogba, das ist Dimitri Payet, den die UEFA selber vorab nicht zu Unrecht unter die Top 4 ihrer Stars wählte-.

Was dann doch überraschte: dass sich Rumänien dazu entschied mitzugehen, ein Spektakel zu liefern, sich nicht als destruktive Partybremse zu präsentieren. Das ist nicht nur moralisch aller Ehren wert, es war auch fast von Erfolg gekrönt. Und lässt sowohl die Schweiz als auch Albanien schon ein wenig zittern; die werden es gegen beide schwer haben.

Frankreich muss noch an einigen Stellschrauben drehen, da ist noch viel zu tun, was Konzentration. Übergewicht im Mittelfeld, Sicherheit in der Abwehr etc betrifft. Aber: als Heimteam unter höchstem Druck ein Spiel im letzten Moment zu retten, das ist ein potentieller Ausgangspunkt für Meister.

Finale Wechselspiele zerfasern das Match ehe sich's entscheidet

18 Prepelita wird für 8 Pintilii (verletzt) kommen; oder doch nicht. Zuvor aber 7 Chipciu für 10 Stanciu. Er geht auf die linke Seite, 19 Stancu geht neben Alibec ins Zentrum, ist der zweite vordere Mann im 4-4-2.

Deschamps bringt 11 Martial (77.) für Pogba 15 und stellt auf ein 4-2-4 um. Und mit Pogba ist der zweite MVP-Potential raus... Nein es ist ein 4-2-3-1 mit Payet im Zentrum zwischen Coman-Martial.

82.: 11 Torje, eins ehr kleiner Mann, kommt für Popa 20, ein reiner Positionswechsel.

Immerhin funktioniert jetzt das französische Flügelspiel; und - wieder eine Überraschung - auch die französische Alternativ-Taktik. Immerhin.

Aber nicht diese Änderung bringt die Entscheidung, sondern jene, Payet ins Zentrum zu stellen. Von dort schießt der Mann für die Standards ein Weitschuß-Traumtor.

Das mag jetzt nicht unendlich verdient sein, aber der kurze Auswurf von individueller Klasse, der die Entscheidung bringt, ist eben auch Ausdruck von Überlegenheit.

Es sieht also alles nach der anfänglich angesprochenen Möglichkeit 2 aus: ein Anrennen gegen einen harten Defensivblock, der erst im letzten Moment mit einem knappen Resultat belohnt wird. Bloß: dass es nicht gegen ein stures Bollwerk erfolgt ist, sondern gegen einen auf Augenhöhe mitspielenden Gegner; eine erste große Überraschung.

Alles anders in Halbzeit 2, oder nur more of the same?

Und dann macht die Equipe Tricolore all das, was nötig wäre um das Spiel endlich in den Griff zu kriegen nicht. Und hat mehr Glück als Verstand, weil Stancu wieder allein vorm Tor verhaut. Und schafft es nicht seine Überlegenheit im Mittelfeld auszuspielen; und zittert und zagt und verliert die Bälle. Und macht aus den eigenen Paß-Stafetten deutlich zu wenig,

Und trotzdem gelingt die Führung, durch ein wenig Zufall, eine gute Flanke von Payet, der mit Pogba gemeinsam zunehmend Initiative zeigt, einen Tormannfehler und den Riecher von Giroud (57.) Ist glücklich, aber kein Glück.

Die Rumänen reagieren auf den Rückstand mit einem Stürmertauch; 9 Alibec für Andone.
Nach dem Ausgleich durch den Stancu-Elfer (beim dritten Anlauf geht der Ball rein) kommt auch auf französischer Seite ein Positionstausch: 20 Coman für Griezman. Damit geht schon im 1. Spiel ein potentieller MVP geschlagen vom Platz.

Halbzeit-Fazit

Ja, 3:1 nach Großchancen, und ein gefühltes 60/40 beim Ballbesitz, aber die nackten Zahlen täuschen: Rumänien löst seine erste, sauschwere Aufgabe (gegen den favorisierten Veranstalter bestehen) mit spielerischer Bravour, hält mit Frankreich mit, knabbert an deren Schwächen, presst sie an und sorgt für einige Verwirrung.

Deschamps Mannschaft kommt nach dem anfänglichen Schock über die rumänische Erfrechung (einfach mitspielen mit der grande nation, olala!) erst nach einiger Zeit in die Gänge, kommt über einige gute Szenen über rechts (Rat ist eben auch ein alter Außenverteidiger...), überlassen aber noch zuviel dem Zufall. Für einen Sieg braucht es deutlich mehr Konzentration in Halbzeit 2.

Und dann doch: die Euro bringt Fußball jenseits des Erwarteten...

Nach einer grauenvollen Eröffnungsfeier (Touri-Klischees, Guetta-Müll) kann das Spiel nur besser werden. Und wird es auch. Denn sie passiert schon in den ersten Minuten: die erste Überraschung.
Iordanescus Rumänien spielt mit, ist aktiv, presst vorne mit 4 Mann (in einer 4-2-4-Grundformationm, das ist enorm!) setzt Frankreich bei Standards unter Druck, agiert auf Augenhöhe und fügt sich somit nicht in die ihnen zugestandene Rolle des destruktiven Spielverderbers.

Nach zehn Minuten bekommen die Blauen das Spiel in den Griff, aber es bleibt vergleichsweise offen geführt. Danke, die Herren!

Iordanescus Matchplan sieht offenbar vor den französischen Schwachpunkt anzubohren: die leicht überwutzelten Außenverteidiger. Die werden mit gleich zwei Mann angegangen, schwimmen bei Flanken ganz schön und sorgen so implizit dafür, dass sich das französische Angriffsspiel nicht so recht entfaltet.

Wenn Stancu nach dem Corner in Minute 4 nicht Lloris anschießt, sondern den Ball einfach ins Eck schiebt, dann wäre der Favorit schon am heftigen Zittern. Andererseits: hätte Griezman in Minute 15 nicht die Stange angeköpft... insofern ist das Remis nach 30 Minuten angebracht.

Im übrigen war meine Annahme, dass Rumänien oft im 4-5-1 stehen wird, völlig falsch - zumindest zwei Angreifer (Stanciu unterstützt Andone) bleiben immer in der ersten Pressing-Linie vornedrin.

Vor dem Match...

Die fußball-philosophische Frage, die hinter den Titel steckt, ist eine grundlegendere: existiert so etwas wie ein Leben jenseits des Erwartbaren?

Oder müssen wir uns mit einer Realität zufriedengeben, die sich in engen strategischen Bahnen bewegt.
Wird (Möglichkeit 1) Frankreich dominieren, zur Halbzeit einen Vorsprung herausgearbeitet haben und den ersten Sieg sicher nach Hause schaukeln.? Wird es (Möglichkeit 2) ein Anrennen gegen einen harten Defensivblock, der erst im letzten Moment mit einem knappen Resultat (und das womöglich nach Rückstand) belohnt wird? Oder schafft es (Möglichkeit 3) der Außenseiter den Favoriten so zu entnerven, dass er sich ein Remis abtrotzen lässt, oder gar durch einen Konter verliert?

Diese drei Optionen laufen unter "normal", "erwartbar" und "kalkuliert"- Alles andere wäre eine Überraschung.

Kann/wird es die heute geben? Und wenn ja, wie oft überhaupt in diesem Turnier? Angesichts einer Entwicklung des Sports hin zur absoluten Transparenz, zum Daten-Overflow, zur Informations-Überforderung, ist nicht sicher, ob die Zahl der tatsächlich überraschend ablaufenden Matches eine zweistellige Marke erreichen wird.

Die Spieldaten

... das steht alles, was man im Vorfeld über Frankreich, und Rumänien wissen muss. Die Ausgangslage in einem Wort: Veranstalter und Zumindest-Co-Favorit gegen einen der krassen Außenseiter.

Frankreich wie erwartet mit 1 Lloris (K); 19 Sagna, 4 Rami, 21 Koscielny, 3 Évra; 15 Pogba, 5 Kanté, 14 Matuidi; 7 Griezmann, 9 Giroud, 8 Payet/ also ein 4-3-3 in blau, das im Angriffs-Fall deutlich mehr als drei Angreifer umfassen wird.

Rumänien wie erwartet mit: 12 Tătăruşanu; 22 Săpunaru, 6 Chiricheş (K), 21 Grigore, 3 Rat; 8 Pintilii, 5 Hoban; 20 Popa,10 Stanciu, 19 Stancu; 14 Andone also ein 4-2-3-1 in grellgelb, dass sich in der Defensive in ein 4-5-1 auffächern wird.

Frankreich (Didier Deschamps): 1 Hugo Lloris (Tottenham/ENG), 16 Steve Mandanda (Olympique Marseille), 23 Benoît Costil (Rennes); 19 Bacary Sagna, 13 Eliaquim Mangala (Manchester City/ENG), 2 Christophe Jallet, 22 Samuel Umtiti (Lyon), 21 Laurent Koscielny (Arsenal/ENG), 4 Adil Rami (Sevilla/SPA), 3 Patrice Évra (Juventus/ITA), 17 Lucas Digne (Roma/ITA); 6 Yohan Cabaye (Crystal Palace/ENG), 5 N'Golo Kanté (Leicester City/ENG), 14 Blaise Matuidi (Paris Saint-Germain), 15 Paul Pogba (Juventus/ ITA), 18 Moussa Sissoko (Newcastle/ENG), 12 Morgan Schneiderlin (Manchester United/ENG); 8 Dimitri Payet (West Ham/ENG), 20 Kingsley Coman (Bayern München/DEU), 10 André-Pierre Gignac (Tigres/MEX), 9 Olivier Giroud (Arsenal/ENG), 7 Antoine Griezmann (Atlético Madrid/SPA), 11 Anthony Martial (Manchester United/ENG).

Rumänien (Anghel Iordănescu ): 12 Ciprian Tătăruşanu (Fiorentina/ITA), 1 Costel Pantilimon (Watford/ENG), 23 Silviu Lung jr. (Astra Giurgiu); 22 Cristian Săpunaru (Pandurii Târgu Jiu), 2 Alexandru Matel (Dinamo Zagreb/CRO), 6 Vlad Chiricheş (Napoli/ITA), 15 Valerică Găman (Astra Giurgiu), 4 Cosmin Moţi (Ludogorets/BUL), 21 Dragoş Grigore (Al-Sailiya/KAT), 3 Răzvan Raţ (Rayo Vallecano/SPA), 16 Steliano Filip (Dinamo Bucureşti); 5 Ovidiu Hoban (Hapoel Be'er Sheva/ISR), 20 Adrian Popa, 7 Alexandru Chipciu, 8 Mihai Pintilii, 10 Nicolae Stanciu (Steaua Bucureşti), 11 Gabriel Torje (Osmanlispor/TUR), 17 Lucian Sanmartean (Al-Ittihad/KSA), 18 Andrei Prepelita (Ludogorets/BUL), 19 Bogdan Stancu (Gençlerbirliği/TUR), 14 Florin Andone (Córdoba/SPA), 13 Claudiu Keșerü (Ludogorets/BUL), 9 Denis Alibec (Astra Giurgiu)