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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

6. 6. 2016 - 10:36

Die Antwort auf Pixar?

Ein paar Überlegungen zum europäischen Blockbuster-Animationsfilm.

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Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit der polnischen Filmemacherin und Vorstandsvorsitzenden der Europäischen Filmakademie Agnieszka Holland ("The Secret Garden", "House of Cards", "The Wire") über die aktuelle Lage der Filmindustrie zu unterhalten. Mehr dazu gibt's später in der Woche, ein Zitat von ihr möchte ich aber auch gleich an dieser Stelle teilen: "Als ich in den 70er Jahren angefangen habe Filme zu machen, war die Verbindung zwischen dem Publikum und dem kunstvollen Kino noch viel größer als heute. Dann plötzlich hat sich das europäische Kino in zwei Richtungen geteilt: Die eine ist für einen Großteil des Publikums ziemlich obskur, Festivalfilme etwa, und auf der anderen Seite hat man komplett kommerzielle Produktionen."

"Capture the Flag", auf Deutsch "Einmal Mond und zurück" gehört sicher zur letzteren Kategorie. Der spanische Animationsfilm startet diesen Donnerstag in den Kinos und positioniert sich deutlich als europäische Antwort auf das US-Animationskino von Disney, Dreamworks und Co. Gleichzeitig demonstriert die Geschichte aber vor allem die Misere, in der sich der kommerzielle europäische Animationsfilm befindet: Die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis im Angesicht des Erfolges des US-Animationskinos.



Für eine gewisse Blütezeit des europäischen Animationsfilms in den 70ern und 80ern kann man zu einem ordentlichen Teil den großen belgischen und französischen Comickünstlern und ihren zeitlosen Schöpfungen danken, allen voran René Goscinny. Der Autor schuf nicht nur mit "Asterix" eine der wichtigsten popkulturellen Figuren Europas, sondern auch mit "Lucky Luke" eine pointierte Parodie auf das Westerngenre und die Wild-West-Romantik der USA.

Beide Figuren wurden mehrmals auch im Animationsfilm verewigt, wobei im Fall Lucky Luke besonders der 1971er Film "Daisy Town" hervorsticht. Asterix erreichte hingegen möglicherweise mit dem hervorragenden "Asterix erobert Rom" aus dem Jahr 1976 seinen Zenit. Und zufälligerweise war es bei beiden Serien der Sprung in den Echtfilm, der das langsame Ende ihrer großen Popularität als Animationen besiegeln sollte: Gérard Depardieu und sein Obelix und Til Schweiger und sein Lucky Luke bleiben hier vor allem in Erinnerung.



Aus Großbritannien kam die bedeutende Animation dank Aardman Animations Anfang der 2000er in die Kinos. Der Erfinder Wallace und sein Hund Gromit feierten schon am Small Screen Erfolge, mit "Chicken Run" zelebrierten Aardman aber ihr Feature-Debüt in Zusammenarbeit mit Dreamworks und machten an die 225 Millionen Dollar.

Mittlerweile ist es die französische Produktionsfirma StudioCanal (und damit Entertainmentriese Vivendi), die sich um die Filme von Aardman kümmert. Letztes Jahr erschien "Shaun das Schaf" als Film im bekannten Stil des Studios, im Jahr 2018 soll mit "Early Man" die Entstehungsgeschichte des Menschen aufbereitet werden. Oscar-Gewinner Eddie Redmayne wird dabei die Hauptrolle sprechen.

Wallace und Gromit

Aardman Animations

"Wallace & Gromit"

So erfolgreich Aardman Animations mit ihrem ganz eigenen Zugang zum Animationsgenre auch sind, so schwer tun sich andere Kreativschmieden damit. Die eigentlich auch ganz gute, französisch produzierte Neuauflage von "Der kleine Prinz", die im Dezember 2015 ihre Premiere bei uns feierte, ist dafür ein passendes Beispiel: Während das Buch selbst auf einen der ikonischsten Zeichenstile der Literatur zurückgreift (die Illustrationen von Antoine de Saint-Exupéry selbst), inszeniert sich die filmische Umsetzung großteils als CGI-Feuerwerk im Stil von Filmen wie "Cloudy with a Chance of Meatballs" oder "The Incredibles".

Auch das Team hinter dem Film lässt auf gewisse Blockbusterstandards zurückschließen: "Kung Fu Panda"-Autor Mark Osborne schrieb das Skript, Jeff Bridges, Rachel McAdams und Paul Rudd sprechen die Hauptcharaktere und Hans Zimmer zeichnet sich natürlich für den Soundtrack verantwortlich.

Ganz ohne großen Cast, aber dafür noch viel klischeehafter kommt der oben erwähnte, diese Woche in den Kinos erscheinende spanische Animationsfilm "Capture the Flag" aus. Mit seiner stereotypen Kopie von klassischer US-Kultur wirkt der Film fast wie einer dieser bizarren italienischen Trashfilme aus den 80ern und 90ern, die versuchten, die kulturellen Konstrukte Amerikas zu vermitteln, dabei aber nicht weit über Burger, Milkshake und Cowboystiefel hinausgekommen sind.

Der kleine Prinz

Paramount Pictures

"Der kleine Prinz"

"Capture the Flag" erzählt die Geschichte des richtig amerikanisch benannten Mike Goldwing, eines Teenagers aus einer Familie von NASA-Astronauten, die mit dem, ja, cowboystiefeltragenden Multimilliardär Richard Carson ein Wettrennen zum Mond veranstalten, um als Erste die dort in den 60er Jahren hinterlassene US-Flagge zu erreichen.

Abgesehen davon, dass "Capture the Flag" auch leider kein guter Film geworden ist, zeigt er deutlich die Problematik, in der sich Teams hinter massentauglichen, kommerziellen Produktionen schnell wiederfinden: Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, wird in Richtung der Filme geblickt, die das geschafft haben. Zu Filmen wie "Up!" und "Kung Fu Panda", "Minions" und "Toy Story". Und da verirrt man sich dann schon mal ganz schnell in den Mustern des Referenzmaterials.

Gute europäische Animationsfilme gibt es viele, nur wird ein großer Teil davon leider kaum von einem Mainstreampublikum wahrgenommen. Was schade ist, denn dadurch geht die Chance verloren, einen eigenen Zugang zum Genre zu finden und gleichzeitig einen satirischen Blick auf die europäische Kultur zu werfen. So wie das eben Asterix schon vor 60 Jahren perfekt gelungen ist. Filme wie "Capture the Flag", die einfach nur versuchen, bereits anderswo erfolgreich angewendete Vorlagen zu replizieren und damit ein breites Publikum zu unterhalten, sind aber ziemlich sicher nicht die Antwort.