Erstellt am: 31. 5. 2016 - 17:28 Uhr
The daily Blumenau. EM-Journal '16-7, 31-05-16.
#emjournal16 #fußballjournal16
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Das ist ein Eintrag ins EM-Journal '16
EM-Journal '16-2, 12-05-16: Der finale ÖFB-Kader für die #Euro16
EM-Journal '16-1, 11-05-16: Ein erster Check von Island und Ungarn
EM-Journal '16-4, 25-05-16: Portugal bleibt Favorit für den Gruppensieg, aber auch nicht für viel mehr
EM-Journal '16-3, 20-05-16: Alles über Geheimfavorit England
EM-Journal '16-5, 27-05-16: Wie sich der Krieg auf die Chancen von Russland und Ukraine auswirkt
EM-Journal '16-6, 30-05-16: Die Schweiz erwischt die Euro in absoluter, nicht grundloser Unform
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Marc Wilmots finaler Kader:
Tor: Thibaut Courtois (Chelsea/ENG), Simon Mignolet (Liverpool/ENG), Jean-François Gillet (Mechelen).
Abwehr: Toby Alderweireld, Jan Vertonghen (Tottenham/ENG), Thomas Vermaelen (Barcelona), Thomas Meunier (Club Brugge), Laurent Ciman (Montreal Impact/CAN), Jason Grégory Denayer (Galatasaray/TUR-Machester City/ENG), Christian Kabasele (KRC Genk), Jordan Lukaku (KV Oostende).
Mittelfeld: Marouane Fellaini (Manchester United/ENG), Radja Nainggolan (AS Roma/ ITA), Axel Witsel (Zenit St. Petersburg/RUS), Moussa Dembélé (Tottenham/ ENG), Kevin De Bruyne (Manchester City/ENG), Eden Hazard (Chelsea/ ENG), Yannick Carrasco (Atletico Madrid/SPA), Dries Mertens (Napoli/ITA),
Forwards: Christian Benteke, Divock Origi (Liverpool/ENG), Romelu Lukaku (Everton/ENG), Michy Batshuayi (Olympique Marseille/FRA).
Stand-by: Matz Sels (KAA Gent); Guillaume Gillet (Nantes/FRA), Laurens De Bock (Club Brugge), Nacer Chadli (Tottenham/ENG), Thorgan Hazard (Borussia Mönchengladbach/DEU), Kevin Mirallas (Everton/ ENG).
Verletzt ausgefallen: Kapitän Vincent Komapny (Manchester City/ENG), Nicolas Lombaerts (Zenit St. Petersburg/RUS), Bjorn Engels (Club Brugge), Dedryck Boyata (Celtic Glasgow/SCO).
In der Quali noch dabei: Luis Pedro Cavanda (Trabzonspor /TUR), Sébastien Pocognoli (West Bromwich Albion/ENG), Anthony Vanden Borre; Steven Defour (RSC Anderlecht), Laurent Depoitre (KAA Gent), Zakaria Bakkali (Valencia/ SPA), Adnan Januzaj (Manchester United/ENG).
Bei der WM 2012 noch dabei: Sammy Bossut (Zulte Waregem) und Daniel Van Buyten (Rücktritt).
Out: Koen Casteels (Wolfsburg/D), Ruud Boffin (Eskisehirspor/TUR), Silvio Proto; Olivier Deschacht, Leander Dendoncker (RSC Anderlecht), Jeroen Simaeys (Krylya Sovetov Samara/RUS), Jelle van Damme (Los Angeles Galaxy/US), Sven Kums (KAA Gent), Maxime Lestienne (PSV Eindhoven/NED), Vadis Odjidja-Ofoe (Norwich City/ENG), Geoffrey Bia (Sion/SUI), Hans Vanaken, Jelle Vossen (FC Brügge), Anthony Limbombe (NEC Nijmegen/NED), Obbi Oulare (Watford/ ENG), Tom de Sutter (Bursaspor/ TUR), weiters die U21-Talente Davy Roef, Youri Tielemans, Dennis Praet (RSC Anderlecht), Julien de Sart (Middlesborough/ ENG), Kayembe (Rio Ave/POR), Theo Bongonda (Celta Vigo/ SPA), Baptiste Guillaume (Lille/FRA), Charly Musonda Jr. (Betis Sevilla/SPA-Chelsea/ENG) sowie der Ex-Salzburger Massimo Bruno (RB Leipzig/DEU).
Belgien ist reif.
Belgien ist in der Entwicklung seiner aktuellen, wieder einmal "goldenen" Generation ein paar Jahre vor Österreich. Und das sage ich nicht einfach jetzt so, weil Belgien die weltweite Nummer 2 ist, sondern schon seit mindestens vier Jahren.
Schon damals wurde die Mannschaft von Jungstars wie Hazard, de Bruyne oder Dembele definiert. Sogar schon 2010, beim vorletzten Pflicht-Aufeinandertreffen mit dem ÖFB-Team waren Kompany, Alderweireld, Vertongen, Witsel oder Fellaini dabei, im Rückspiel 2011 kamen Mignolet oder Lukaku dazu.
Coach Marc Wilmots, den die deutschen Medien in seiner Bundesliga-Zeit das "Kampfschwein" nannten, übernahm 2012 fliegend von George Leekens, seitdem wird sinnvoll ergänzt, immer wieder nachstoßende Jugend eingebaut, aber zuerst immer auf Kontinuität, auf das Kennen von Abläufen, auf das familiäre Element gesetzt. Der WM-Kader von 2014 ist praktisch niemand aus dem Blickfeld verschwunden. Und das obwohl die Verantwortlichen des KBVB unter in etwa doppelt so vielen Legionären aus den großen europäischen Ligen stützen können wie der ÖFB. Es gibt also eine enorme Auswahl und trotzdem kann es Jordan Lukaku von Provinzklub Oostende in den finalen Kader schaffen, und zwar nicht weil er der Bruder des großen Strikers Romelu Lukaku ist.
Belgiens Rode Duifels verfügen in jeder Formation über absolute Weltklasse: Chelsea - Barcelona - Man United & City - Liverpool. Mit Kevin De Bruyne und Eden Hazard stellt man gleich zwei der acht wertvollsten Spieler Europas, beides junge Spieler, die ihren Zenit noch lange nicht erreicht haben. Belgien tritt meist in einem satten 4-2-3-1 auf, kann aber auch 4-3-3, und im Bedarfsfall auch diverse Hollywood-Varianten.
Wilmots' Mannschaft kann jedes Tempo gehen, kennt einander und alle Tricks und ist immer gut auf die Gegner eingestellt, ohne dabei auch nur eine Sekunde zu überlegen die Spielgestaltung abzugeben. Belgiens Mannschaft ist, trotz einer WM unter den Erwartungen, von der Selbstsicherheit des (zeitweiligen) Weltranglisten-Spitzenreiters durchdrungen und strahlt seit geraumer Zeit ein Mehrfaches des ohnehin übergroßen Selbstbewusstseins aus: gegen unsichere Kontrahenten ist das bereits die halbe Miete. Die Schweiz etwa wurde am Samstag von Anfang an in die Schranken gewiesen, durfte zwar (es ist ja nur ein Test, bei dem die letzte Schärfe, das letzte Risiko fehlt) brav mitspielen, wurde aber nie als gleichwertig wahrgenommen. Die Roten mussten sich nur ein bisserl bemühen um das Match sicher nach Hause zu spielen.
Ernsthafte Gegner, und das wird in der Gruppenphase vor allem das strategisch gut gecoachte und taktisch geviefte Italien sein, werden hingegen versuchen in die Schwachstellen hineinzustoßen. Denn die gibt es, sonder Zahl.
Da wäre einmal das Außenverteidiger-Problem. Zu dem, wegen unglaublich vieler gleichzeitig auftretender Verletzungen auch noch ein Innenverteidiger-Problem kommt. Und dann wäre da noch der Riss, der zwischen Defensive und Offensive zu beobachten (und auch auszunützen) ist.
Vor Tormann Courtois, der jederzeit gleichwertig von Mignolet ersetzt werden kann, steht normalerweise eine Vierer-Kette aus vier gelernten Innenverteidigern: Alderweireld, Kompany, Vermaelen und Vertonghen. Nun sind aber neben Vincent Kompany, dem Kapitän auch noch drei mögliche Back-Ups (Lombaerts, Engels und Bovata) ausgefallen, und statt des 20jährigen Denayer vertraut der Coach dann doch lieber Alderweireld, was die Rechtsverteidiger-Position freigibt. Da wurde zuletzt, weil auch Meunier angeschlagen ist, viel herumprobiert: mit Cavanda oder Gillet (durchgefallen), mit Ciman und sogar Axel Witsel, der sonst Fixstarter im Mittelfeld wäre. Links schaut es, sollte Vertonghen (der bei Tottenham gemeinsam mit Alderweireld innen spielt) auch noch einrücken müssen, auch nicht besser aus - weshalb der kleine Lukaku seine Chance als Back-Up bekommt.
Soll heißen; mit der intuitiven Eingespieltheit der Einser-Abwehr, die mit 27 - 30 im allerbesten Fußballalter steht, Schnelligkeit also mit Erfahrung und Antizipation verbinden kann, ist es vorbei. Selten hat ein Co-Favorit seine Problem-Zone in der Vorbereitung so offenbart: was auch wieder für ein enormes Selbstbewusstsein spricht.
Für den hohen Grad an Organisation im belgischen Team spricht das strikte Kapitäns-Ranking: die klare Nummer 1 an Bord ist Vincent Kompany (dessen Abwesenheit also auch in dieser Hinsicht - was Vertretung gegenüber dem Schiri, Aufmunterung, Antreibefähigkeiten etc betrifft - ein schwerer Schlag für Team Belgien ist), sein Stellvertreter (wie am Samstag gegen die Schweiz) ist Eden Hazard, die Nummer 3 Jan Vertonghen. Als kürzlich bei einem Test alle drei ausfielen, wurden mit Axel Witsel nicht nur ein Interims-Kapitän, sondern mit Lombaerts auch gleich ein Vertreter nominiert. Anderswo macht man sich derlei am Morgen des Spiels aus, bei Belgien sind die hierarchischen Strukturen klar geregelt und offenbar auch kein Thema.
Das hat wohl viel mit dem gesellschaftspolitischen Riss zu tun, der quer durch Belgien geht, der Flamen und Wallonen, die niederländisch und die französischsprechenden Belgier trennt, in zwei Klassen teilt. Jahrelang begnügte sich das Nationalteam damit, diese Konflikte zu pflegen und zu perpetuieren, ehe man herausfand, dass in einer öffentlichkeitsträchtigen Überwindung auch eine ganze Menge Kraft zu gewinnen ist. Kompany spielt nicht gegen sondern mit Vermaelen, de Bruyne nicht gegen, sondern mit Hazard. Dazu kommt eine ganz logische multikulturelle Ausrichtung: Nainggolan (Indonesien), Fellaini (Marokko), Witsel (Martinique), Dembele (Mali), Carrasco (Spanien/Portugal), Origi (Kenya), Lukaku (Congo) - ohne die historisch engen (Handels)-Kontakte in alle Welt wäre auch die Liga nicht aktuell die Nummer 9 in Europa (noch vor dem niederländischen Nachbarn, erstmals seit den 60ern) und würde sich auch das Nationalteam niemals in die lichten Höhen entwickelt haben können.
Trotzdem gab es zuletzt einen Riss zu sehen: die Zusammenarbeit zwischen Defensive und Offensive könnte besser sein, die Formationen enger kommunizieren: das zuletzt gegen die Schweiz höchst umfangreiche Quadratmeter-Loch zwischen der disziplinierten Viererkette samt den beiden Sechsern (Fellaini und Dembele, später Witsel) und den vier frei floatierenden Offensiven bietet eine Menge Spielraum für gegnerische Matchpläne. Im Fall des schnellen Umschaltens ist der flinke Fellaini gut mit vorne zu finden, beim "normalen" Aufbau agiert man allerdings deutlich zu statisch. Auch diese Ungereimtheit lässt sich durch eine ideen- und abschlussstarke Offensive (mit Mertens, De Bruyne, Hazard und Lukaku sowie die famosen Back-Ups Carrasco, Origi und Benteke sowieso) ausbügeln und verdrängen. Ich sehe Antonio Conte und sein Team aber schon tüfteln.
Egal: Belgien wird wohl weit kommen.
Österreich könnte als Gruppensieger auf den Gruppen-Zweiten Belgien treffen. Das wäre blöd. In fast allen anderen Konstellationen fürs Viertelfinale müsste sich Marcel Koller nicht mit den roten Teufeln auseinandersetzen. Das ist gut so.
Bestformation: Courtois; Witsel/Ciman/Meunier, Alderweireld, Vermaelen, Vertonghen; Fellaini, Witsel/Nainggolan/Dembélé; Mertens/Origi/Carrasco, De Bruyne, Eden Hazard; Lukaku/Benteke.