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Pia Reiser

Filmflimmern

2. 6. 2016 - 12:45

Ein Held mit Man Bun

Ein experimenteller Actionfilm, ein Low-Budget-Epos, das Ironie umschifft und eine visuelle Augenweide ist. "Menandros und Thais" ist ein bildgewaltiges, brutales, unzähmbares Monster von einem Film.

"Menandros und Thais" feiert heute, 2. Juni im Burgkino Wien Premiere und wird dann von 4.-8. Juni noch ebenda gezeigt.

Zusammenbringen, was genretechnisch nicht zusammengehört und so Erwartungshaltungen zu sprengen und Krusten in Herz und Hirn aufzulösen, gehört mitunter zu dem, was das Kino so großartig macht. Sei es nun ein Musical über Hitler, ein Mafiafilm mit Kinderdarstellern, Romeo und Julia, die zur Musik der Cardigans tanzen oder ein Film über Depression mit Puppen. Oder eben ein Film, in dem die Antike auf Zuckerwatte, ein Krieger im Lendenschurz auf Buffalo Bill trifft und eine Hexe durch einen Schleier Zigarette raucht.

Jessyca R Hauser

ANTONÍN ŠILAR ONDŘEJ CIKÁN

"Menandros und Thais" heißt das herrliche Monster von einem Film, das Autor Ondřej Cikán und Bühnenbildner Antonín Šilar als Regisseure geschaffen haben - in fünf Jahren Arbeit. Ohne nennenswerte finanzielle Förderungen, aber mit an die 300 Mitwirkenden. "Menandros und Thais" - beruhend auf dem gleichnamigen Roman Cikáns, der 2011 erschienen ist, spielt von Anfang an mit Elementen der Verstörung. Lehnen sie sich lieber nicht gemütlich im Kinosessel zurück, ihre Sehgewohnheiten werden Augen machen. In Vogelperspektive beginnt das Drama seinen Lauf, zwei Floße legen an einem kleinen Steg an, auf einem steht Menandros, auf einem Thais. Aber auch: auf einem steht "Menandros" in großen weißen Lettern, auf einem "Thais", auf dem Steg kann man "et" lesen. Eine wunderschöne Titelsequenz.

Jakub Gottwald

ANTONÍN ŠILAR ONDŘEJ CIKÁN

Die Namen klingen nach Antike, die Sprache ist poetisch und metaphernschwer und kommt gerne aus dem Off. Gesprochen wird deutsch, tschechisch und finnisch. Auf die Fülle der süßen Zärtlichkeit und des unendlichen Glücks freut sich Menandros flüsternd während wir - erneut aus der Vogelperspektive - das Paar auf einem Bett liegen sehen und Thais plörtzlich vom Bett gezogen wird - aus dem Bild raus. Entführt von Piraten, wie wir gleich erfahren und für Menandros, herzgebrochen, wütend, zerstört, beginnt die Suche nach Thais, die ein Abenteuer von epochalem Ausmaß wird.

In dieser kleinen Szene, in der Thais vom Bett gerissen wird - rasch gezogen von einer einzigen Hand, zeigen Regisseure Cikán und Šilar, dass sie Meister darin sind, mit einfachen Mitteln einen größtmöglichen Effekt zu erschaffen. Das muss man natürlich auch, wenn man mit einem No- bis Low-Budget ein so ambitioniertes Projekt auf die Leinwand bringen will, aber nicht jeder kann die Not tatsächlich in eine Tugend umwandeln. Oft schreien einem ja diese Mangelerscheinungen dann geradezu von der Leinwand entgegen, manche derart gemachten Filme sind ja am Ende nur ein trauriger Hinweis auf das Fehlen der Mittel.

ANTONÍN ŠILAR ONDŘEJ CIKÁN

"Menandros und Thais" aber birst mit visuellen Ideen, mit wohlkomponierten Bildern und hat keine Angst vor Pathos. Menandros, der mit Schwert und antiker Kampfkleidung auf einer verlassenen Straße läuft, während Ampeln blinken, Thais im Abendkleid in einem Feld sitzend, drei Damen beim Tee in einem Wohnzimmer, an dem wohl David Lynch große Freude gehabt hätte. Es sind herrliche Bilder, die der Film liefert. Und grausame. Hier fließt nicht nur Herz- sondern auch Kunstblut. Und bei all den gezückten Schwertern und Schlachten ist es Cikán und Šilar umso höher anzurechnen, dass sowas wie "Trash" einem nie in den Sinn kommt, während man den Film sieht. Denn ironisch kann man schnell mal einen Mann mit Beiwagenmaschine und Buffalo Bill an einem Kampf teilnehmen lassen oder seinen Helden mit einem Panzer durch eine Wiese fahren lassen. Aber die Ironie bleibt - fast durchgehend - außen vor.

ANTONÍN ŠILAR ONDŘEJ CIKÁN

In meiner Lieblingsszene verwandeln sich Menandros und sein treuer Diener Eudromos aus Rabengestalt wieder in Menschen zurück - die beiden sieht man von oben ins Bild fallen und hinter ihnen her schweben schwarze Federn zu Boden. So einfach und so effizient und so wunderschön. Wie in einem tschechischen Märchenfilm erklärt Ondřej Cikán im Interview und wir einigen uns darauf, dass manchmal CGI Totengräber dessen ist, was auf der Leinwand magisch anmuten soll.

Ein Sandalenfilm wie "Troja" hatte an die 150 Millionen Dollar Budget - mit so einem Budget, so Cikan, würde es wohl ein paar technische Fehler nicht geben, doch auch mit mehr Budget würde er im Grunde den gleichen Film machen wollen. Und sein Co-Regisseur Antonín Šilar sei ein Megalomane, dem würde wohl noch einiges Großartiges einfallen, was man denn mit dem Geld auf der Leinwand anstellen könnte. Die Schauspieler würde er auch mit einem Riesenbudget nicht auswechseln. Aber Cikán und Šilar wissen auch um die Grenzen von Laiendarstellern und so wurden manche Dialog-Passagen von anderen Schauspielern im Studio eingesprochen. Ein Effekt der Verfremdung setzt ein, it's not a bug, it's a feature.

ANTONÍN ŠILAR ONDŘEJ CIKÁN

Wie der Mann, der Worte (Schriftsteller Cikán) und der Mann der Bilder (Bühnenbildner Šilar) hier ein fantastisches Monstrum von einem nichteinordenbaren Film geschaffen haben, der einem ein paarmal visuell k.o schlägt, sollten sich alle, die über ein bisschen Sitzfleisch verfügen und keine Berührungsänsgte mit Überhöhung haben, ansehen. Ein Herzbluthochdruck und Kunstblutrausch.