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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

3. 6. 2016 - 15:13

Parallelgesellschaft FPÖ-Medien

Über Propaganda, die als seriöser Journalismus daherkommt und was der Qualitätsjournalismus tun kann, um glaubwürdiger zu erscheinen. Zum Beispiel: Gerüchte recherchieren und - wenn sie falsch sind - widerlegen.

Die FPÖ verlässt sich schon lange nicht mehr auf die klassischen Massenmedien, um ihre Botschaften an das Publikum zu bringen. Vielmehr hat sie eine Medienparallelwelt aufgebaut, die vor allem via Facebook ihr Publikum erreicht und ihnen darlegt, dass sie hier die "echteren", weil ungefilterten Nachrichten bekommen.

Abgespalten von Massenmedien

"In den letzten Jahren hat da etwas stattgefunden, was von der Öffentlichkeit noch nicht so richtig bemerkt wurde", sagt der grüne Nationalratsabgeordnete Karl Öllinger, der mit seinem Blog stopptdierechten.at die Medienstrategie der FPÖ genau beobachtet. "Nämlich, dass sich nach meiner Schätzung ein halbe bis eine Million Menschen völlig von der Information durch öffentliche Medien verabschiedet haben und geschlossenen Botschaftsgebäuden folgen, die u.a. die Freiheitlichen errichtet haben." Mit FPÖ TV-Beiträgen, die vor allem auf Facebook eingebunden werden und mit der Seite unzensuriert.at hat die FPÖ eine Parallel-Medienwelt errichtet, die in Europa ihresgleichen sucht, meint Öllinger.

Auch Fritz Hausjell, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Wien, meint, dass es eine Medien-Parallelgesellschaft gibt: "Das ist sicher problematisch, weil man an diesen Teil der Gesellschaft nicht mit anderen Informationen herankommt."

Parteimedien oder Wahrheitsmedien?

Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell

Fritz Hausjell

Die restliche Medienwelt hat diese Entwicklung verschlafen. Vor allem auf Facebook war die FPÖ mit ihrer Strategie lange Zeit alleine. "Die Frage ist: warum hat das die andere Seite der Politik diese Medien nicht so stark beackert, wie das die FPÖ gemacht hat?", sagt Hausjell. Parteimedien gibt es schon seit langem - man denke nur an die SPÖ-nahe Echomedia und Medienhäuser die anderen Parteien nahe stehen. Parteizeitungen wurden aber in den letzten Jahren weder besonders ernst genommen noch viel gelesen. Die Parteien selbst haben sie als antiquiert wahrgenommen, sagt Hausjell.

Gefährliche Rede von der Lügenpresse
Ein Begriff, der im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts ebenso präsent war wie in der NS- oder DDR-Propaganda, ist wieder salonfähig geworden. Artikel von Fritz Hausjell in der Furche.

Die FPÖ-Medien stellen sich aber weniger als Parteimedien dar - sondern als Wahrheitsbringer im Gegensatz zu den etablierten Medien. Schon die Facebookseite der FPÖ ist nicht als "Public Figure" oder "Politik" gekennzeichnet, sondern hat sich selbst als "News/Medien"-Seite eingestuft. Im Gegenzug dazu werden klassische Medien als Systemmedien und als Lügenpresse diffamiert. Letzteres ist ein Begriff, der von der deutschen PEGIDA-Bewegung übernommen wurde - der aber schon eine längere Geschichte (von Nazizeit bis DDR) hinter sich hat.

"Der Aufbau des Konstrukts Lügenpresse ist ein wichtiges Ziel dieser Seiten", sagt Andre Wolf vom Verein mimikama, der gegen Falschmeldungen im Internet kämpft. "Denn indem man die Mainstream-Medien als 'Lügenpresse' diffamiert, stellt man sich selbst dem als 'Wahrheitspresse' gegenüber. Obwohl man selbst faktenlos berichtet und im Grunde selber die Lügenpresse ist."

Anmutung live und unmittelbar

Norbert Hofer sitzt nach der Präsidentschaftswahl in seinem Dankesvideo für Facebook in einem nicht-ausgeleuchteten Büro in seinem Haus in Pinkafeld und spricht in die Webcam. FPÖ-Pressekonferenzen werden auf Facebook live gestreamt. So geben sich die FPÖ-Medienprodukte den Anschein der Unmittelbarkeit und Echtheit.

"Da wird mit Mitteln gearbeitet, die wir als 'live' und 'ungeschnitten' kennen. Bis hin zu verwackelter Kamera, wie man das aus Filmen kennt“, sagt Medienforscher Fritz Hausjell. "Das wird von den ZuseherInnen als vermeintlich ‚authentisch‘ begriffen. Es bietet aber lediglich authentisch die eine Sichtweise, mehr nicht."

Neue Journalismus-Strategien

Um den Vertrauensverlust gegenüber den klassischen Medien aufzufangen, muss der Qualitätsjournalismus seine Strategien ändern, sagt Hausjell. Sie müssten viel deutlicher als bisher darlegen, nach welchen Prinzipien sie arbeiten, was wie berichtet wird und warum. "Aber auch, warum sie gelegentlich etwas nicht berichten! Weil vor allem da kommt ganz schnell die Seite, die Verschwörungstheorien und ein Schweigekartell wittert."

Als Beispiel nennt Fritz Hausjell Gerüchte. Derzeit funktioniert es so: wenn ein_e Journalist_in ein Gerücht anrecherchiert und sich dieses als nicht-haltbar erweist, dann gibt es auch keinen Bericht. "Da muss Journalismus heute anders reagieren", meint Hausjell. "Gerade weil in den sozialen Medien so viel mit bewusst gestreuten Gerüchten gearbeitet wird. Daher ist es notwendig diese Gerüchte weiterhin zu recherchieren, aber darüber auch Geschichten zu bringen!" So könnte man transparent machen, welche Gerüchte gerade im Umlauf sind, wie man die versucht hat zu klären und was das Ergebnis ist. "Das Tüpfelchen auf dem I wäre dann noch, wenn man den Urheber dieser Gerüchte finden und nennen könnte", so Hausjell.

Gerüchte widerlegen

Was sich Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell von den Qualitätsmedien wünscht, macht der Verein mimikama, der Falschmeldungen und Fakes im Internet nachgeht und sie widerlegt. Die Internetplattform verlässt sich auf viele Freiwillige bei der Recherche, wird aber nur von zwei Leuten nach außen repräsentiert. Sie bekommen derzeit mehrere Medien- und Interviewanfragen täglich zu verschiedensten Hoaxes im Internet. Das zeigt, wie gefragt die Arbeit von mimikama ist.

Auch mit FPÖ-Inhalten hat mimikama immer wieder zu tun, sagt Andre Wolf. Oft werden von der FPÖ oder von nahestehenden Seiten Informationen über Flüchtlinge oder Migranten ungenau oder im falschen Kontext wiedergegeben: "Ein Extrembeispiel war - das ist noch nicht ganz ein Jahr her - da hieß es, in Döbling habe es Überfälle auf zwei Supermärkte gegeben, namentlich auf Hofer und Billa. Das wurde auf einer großen Facebook-Seite wiedergegeben. Wir konnten - auch mithilfe von Stellungnahmen von Billa und Hofer - beweisen, dass es keinerlei Überfälle auf die Supermärkte gab."

Das ist nur ein Beispiel, wie man Gerüchten zu Leibe rücken kann. Das Problem ist nur, dass Facebook mit seinen Algorithmen der Wahrheitsfindung oft einen Streich spielt – da viele Leute wegen dem "more oft the same" in der Timeline die Auflösung ja gar nicht mehr in ihre Blase gespült bekommen.

Auch Suchmaschinen werden von Alternativ-Medien, wie es zum Beispiel unzensuriert.at eines ist, überlistet: "Die nennen sich gegenseitig als Quelle und kopieren ihre Inhalte oftmals eins zu eins", sagt Andre Wolf. "Das hat einen positiven Suchmaschinen-Effekt. Denn wenn ich nach dieser Information suche, bekomme ich auf einmal eine große Menge an Suchergebnissen, die alle den selben Inhalt haben. Für mich als ungeübten Leser kommt das so rüber, als ob diese Information unheimlich weit verbreitet wäre. Dabei hat einer vom anderen abgeschrieben und es gibt nur eine Quelle, die oftmals nicht einmal faktenbasiert ist."

Medienkompetenz lernen

Im Endeffekt geht es darum, Menschen Medien-Kompetenz beizubringen, und zwar schon ab der Schulzeit. Dass man sich bei Erhalt einer Information fragt: Woher kommt sie und gibt es diese Information auch aus einer anderen Quelle? Das ist ein klares Versäumnis des österreichischen Bildungssystems. Aber auch für die bereits dem Schulsystem Entwachsenen müsste man sich hier etwas überlegen, sagt Fritz Hausjell: "Solange das nicht gemacht wird, geht die Strategie der FPÖ auf".