Erstellt am: 7. 6. 2016 - 16:10 Uhr
Smart Wearables
von Sarah Kriesche
Eine Uhr zeigt an, wie es um unseren Puls bestellt ist. Ein Fitness-Armband misst, wie lange man wie schnell durch Schönbrunn gejoggt ist. Die Ergebnisse posaunt es auch gleich auf Social Media-Kanälen raus. Das soll einen motivieren, durchzuhalten und bei der nächsten Tour noch eins draufzusetzen. Abends dann noch ein Blick auf die App, welche uns grafisch aufbereitet hat, wie viele Schritte wir im Laufe des Tages gemacht haben und wo es "upside potential" gibt. Eine Unzahl von "smarten" Wearables wollen uns auf dem Weg zum Quantified Self unterstützen und die Neugierde befriedigen, wie es denn um unseren Körper bestellt ist. Auch Versicherungen und Arbeitgeber freut der - mitunter doch recht freizügige - Umgang mit unseren Gesundheitsdaten.
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Die Umschiffung des Wortes "Datenspeicherung"
Wie gerade Gesundheitsdaten unser Leben verändern werden, hat Nadine Kleine von der OTH Regensburg anhand von Wearable-Technologien erforscht. Dabei stieß sie auf einige Überraschungen: "Zum Beispiel, dass die Menschen mit zweierlei Maß messen. Sie sind, wenn es darum geht, dass Daten gespeichert werden, sehr vorsichtig, aber wenn man es ihnen anders verkauft und zum Beispiel sagt 'Ja, aber Fitness-Armbänder haben den Vorteil, dass man genau sehen kann, wie aktiv man ist' - und das Wort 'Datenspeicherung' nicht benutzt, dann sind die Leute total begeistert und hinterfragen es nicht. Es kommt also immer darauf an, wie man es den Leuten verkauft und es hat mich doch überrascht, dass vielen Leuten der Zusammenhang gar nicht klar ist.", meint Kleine.
Der Zwang zum Fitness-Armband
In einer Gesellschaft, in der ständig die Rede davon zu sein scheint, sich selbst zu optimieren oder mehr über sich und den eigenen Körper zu erfahren, scheint es vielen nicht bewusst zu sein, wohin die diversen Jogging-, Fitness-, oder Pulsmesser-Daten wandern. Besonders Versicherungen (und wohl auch einigen Arbeitgebern) schießen Freudentränen in die Augen, wenn unbedarfte NutzerInnen meinen: "Wen kümmert es schon, wann ich wie schnell gelaufen bin…".
Denn für sie sind genau diese Daten Gold wert. Mitunter wird das Tragen von smarten Fitness-Trackern bereits durch kleine Benefits schmackhaft gemacht, manchmal auch vorgeschrieben, wie zum Beispiel an einer Privat-Universität im US-Bundesstaat Oklahoma. Kleine: "Das wird natürlich auch gerne positiv verkauft, dass man sagt 'pass auf, wir geben dir das intelligente T-Shirt, das uns sagt, dass du dich gerade hinsetzen musst', das ist natürlich ein Vorteil für uns. Aber das kann immer auch zum Nachteil gebracht werden, wenn der Wind sich dreht und das heißt, ok du hast dich nicht gerade hingesetzt, das ist deine eigene Schuld, dass du Rückenprobleme hast, ich zahl nicht mehr als Krankenkassa, beziehungsweise ich als Arbeitgeber habe damit ein Problem und werde dir auf die Füße treten."
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Implantate, "weil es geht"
Beim neuesten Trend, der Cyberisierung, sind die Folgen für Kleine noch nicht abschätzbar. Implantate, wie etwa kleine programmierbare Chips im Finger, sollen dann zum Beispiel Haus- oder Autoschlüssel ersetzen. "Vor allem durch das Invasive ist das ein Schritt, dessen Folgen absolut nicht abzuschätzen sind. Was macht es mit dem Menschen und was macht es mit unseren Körpern und mit unserer Idee von unserem Körper? Ich glaube, viele, die das aktuell machen, machen es, weil es geht, ohne sich bewusst darüber zu sein, was es für mich, meine Beziehung zu meinem Körper, bedeutet. Und natürlich auch, was es bedeutet, wenn sich jemand auf den Chip in meinem Körper und auf dessen Daten unerlaubten Zugriff verschaffen würde."
Mit Wearables zu mehr Lebensqualität
Entscheidend, ob positive oder negative Aspekte überwiegen, ist oftmals die Notwendigkeit derartiger Wearables. Implantate, die zum Beispiel bei Diabetes helfen, indem sie den Blutzucker messen, können zu neuer Lebensqualität verhelfen. Kleine: "Jeder Bereich, wo der Mensch an Autonomie dazu gewinnt, sein eigenes Leben zu gestalten. Seien es pflegebedürftige Menschen, Menschen, die Assistenzsysteme brauchen, weil sie beeinträchtigt sind auf die eine oder andere Weise, es gibt viele verschiedene Arten in denen Wearable-Technologie uns durchaus helfen kann. Es ist einfach nur wichtig, dass die Autonomie bei uns liegt, dass wir bestimmen, für was wir sie verwenden, unser Leben dadurch einfacher wird und die Technik uns assistiert und nicht wir mit unseren Daten anderen Stellen assistieren."
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Allheilmittel Transparenz
Trotz vieler Schreckensmeldungen gibt es also keinen Grund in dystopische Depressionen zu verfallen. Künftig wird vor allem wichtig sein, so Nadine Kleine, ein Bewusstsein für den Wert der eigenen Daten zu entwickeln und von Unternehmen eine entsprechende Transparenz einzufordern. Gerade im Bereich der Gesundheitsdaten müssten Kunden klar verständliche Informationen bekommen, ob und wie Daten gespeichert werden und ob sie weiterverarbeitet werden. "Es bringt nichts mehr zu hoffen, dass Daten nicht gespeichert werden. Sie werden gespeichert. Die einzige Schraube, an der man drehen kann, ist die der Transparenz. Dass man genaue Auskunft darüber bekommt, was gespeichert wird und wir entscheiden dürfen 'ok, diese oder jene Firma darf Daten speichern, aber nur diese oder jene.' Es muss an mir liegen und an meiner Entscheidung, ob sie gespeichert oder weiter gegeben werden dürfen und ich muss absolute Transparenz darüber haben."