Erstellt am: 8. 6. 2016 - 18:16 Uhr
Charlie Chaplin entführt
Im Film ist vieles schöner als in echt. Was beruhigend ist, solange der Film nicht so tut, als wäre er echt. Nun basiert "La rançon de la gloire" zwar auf einer wahren Begebenheit, nämlich der Entführung des Sarges (und der darin befindlichen Leiche) von Charlie Chaplin im Jahr 1978 am Genfer See, doch der Film fackelt mit der Realität nicht lange herum. Im Wirken Charlie Chaplins ist diese Episode klein und wirkt wie ein Nachspann-Schmäh nach einem an Episoden und Schmähs nicht gerade armen Leben.
Kinostart
"La rançon de la gloire" startet am 10. Juni in den österreichischen Kinos.
Xavier Beauvois, der zuletzt für sein in Algerien angesiedeltes Mönchs-Drama aus gutem Grunde gefeiert wurde und davor eine sehr düstere Pariser Kriminal-Detektiverei gedreht hat, zeigt sich in seinem neuesten Film von ungewohnt heiterer, erstaunlich klamaukiger Seite. Wenn der Schmäh rennt, dann lässt er ihn ordentlich rennen. Weder versucht er in irgendeiner Weise Charlie Chaplins Humor zu imitieren, noch hält er sich an die Tatsachen.
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"La rançon de la gloire", der in Österreich unter dem einfältigen und vermutlich in einer, nach dem Mittagessen angesetzten, Marketingsitzung beschlossenen Titel "Die unglaubliche Entführung des Charlie Chaplin" (nicht zu verwechseln mit der unabsichtlichen Entführung der Elfriede Ott) ist eine Komödie. Punkt. Eine Komödie, die allerdings auch nicht davor zurückscheut, ernste und leicht moralische Töne aufblitzen zu lassen. Man hätte es ihm zutrauen können, dem Beauvois, aber erwartet hätte man es nicht.
Der Film beginnt nur mit Ton: man hört einen Schlüssel, der eine schwere Tür öffnet. Kurz darauf im Bild Eddy, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wird. Sein Freund Osman holt ihn ab und nimmt ihn mit in seine spärliche Behausung. Zwei Wohnwägen, in einem hat Osman Eddys geliebte Bücher aufgestapelt.
Während Osman in den kommenden Tagen versucht, von der Bank einen Kredit für die Hüftoperation seiner Frau zu bekommen (und mit diesem Ansinnen klarerweise beim Schweizer Bankbeamten gnadenlos abblitzt), hilft Eddy Osmans elfjähriger Tochter beim Französischlernen und hat nebenbei sehr, sehr viel Zeit, um fernzusehen und Ideen zu spinnen. Und Heureka! Da kommt ihm eine geniale.
Im Fernsehen hat er die Berichte über Charlie Chaplins Tod gesehen, im Gefängnis hat er die Geschichte eines Kalabresen gehört, der Unternehmer entführt ("aber er hat sie 1A behandelt, da gab's nie was") und daraus einen beachtlichen Lebensunterhalt lukriert hat. So ist es nicht weit zur wahrlich grenzgenialen Idee, den Sarg von Charlie Chaplin auszugraben, zu entführen (gut behandeln bedeutet in diesem Fall, an einem anderen Ort wieder einzugraben) und von der Witwe Chaplins Lösegeld zu fordern.
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Eddy und Osman, das sind zwei Clowns. Figuren, die darauf getrimmt sind, bestimmte Stereotypen zu verkörpern. Eddy ist ein explosives, aber liebenswürdiges Schlitzohr, ein Mann, der schneller spricht als denkt. Osman hingegen der Grübler. Eine im Grunde ehrliche Haut, die aus reiner Verzweiflung und nur vor dem Hintergrund der sozialen Ungerechtigkeiten eine Straftat begeht. Benoît Poelvoorde (zuletzt hat er in "Das brandneue Testament" Gott gespielt), der grundsätzlich gerne über die Strenge schlägt (zuletzt tatsächlich als Gott), präsentiert an der Seite des ruhigen Roschdy Zem, dass er sehr viel mehr kann als den Poltergeist im Lachkabinett. Dass er, also Eddy, zudem tatsächlich als Clown entdeckt und von Chiara Mastroianni im Zirkus engagiert wird, beweist inhaltlichen Mut.
Und ganz grundsätzlich ist es im Kriminalfilm schon viel zu lange nicht mehr passiert, dass zwei Kidnapper in eine Telefonzelle gehen, ein Taschentuch um die Sprechmuschel wickeln und eine Million in kleinen Scheinen fordern.