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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 6. 2016 - 16:41

The daily Blumenau. EM-Journal '16-16, 07-06-16.

Italien ist ja immer eine echte Wundertüte, aber so sehr wie heuer wohl noch nie.

#fußballjournal16 #emjournal

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16

EM-Journal '16-2, 12-05-16: Der ÖFB-Kader, der Malta-Test und die Niederlande-Niederlage

EM-Journal '16-1, 11-05-16: Island und Ungarn

EM-Journal '16-4, 25-05-16: Portugal bleibt Favorit

EM-Journal '16-3, 20-05-16: Geheimfavorit England

EM-Journal '16-5, 27-05-16: Der Krieg, Russland und die Ukraine

EM-Journal '16-6, 30-05-16: Schweiz in Unform

EM-Journal '16-7, 31-05-16: Belgien, nicht mehr geheimer Geheimfavorit

EM-Journal '16-9, 01-06-16: Zlatan der Letzte und andere Schweden

EM-Journal '16-10, 02-06-16: Variable Deutschland

EM-Journal '16-11, 03-06-16: Tschech-o-Slowakei: grundverschieden.

EM-Journal '16-12, 04-06-16: Wie unterscheide ich Irland, Nordirland & Wales?

EM-Journal '16-14, 05-06-16: Noch hat Polen nichts gewonnen

EM-Journal '16-15, 06-06-16. Türkei und Kroatien, das Ottakringer Duell

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Team Italia

Tor: Gianluigi Buffon (Juventus), Salvatore Sirigu (Paris St.Germain/FRA), Federico Marchetti (Lazio)

Abwehr: Andrea Barzagli. Leonardo Bonucci, Giorgio Chiellini (Juventus), Matteo Darmian (Manchester United/ENG), Mattia De Sciglio (Milan), Angelo Ogbonna (West Ham/ ENG),

Mittelfeld: Antonio Candreva, Marco Parolo (Lazio), Daniele De Rossi, Alessandro Florenzi, Stephan El Shaarwy (Roma), Tiago Motta (Paris St.Germain/FRA), Stefano Sturaro (Juventus), Federico Bernadeschi (Fiorentina), Emanuele Giaccherini (Bologna).

Angriff: Simone Zaza (Juventus), Graziano Pellè (Southampton/ENG), Ciro Immobile (Torino), Éder Citadin Martins = Éder (Internazionale), Lorenzo Insigne (Napoli)

Auf Abruf: Alex Meret (Udinese); Daniele Rugani (Juventus); Davide Zappacosta, Marco Benassi (Torino).

Verletzt sind die Kader-Fixstarter Mattia Perin (Genoa); Riccardo Montolivo (Milan), Claudio Marchisio (Juventus) und Marco Verratti (Paris St.Germain/FRA) sowie Alessio Cerci (Atletico Madrid/SPA).

In der Quali noch dabei waren: Manuel Pasqual (Fiorentina), Andrea Ranocchia (Sampdoria), Davide Astori (Fiorentina), Luca Antonelli, Andrea Bertolacci, Andrea Poli (Milan), Lorenzo De Silvestri, Roberto Soriano (Sampdoria), Alberto Aquilani (Sporting/POR), Manolo Gabbiadini (Napoli), Mattia Destro (Bologna), Sebastian Giovinco (Toronto/CAN) und der große Abwesende Andrea Pirlo (New York City/USA).

Out: Andrea Consigli (Sassuolo), Marco Sportiello (Atalanta Bergamo); Davide Santon (Internazionale), Domenico Criscito (Zenit St. Petersburg/RUS), Danilo Cataldi (Lazio Roma), Giacomo Bonaventura (Milan), Jorge Luiz = Jorginho (Napoli), Daniel Caligiuri (VfL Wolfsburg/D), Francesco Acerbi; Domenico Berardi, Nicola Sansone (Sassuolo); Lorenzo Tonelli (Empoli), Fabio Borini (AFC Sunderland/ENG), Franco Vázquez (Palermo), Alessandro Matri (Lazio), Armando Izzo, Leonardo Pavoletti (Genoa), Stefano Okaka (Anderlecht/BEL), Fabio Quagliarella (Sampdoria).

Italien zählt immer zum Favoritenkreis. Warum? Weil es Italien ist, unberechenbar. Vom beschämenden Aus in der Gruppenphase (2014, 2010) bis zum Durchmarsch ins Finale (2012, 2006) ist immer alles drin. Mit letztlich wenig Unterschied, was Personal und Coaching betrifft.

Italien ist eine Wundertüte der besonderen Art: eigentlich meint man den Inhalt gut zu kennen, kann aber nie einschätzen was dabei rauskommt.

Es ist (ich schwöre, die letzte schiefe Metapher) der Kuchen, der der Oma einmal super und dann wieder gar nicht gelingt. Und diesmal ist es besonders unmöglich vorher zu sehen - wiewohl die Zutaten ganz offen vor uns ausgebreitet sind.

Man könnte auch den Eindruck gewinnen, dass die Absichten der Squadra Azzurra bewusst verschleiert werden. Dafür sprächen einige Fakten: So hat Trainer Antonio Conte, der nach der Euro zurücktritt, in den beiden Jahren seiner Regentschaft auf mehr als 70 Spieler zugegriffen, das sind mehr als drei komplette EM-Kader. In der Vorbereitung sorgte er mit zwei vollgepfropften Trainingslagern mit einem Dutzend neu-berufener Testspieler für einige Verwirrung.

Und dabei sind (im Gegensatz zu einigen anderen Großmächten) kaum so richtig Junge dabei: ein paar 94er-Jahrgänge durften bei Trainingslagern reinschnuppern, Jungstürmer Bernardeschi ist mit 22 der jüngste in Frankreich. Das entspricht der italienischen Tradition, Spieler erst spät in die A-Mannschaft zu berufen.

Weshalb dann auch das 17-jährige Tormann-Supertalent Gianluigi Donnarumma, der bei Milan eine Top-Saison spielt, nicht einmal als Nummer 3 mitfahren darf (da wird nach der Verletzung der aufstrebenden Perin jetzt der müde Marchetti bemüht) sondern womöglich noch zwei oder gar vier Jahre warten muss.

Beim FIGC schwört man eben auf die langwierige Ausbildung nachrückender Kräfte, vor allem in gruppentaktischer und persönlichkeitsbildender Hinsicht.

Weshalb man sich dann schnell (und zurecht) von Leuten wie Mario Balotelli, dem Euro-Helden von vor vier Jahren trennt (Disziplinlosigkeit, gruppentaktisch schwach, egomanisch), andererseits perfekten Teamplayern wie Andrea Pirlo, Andrea Barzagli, Daniele de Rossi (der ist ja nur überhart, nie disziplinlos im taktischen Sinn) oder Gigi Buffon, also den Weltmeistern, ewig und drei Tage die Treue hält.

Wobei Pirlo, der Dauerbrenner, der schönste kleine Bartträger des letzten Fußball-Jahrzehnts, der seit letztem Oktober nicht mehr im Team-Einsatz war, jetzt doch nicht mitgenommen wird nach Frankreich. Zu weit entfernt ist es von allem: zum einen einer guten Form und zum anderen einem kompetitiven Wettbewerb, den Conte in der MLS (Pirlo spielt in New York) einfach nicht vermutet.

Mit Verratti, Marchisio und Montolivo (langjährigen verlässlichen Stammspielern), die sich allesamt verletzten, fällt Conte damit ein komplettes Einser-Mittelfeld aus, zwingt ihn zu zusätzlichen Experimenten.

Und trotzdem hat der permanente taktische Umbau, den der Coach in seiner Amtszeit vornahm, nichts mit diesen Personalien zu tun. Der Coach ist auf der Suche nach dem (jeweils zum Spiel/Gegner passenden) perfekten System, und da müssen dann halt andere hineinbeißen.

Sein Stamm-Personal für die Euro hat er jetzt ja.
Buffon wird im Tor stehen, wenn es nach ihm geht nicht einmal zum letzten Mal. Die Juve-Abwehr mit Chiellini, Barzagli und Bonucci wird, entweder zu dritt oder zu zweit vor ihm zumachen. In der vorsichtigeren Variante heißen die Außenspieler Darmain und De Sciglio, in der risikoreichen Candreva und El Shaarawy. Im zentralen Mittelfeld wird Florenzi der Fixstern sein, egal in welcher der vielen Optionen. Und vorne sind es mit Éder und Pellè die Angreifer mit den Accents, die den Unterschied machen sollen.

Das kann im Rahmen eines 3-5-2 passieren, aber auch innerhalb eines 3-4-3, aber auch als 4-4-2 oder gar 4-3-3. Und wir sprechen hier nur von der Ausgangsposition. Italienische Spieler, zumal jene, die durch die intensive Verbandsschule gegangen sind, verfügen über eine derart intuitiv eingeatmete Flexibilität, dass sie innerhalb des Spiels ohne Stirnrunzeln und ohne weiteres Nachfragenüber ihre neue Rolle in jede andere Formation umswitchen können.
Das ist Italien.
Und vielleicht ist auch das ein Grund für den Respekt der anderen; und dem Gefühl bei Zuschauern und Wettern, die ja kollektiv ahnen, dass sie mit den Azzurri rechnen müssen.

Mir gefiele das offensive 3-5-2, in dem Conte seine Teams zuletzt gegen die schwächeren Gegner geschickt hat, am besten.

Bestformation 1: Buffon; Chiellini, Barzagli, Bonucci; Candreva, Florenzi, Giaccherini, Motta/De Rossi, El Shaarawy; Éder, Pellè.

Weil er aber gegen Belgien beginnt, ist eher mit der vorsichtigen Variante zu rechnen: also Darmian und De Sciglio an den Flanken und einem kompakten Dreier-Mittelfeld.

Bestformation 2: Buffon; Chiellini, Barzagli, Bonucci; Darmian, Florenzi, Giaccherini, Parolo, De Sciglio; Éder, Pellè.

Offen ist noch, wer nach den vielen Ausfällen den zentralen Anker der Mittelfeld-Dreiers spielen soll: sind die Alten Motta und De Rossi noch 90Minutenfit? Kann Giaccherini das schon? Muss Conte Candreva ins Zentrum ziehen? Oder doch Florenzi? Nirgendwo hat Conte soviel herumprobiert wie hier. Seine verzögerte Entscheidungsfindung könnte also auch darauf hinauslaufen, dass er etwas völlig Unerwartetes ins Blankett zaubert. Etwa ein 4-4-2 mit beiden Außen-Paaren

Bestformation 3: Buffon; Darmian, Chiellini, Bonucci, De Sciglio; Candreva, Florenzi, Parolo, El Shaarawy/; Éder, Pellè.

Die käme ohne Bremser aus, wäre mit vier vorrangigen Offensivkräften die drängenste aller Aufstellungs-Variationen. Wuchtiger auch als die noch mögliche 4-3-3-Version, die einzige mit nur einer echten Spitze.

Bestformation 3: Buffon; Darmian, Chiellini, Bonucci, De Sciglio; Florenzi, Giaccherini, Parolo; Candreva, Pellè. El Shaarawy

Im Unterschied zu anderen Großmächten, die auf ihre strategische Flexibilität erhöhten Wert legen (und damit ist eh nur Deutschland gemeint, England und Portugal beherrschen eine Zweitstellung, Belgien kann das auch, Frankreich will eher gar nicht variieren) hat Italien seine verschiedenen Optionen schon allesamt diversen Elch- und Echtzeit-Tests unterzogen.

So gesehen ist die Squadra Azzurra die bestpräparierte Mannschaft des Turniers. Allerdings: das war sie auch 2014 oder 2010 eigentlich immer, außer damals unter (dem erfolglosen) Trapattoni. Sie bleibt also eine Wundertüte: wir wissen nicht, was wir zu erwarten haben Und in der Gesellschaft von vergleichsweise gut ausrechenbaren Kontrahenten (alle drei Gruppen-Gegner Italiens sind sogar höchst ausrechenbar...) und einem generellen Klima der Transparenz ist das eine zutiefst verdächtige Ausnahme.

Österreich-Aspekt: wird Italien zweiter und gewinnt Österreich die Gruppe F, sieht man sich im Achtelfinale. Fürs Viertelfinale gibt es zwei eher theoretische Möglichkeiten des Aufeinandertreffens. Wäre eh besser das zu vermeiden.

Bestformation: Buffon; Chiellini, Barzagli, Bonucci; Candreva/Darmian, Florenzi/Parolo, Giaccherini, Motta/De Rossi, El Shaarawy/De Sciglio; Éder/Zaza, Pellè.

Antonio Contes finaler Kader: Gianluigi Buffon (Juventus), Salvatore Sirigu (Paris St.Germain/FRA), Federico Marchetti (Lazio); Andrea Barzagli. Leonardo Bonucci, Giorgio Chiellini (Juventus), Matteo Darmian (Manchester United/ENG), Mattia De Sciglio (Milan), Angelo Ogbonna (West Ham/ENG); Antonio Candreva, Marco Parolo (Lazio), Daniele De Rossi, Alessandro Florenzi, Stephan El Shaarawy (Roma), Tiago Motta (Paris St.Germain/FRA), Stefano Sturaro (Juventus), Federico Bernadeschi (Fiorentina), Emanuele Giaccherini (Bologna); Simone Zaza (Juventus), Graziano Pellè (Southampton/ENG), Ciro Immobile (Torino), Éder (Internazionale), Lorenzo Insigne (Napoli). Große Abwesende: Claudio Marchisio (Juventus), Marco Verratti (Paris St.Germain/FRA), Riccardo Montolivo (Milan) und Andrea Pirlo (New York City/USA).