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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

1. 6. 2016 - 14:03

R.I.P. Thomas Fekete

Der Gitarrist der Band Surfer Blood ist im Alter von 27 Jahren an Krebs gestorben.

Es war einer dieser heißen Sommertage in New York. Und Coney Island ist geizig, was das Spenden von Schatten betrifft. Sogar die Planken des berühmten Piers schienen sich in der Luftspiegelung vor Hitze zu biegen. Die Jungs von Surfer Blood hatten sich gerade auf einer Parkbank am Boardwalk zusammengerauft. Im Hintergrund erklangen die ersten Riffs des Siren Music Festivals. Vor uns erstreckte sich der Strand von Coney Island. Ich fingerte an meiner Kamera rum und gab der Band Anweisungen für Posen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was es war, vielleicht ein Fanzuruf vom Boardwalk, vielleicht ein Kollege, aber als ich den Auslöser drückte, blickte die Band nicht in die Linse, sondern in Richtung Strand.

Surfer Blood

Christian Lehner

Thomas Fekete im Zentrum des vollen Lebens

Welch glücklicher Zufall! Diese Aufnahme ist eines meiner Lieblingsfotos aus meiner Zeit in New York. Sie hat nicht nur wegen der Farbgebung etwas von einem Portrait aus den 60s, sondern auch wegen der Bewegungen im Bild. Man möchte beinahe von Unschuld sprechen. Das Foto zeigt eine junge Band am Sprung zum großen Erfolg. In diesem unkontrollierten Moment wird das Feuer sichtbar, das in jedem dieser Burschen aus West Palm Springs, Florida steckte, der hoffnungsfrohe Blick in die Zukunft, die Begeisterung über den Moment und das Sein an sich.

Wir schrieben den Juli 2010 und in den United States of Indiehausen war Surfer Bloods Debüt "Astro Coast" einen Sommer lang die beste Platte der Welt und der Song "Swim" der beste Song des Universums. Im Geiste von Pavement, Weezer und ein bisschen AM-Rock und Beach Boys erzählten Surfer Blood von der Unmöglichkeit einer schattenlosen Existenz unter der prallen Sonne und sie taten das mit großartigen Hooks und forsch gespielten Riffs. Mit Formationen wie The Drums oder Best Coast begründeten sie Ende der Nullerjahre innerhalb der US-Indie-Rock-Szene eine kurze aber intensive Schönwetterperiode.

Die Fachwelt war begeistert, ebenso wie die Pixies, die Surfer Blood 2011 als Vorband für ihre US-Tour buchten, ebenso wie der Major Warner Music, der mit einem lukrativen Plattenvertrag winkte. Doch bald zogen dunkle Wolken über dem Surfer-Paradies auf. 2012 wurde Sänger John Paul Pitts verhaftet. Seine damalige Freundin behauptete, von ihm verprügelt worden zu sein. Obwohl die Frau keine Anzeige erstattete, schlug der Fall hohe Wellen und kostete Pitts nicht nur seinen guten Ruf, sondern Surfer Blood auch den Plattenvertrag. Die Unbeschwertheit war dahin. Mit den Nachfolgealben "Pythons" (2013) und "1000 Palms" (2015) konnten Surfer Blood nicht mehr an den Erfolg von "Astro Coast" anschließen.

Dann im Oktober 2015 die nächste Hiobsbotschaft: Nach den Aufnahmen des neuen Albums musste Gitarrist Thomas Fekete die Band verlassen. Als Grund wurde eine schwere und seltene Krebserkrankung genannt. Built To Spill, Yoko Ono, Interpol und andere Künstler stellten unveröffentlichte Songs für einen Fundraiser zur Verfügung, um die Behandlungskosten abzudecken, Fekete veröffentlichte noch ein Werk mit Eigenkompositionen.

Doch gestern gab seine Frau Jessica bekannt, dass Thomas am 30. Mai an den Folgen des Krebsleidens gestorben ist. Im Gegensatz zu den berühmten Pop-Toten ist über Fekete fast nichts bekannt. Den Einträgen seiner Freunde auf Facebook nach zu schließen, war er eine sehr angenehme und einnehmende Persönlichkeit.

Der Eindruck bestätigt sich auf dem Foto, das ich von der Band geschossen hatte. Thomas sitzt im Zentrum links von Sänger John Paul Pitts und hält feixend den Kopf von Bassisten Tyler Schwarz. Es zeigt auch gut, was für ein beschissenes Arschloch Krebs ist. Swim till the end.