Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. EM-Journal '16-10, 02-06-16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 6. 2016 - 14:13

The daily Blumenau. EM-Journal '16-10, 02-06-16.

Jeder glaubt das deutsche Team zu kennen, dabei ist es die große Variable der Euro; dank Jogi 'Pep' Löw.

#emjournal16 #fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16

EM-Journal '16-8, 01-06-16: Das Hymnen-Debakel und andere Erkenntnisse des Malta-Tests

EM-Journal '16-2, 12-05-16: Der finale ÖFB-Kader für die #Euro16

EM-Journal '16-1, 11-05-16: Ein erster Check von Island und Ungarn

EM-Journal '16-4, 25-05-16: Portugal bleibt Favorit - nur für den Gruppensieg

EM-Journal '16-3, 20-05-16: Ewiger Geheimfavorit England

EM-Journal '16-5, 27-05-16: Wie sich der Krieg auf die Chancen von Russland und Ukraine auswirkt

EM-Journal '16-6, 30-05-16: Die Schweiz erwischt die Euro in Unform

EM-Journal '16-7, 31-05-16: Belgien, nicht mehr geheimer Geheimfavorit

EM-Journal '16-9, 01-06-16: Zlatan der Letzte; schwedische Probleme

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Der finale DFB-Kader

Tor: Manuel Neuer (Bayern München), Marc-André ter Stegen (Barcelona/SPA), Bernd Leno (Bayer Leverkusen).

Abwehr: Jérôme Boateng (Bayern München), Mats Hummels (Borussia Dortmund), Benedikt Höwedes (Schalke 04), Shkodran Mustafi (Valencia/SPA), Emre Can (Liverpool/ENG), Jonas Hector (Köln). Für den verletzten Antonio Rüdiger (AS Roma/ITA) nach-nominiert wurde Jonathan Tah (Leverkusen).

Mittelfeld: Sami Khedira (Juventus/ITA), Bastian Schweinsteiger (Manchester United/ENG), Joshua Kimmich (Bayern München), Julian Weigl (Borussia Dortmund), Toni Kroos (Real Madrid/SPA), Mesut Özil (Arsenal/ENG), Julian Draxler, André Schürrle (VfL Wolfsburg), Leroy Sané (Schalke 04).

Angriff: Lukas Podolski (Galatasaray/TUR), Mario Götze, Thomas Müller (Bayern München), Mario Gomez (Beşiktaş/TUR).

Auf Abruf: Sebastian Rudy (Hoffenheim), Julian Brandt, Karim Bellarabi (Bayer Leverkusen) und der verletzte Marco Reus (Borussia Dortmund)

Verletzt: Ilkay Gündogan (Borussia Dortmund), Holger Badstuber (Bayern München).

Zurückgetreten: Philipp Lahm (Bayern München), Per Mertesacker (Arsenal/ENG), Miroslav Klose (Lazio Rom/ITA)

In der Quali noch dabei: Roman Weidenfeller; Erik Durm, Matthias Ginter (Borussia Dortmund); Christoph Kramer, Lars Bender (Bayer Leverkusen), Patrick Hermann (Borussia Mönchengladbach), Kevin Volland (Hoffenheim), Max Kruse (VfL Wolfsburg).

Considered: Kevin Trapp (Paris Saint-Germain/FRA), Ron-Robert Zieler (Hannover 96).
In Ungnade: Marcel Schmelzer (Borussia Dortmund). Roman Neustädter (Schalke 04) spielt jetzt für Russland.

Out: René Adler (Hamburger SV), Sven Bender, Gonzalo Castro (Borussia Dortmund), Robert Huth (Leicester City/ENG), Heiko Westermann (Betis Sevilla/SPA), Philipp Wollscheid (Stoke/ENG), Kevin Großkreutz (VfB Stuttgart), Andreas Beck (Beşiktaş/TUR), Sidney Sam; Max Meyer, Leon Goretzka (Schalke 04), Christian Träsch, Maximilian Arnold (VfL Wolfsburg), Lewis Holtby, Aaron Hunt, Nicolai Müller (Hamburger SV), Marko Marin (Trabzonspor/TUR) und Stefan Kießling (Bayer Leverkusen).

Als die ÖFB-Auswahl vor einer Woche beim Trainingslager-Test gegen den Schweizer Sechstligisten US Schluein Ilanz mit einem 5-4-1 antrat, sorgte das bei jenen, die das erkennen konnten (also eh nicht übermäßig vielen) für ein fragenden Stirnrunzeln. Dreierkette, de-facto-Fünfer-Abwehr mit einer Raute davor? Gegen wen, zum Teufel, würde man in einer so vorsichtigen Formation antreten wollen? Für welchen Gegner diese Übung? Portugal oder einer der echt Großen dann im Viertelfinale? Marcel Koller hat seine Mannschaft so auf das hybride 4-2-3-1-offensiv, 4-4-1-1-defensiv eingeschworen, dass jede Abweichung erst einmal pervers erscheint.

Als dann am Sonntag die DFB-Auswahl seinen Test gegen die Slowakei, also keinen übermächtigen Gegner mit der exakt selben Formation bestritt, zuckte keinerlei Experten-Muskel. Denn Joachim 'Jogi' Löw, der Trainer-Guru, der Frank Stronach zu unglamourös für die Austria war, macht mittlerweile praktisch jedes Spiel was Neues. Vor allem in den Testspielen: sechs verschiedene Grundformationen in den sechs Freundschaftsspielen der letzten Monate: neben dem 5-4-1 auch 3-4-2-1, 4-2-3-1, 3-4-3, 4-3-3 und 3-1-4-2.

Zugegeben, in den Bewerbspielen gibt es Löw ein wenig konservativer: da switcht er in zehn Matches nur zwischen drei grundsätzlichen Spielanlagen: meist ist es ein 4-2-3-1, manchmal 3-5-2, einmal auch ein 4-4-2. Und im letzten Turnier wich Löw nie von seinem (damals allerdings im Vorfeld unerwarteten) 4-3-3 ab - wenn er auch das Personal wie wild würfelte und schüttelte.

Löw hat also mittlerweile seine Guardiola verinnerlicht; und weiterentwickelt. Denn auf die Möglichkeiten, die der Pep-Gott zuletzt bei Bayern München hatte (tägliches Training, täglicher Zugriff, permanentes Menschenformen) kann der Nationalcoach nicht zugreifen: ein paar Trainingslager übers Jahr reichen eigentlich nur zur Auffrischung von bereits (im Kollektiv) Gelerntem.

Weil Löw aber seine Truppe im Kern so seit einigen Jahren zusammen hat, also etwa mit Neuer, Boateng, Hummels, Höwedes, Khedira, Kroos, Schweinsteiger, Götze, Schürrle, Özil, Müller, Podolski oder Gomez ins bereits dritte Turnier geht, neun davon schon 2010 dabei hatte und letztlich schon seit 2006 an einer Verselbstständigung von Philosophie und Abläufen arbeitet, kann er die zeitlichen Lücken kompensieren.

Der Weltmeister (und da sind noch 14 dabei) kann also Switchen, ist gedanklich flott genug um in verschiedene System zu schlüpfen. Die Jungen die dazukommen (wie Can, Rüdiger, Hector und jetzt, ganz frisch Kimmich, Weigl oder Sané) saugen das neue Wissen mit großer Selbstverständlichkeit auf und ergänzen das Kollektiv - in der Hoffnung (und auch der Sicherheit) dann in drei, vier Turnieren ihrerseits bereits die big player zu sein, die ihr Wissen an die dann Neuen weitergeben können. Und in der aktuellen U21 lauern schon die nächsten, die andocken wollen; und auch können.

So funktioniert die DFB-Teambuidling-Arbeit. Und um nicht einzuschlafen auf den Lorbeeren, orientiert sich Jogi Löw dann eben am Allerbesten und spielt es wie Pep, shuffelt die Systeme durch, im Versuch, die Gegner in permanenter Unsicherheit zu wiegen.

Deutschland ist - vor allem in Österreich - der EM-Teilnehmer, den jeder kennt. Und trotzdem kann keiner sagen, was Löw bei der Euro machen wird. Wir können nur beobachten, Polizei/Recherche-Arbeit machen, Stärken & Schwächen analysieren und daraus Schlüsse ziehen.

Der DFB verfügt über ein Angebot an defensiven wie offensiven Mittelfeldspielern, bei dem jeden Konkurrenten der Neid frisst. Selbst Ausfälle von die Gündogan oder Reus jucken das deutsche Team nicht einmal im Ansatz. Dazu kommt ein Welttorhüter und eine der besten Innenverteidigerpaare des Planeten: und selbst wenn Mats Hummels nicht fit genug fürs erste Spiel ist, wird sich sein Lieblingsnachbar dann eben mit Höwedes oder Mustafi oder Rüdiger hinstellen. Vorne hat sich Gomez nach langer Krise wieder zum Super-Mario entwickelt und kann durch einen der vielen hochklassigen falschen Neuner ersetzt werden.

Nur bei den Außenverteidigern hakt es. Nicht erst seit Philip Lahms Rücktritt: der kleine Bayern-Kapitän hat auch immer nur auf einer Seite gleichzeitig spielen können. Seitdem und der Verbannung von Schmelzer, der trotz deutlicher Verbesserung nicht mehr berufen wird, hat sich die Problemzone verdoppelt.

Löw entgegnet dem mit dem Klassiker des Ummodelns von jungen (und auch alten, Stichwort Höwedes) Innen- zu Außenspielern: Can, Rudy, Rüdiger... Als gelernter Linksverteidiger bietet sich nur Hector an, der allerdings auch nicht wirklich besser als Schmelzer ist. Alles Gründe, warum Deutsche immer wieder wegen Alaba (der allerdings auch kein echter Außenverteidiger ist, und das nur spielt, weil sich das Problem durch die ganze Bundesliga zieht) herumsempern.

Den Mut mit einer Dreier-Abwehr und offensiv eingestellten Außenspielern, also einem echten Fünfer-Mittelfeld anzutreten, fand Löw bis dato nur eineinhalbmal, gegen Gibraltar (mit Hermann und Bellarabi) und in einem Test gegen Australien wieder mit Bellarabi). Bezeichnenderweise sind beide nicht im EM-Kader, ebenso wenig Rudy, der seine Rolle als Rechtsverteidiger gegen die Slowakei auch ausgesprochen offensiv interpretierte. Spricht alles für ein Weiterwursteln mit Behelfs-Konstrukten - da hat sich seit der letzten WM nichts geändert.

Und das ist schon verwunderlich: da hat ein strategisch mittel/langfristig planendes Team zwei Jahre Zeit um eine Problemzone zu fixen und kriegt es nicht wirklich hin. es wird nicht diese Achillesferse sein, die Deutschland auch bei diesem Turnier schlagbar macht; es wird wenn überhaupt, eine schwache Chancen-Verwertung im Verbund mit einer generell auf Risiko spielende Abwehr sein, die das DFB-Team in Zeitnot bringen könnte.

Das ist eine ganz bewusste Verwendung des Konjunktiv, aber echt. Denn: Die Mannschaft ist auch weiterhin so gut, das Trainerteam auch weiterhin so gesalbt, die Bedingungen rundherum auch weiterhin so gesettelt, dass alles andere als ein Vorstoß unter die letzten 4 eine echte Überraschung wäre.

Wobei die Auslosung es - jenseits der Gruppe - nicht unbedingt supergut mit den Deutschen gemeint hat. Als Sieger der Gruppe C trifft man auf zu einer hohen Wahrscheinlichkeit auf einen wenig gefährlichen Gruppen-Dritten - ein Grund weshalb Österreich darauf achten sollte unter die Top 2 zu kommen, sonst ist eine frühe Begegnung denkbar. Im weniger wahrscheinlichen Fall, dass die Deutschen nur Gruppenzweite werden, kommen sie gegen den Zweiten der Gruppe A - also auch niemanden, der Angst machen muss. Fürs Viertelfinale würde dieser Weg aber womöglich schon Spanien bedeuten. Als Gruppensieger würde man im Viertelfinale hingegen wohl auf den Sieger der Belgien/Italien-Gruppe treffen. Und das ist schon die schwerstmögliche Aufgabe. Die andere potentielle Konfrontation von Gruppensiegern im Viertelfinale hätte England, gegen das man sich traditionell leichter tut, bereitgehalten.

Wiewohl: die Testspiel-Niederlage gegen die three lions war zum Einen verdient, und passierte mit dem potentiellen Startsystem (4-2-3-1) und fast schon in Bestbesetzung. Genau dann wäre der Griff von Pep Löw in die Trickkiste also von Vorteil.

Bestformation: Neuer; Can/Rüdiger, Boateng, Hummels, Hector/Höwedes; Khedira, Kroos; Müller, Özil/Schürrle/Götze; Gomez.

Der finale Kader: Manuel Neuer (Bayern München), Marc-André ter Stegen (Barcelona/SPA), Bernd Leno (Bayer Leverkusen); Jérôme Boateng (Bayern München), Mats Hummels (Borussia Dortmund), Benedikt Höwedes (Schalke 04), Shkodran Mustafi (Valencia/SPA), Emre Can (Liverpool/ENG), Antonio Rüdiger (AS Roma/ITA), Jonas Hector (Köln); Sami Khedira (Juventus/ITA), Bastian Schweinsteiger (Manchester United/ENG), Joshua Kimmich (Bayern München), Julian Weigl (Borussia Dortmund), Toni Kroos (Real Madrid/SPA), Mesut Özil (Arsenal/ENG), Julian Draxler, André Schürrle (VfL Wolfsburg), Leroy Sané (Schalke 04), Lukas Podolski (Galatasaray/TUR), Mario Götze, Thomas Müller (Bayern München), Mario Gomez (Beşiktaş/TUR). Große Abwesende: Marco Reus, Ilkay Gündogan (Borussia Dortmund).