Erstellt am: 6. 6. 2016 - 19:12 Uhr
Future Present Past
"A Conversation with the Strokes", so nennt sich ein vor eineinhalb Wochen online veröffentlichtes, knapp zehnminütiges Video. Darin zu sehen: Die Strokes, die awkward auf einem Ledersofa hin- und herrutschen und Fragen beantworten. Fragen über die Alben, die sie gerne auf eine einsame Insel mitnehmen würden (die Berlin-Trilogie von David Bowie), gegen wen sie gerne Basketball spielen würden (Barack Obama) und welche Krankheit sich Schlagzeuger Fabrizio Morettis Freundin in Brasilien eingefangen hat (Zika).
So ganz nebenbei wird im Video aber auch ein neuer Release der Band angekündigt. Die EP "Future Present Past", to be released on June 3rd, ein bisschen über eine Woche später. Denn wir befinden uns im Zeitalter der Überraschungsveröffentlichungen, in dem der Zeitraum zwischen Announcement und Release immer kürzer und kürzer wird. Und so ist sie mittlerweile erschienen, die neue Platte der Strokes, die erste seit dem 2013 veröffentlichten Album "Comedown Machine".
Drei Lieder sind auf "Future Present Past" zu finden (plus ein Remix von Fabrizio Moretti). Die scheinen dabei strenger an den Namen der EP gekoppelt zu sein als noch bei anderen Releases. Denn gewollt oder ungewollt, die drei neuen Tracks der Strokes scheinen sich aktiv mit der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit der New Yorker Band und deren Leadsänger Julian Casablancas zu beschäftigen. Hier eine kleine chronologische Irrfahrt durch den Release.
Die Vergangenheit
Die "Past"-Referenz scheint klar zu sein am ersten Track der EP, "Drag Queen": Schon die erste Zeile nimmt uns auf eine Reise in die Vergangenheit, in eine verblasste VHS-Erinnerung der 80er Jahre: "80s people dancing, oooh. Always get it right. I'd listen but I can't tonight. I can't tonight, I can't tonight", singt, nein, lallt Julian Casablancas über einen Joy Division-Bassriff. "Well, it's something that you do to get it right. End up reviled for it. Yeah, that's the thanks I get."
Das ist jetzt natürlich nicht die tanzrockige Rückkehr im Stil von "Last Nite", die sich so mancher Fan gewünscht hätte, die Strokes scheinen das aber eh auch selber zu wissen. Dekonstruktion statt Rekonstruktion, ein Abdriften nicht in die eigene Vergangenheit, sondern in die eines ganzen Genres, rein in die Kälte des Post-Punk und der schwarz-weißen Dissonanz. "I did not know that, they're bringing me back to my past. I got my head in my hands."
Die Gegenwart
"Oblivius", eine Wortkreation aus "oblivious" und "us", scheint schon vom Titel her konkreter auf Julian Casablancas aktuellere Beziehungskomplikationen einzugehen. "Untame me. Cause this is my best advice. We're gonna give it back to you, some other day."
Es wird schon einen Grund haben, warum man sich "Oblivius" als die Single zu "Future Present Past" ausgesucht hat. Wie kein anderer Track auf der EP repräsentiert er den klassischen Strokes-Sound und wenn Julians Stimme im Chorus mit der zentralen Zeile "What side are you standing on?" verzerrt hereinkratzt, dann werden sogar kurz Erinnerungen an die Good Old Days der Strokes wach. Die Melancholie, die überwiegt am zweiten Track der EP aber deutlich: "Take off from the runway. Thinking of a sad day. Racing down the highway. Looking at me sideways."
The Strokes
"Future Present Past" von den Strokes ist auf Cult Records erschienen.
Die Zukunft
Optimistischer geht's da schon auf "Threat of Joy" zu: Drums und Gitarrenakkorde erinnern an Mitwipp-Klassiker wie "12:51" oder "Someday", Julian selbst scheint mit positivem Ausblick Richtung Zukunft zu schauen: "Okay, I see how it is now. You don't have time to play with me anymore. That’s how it goes, I guess. Fuck the rest. Be right there, honey!"
Gehört hat man das natürlich alles schon mal, von den Strokes selbst oder von deren Referenzen. Denn die große Herausforderung, vor der die New Yorker schon seit mehreren Jahren stehen, ist mehr zu werden als nur eine langsam dahinwelkende Nostalgieband. Der Fluch des Erfolgs der Strokes ist, an sich selbst gemessen zu werden, am eigenen hochqualitativen Output der frühen Alben. Und um zu beweisen, dass man da wieder hinkommen kann, wird es mehr brauchen als nur mal einen EP-Release.