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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

8. 6. 2016 - 14:30

Der gestohlene Zaun

An der bulgarisch-türkischen Grenze sind Zaunelemente gestohlen worden. Jetzt rätselt man, was damit passiert sein könnte.

Unbekannte haben zwanzig Elemente des Zauns an der bulgarisch-türkischen Grenze, also der EU-Außengrenze, gestohlen. Die Zaunteile waren siebzig Zentimeter mal vier Meter groß. Jedes davon wiegt 80 Kilogramm. Die Medien geben keine weiteren Infos über den Vorfall. Wir haben keine andere Möglichkeit, als über diesen dreisten Diebstahl zu rätseln...

APA/BUNDESHEER/PUSCH

Grenzzaun an der bulgarisch-türkischen Grenze

Mit Akzent

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Ich erinnere mich, als vor einigen Jahren eine Gruppe politischer Aktivisten aus Westeuropa genau diesen Zaun, den ersten in Europa, symbolisch duchschneiden wollte. Ihr Ziel war, gegen die "Festung Europa" zu protestieren. Sie hatten für ihre Aktion Spenden gesammelt, hatten sich Werkzeug gekauft und wollten damit die Grenze erreichen. Man sah sie im Fernsehen - eine Gruppe von eher fröhlichen als zornigen Menschen.

Ihre Forderungen wurden von der bulgarischen Bevölkerung nicht unterstützt, einige "patriotische" Organisationen drohten sie zusammenzuschlagen und die Polizei ließ die westlichen Aktionisten nicht bis zur Grenze durch. Ob sie jetzt nochmal zugeschlagen und sich heimlich in der Nacht durchgeschlichen haben, um dieses 14 Meter große Loch im Zaun zu machen? Ich kann mir diese Menschen aber nicht wirklich dabei vorstellen, wie sie in der Nacht heimlich Richtung EU-Außengrenze kriechen. Sie wollten außerdem auf den Zaun aufmerksam machen und ihn nicht mitnehmen. Das heißt, dass sie es wahrscheinlich doch nicht waren.

Die gestohlenen Zaunteile sind gar nicht so klein. 0,7 mal 4 Meter ist nicht etwas, das man in seiner Hosentasche verstecken kann. Ihr gemeinsames Gewicht von eineinhalb Tonnen heißt auch, dass man den Zaun nicht einfach auf seinem Rücken wegtragen konnte. Im Sommer sind außerdem die Nächte kurz und man muss schnell handeln.

Ich weiß, dass in Bulgarien die Roma die üblichen Verdächtigen sind. Viele Romafamilien sammeln als Hauptbeschäftigung metallische Abfälle. Sie suchen danach in alten Fabriken oder auf den Mülldeponien in den Städten. Man sieht nicht selten Pferdekutschen beladen mit jeglichen Metallstücken, die die Roma gefunden haben: alte Bettgitter, Öfen aus den 60er-Jahren, Straßenschilder aus der Zeit des Sozialismus. Ich habe mal eine Pferdekutsche gesehen, wo Roma alte Eimer mit Aufschriften auf Deutsch transportierten, aus der Zeit des Dritten Reiches. Ja, aber in welcher Altmetallsammelstelle werden sie die Zaunteile vom bulgarischen Grenzzaun akzeptieren? Man sieht ja, dass der Zaun neu ist. Der Eisenhändler wird es aus Angst vor der Polizei nicht kaufen wollen.

Es ist ja auch hochverdächtig, dass jemand unbeachtet von der Polizei zur Grenze gekommen ist. Man erzählt in den Nachrichten, dass diese Grenze Tag und Nacht bewacht wird, mit Kameras, Wärmesensoren und Gott weiß was noch. Wie haben sie es dann nicht bemerken können, dass jemand 14 Meter vom Zaun demontiert und einfach wegnimmt. Vielleicht sind die, die den Zaun bewachen, auch die Diebe? Man hört ja immer, dass die bulgarischen Grenzbeamten den Menschenschmuggel durchs Land betreiben... Aber wofür würden sie den Zaun brauchen? Um ihre Häuser zu umzäunen? Es wäre doch verdächtig, wenn man seinen Hof mit einem vier Meter hohen Zaun mit Stacheldraht darauf umkreisen würde.

Oder es ist etwas ganz Unerwartetes - die türkischen oder russischen Geheimdienste wollen eine neue Route durch Bulgarien eröffnen, um die EU weiter zu destabilisieren.

Es bleiben eigentlich nur die Außerirdischen, die in ihrer fliegenden Untertasse gekommen sind und die Zaunstücke mitgenommen haben, um sie auf ihren fernen Planten zu analysieren. Denn die Zäune an den Grenzen gehören analysiert.