Erstellt am: 29. 5. 2016 - 13:40 Uhr
Was dürfen wir wissen?
Leidenschaftslos, aber nicht bitter, schauen wir in die Welt. Ein kurzer Moment der kompletten inneren Ruhe, keine Angst, kein Wunsch, kein Schmerz. „It’s all the same“, singt Steve Gunn in seinem Stück „Park Bench Smile“ – einerlei, egal, aber auch okay.
Der in Brooklyn beheimatete Musiker war früher Gitarrist in der Band des großen Träumers und Trippers Kurt Vile, die prächtig gelangweilte Freude an benebeltem Seventies-Rock und behäbig elektrisiertem Folk ist den beiden gemein. Ebenso wie die Tendenz zu vage spirituell verrätselten Texten, zu kleinen Natur- und Lebensbeobachtungen, die nicht vorgeben, konkrete Antworten oder Pointen mit sich zu führen, sondern lieber uneindeutig, mehrdeutig, universell funkeln.
Steve Gunn
In seinem Song „Park Bench Smile“ besingt Steve Gunn also das Nachgrübeln über das Drehen und Arbeiten des Universums und das kleine Ächzen der eigenen Existenz darin. Gibt es einen kosmischen Plan? - so lässt das Lied fragen. Und ist es uns ein bisschen nicht so wichtig manchmal, vielleicht?
Gerade noch sind wir froh und hoffnungsvoll - warum, das weiß niemand so recht, und wir lächeln, sitzen im Grünen, auf der Parkbank, und haben heute vielleicht sogar für die Tauben einen wohlmeinenden Gesichtsausdruck anzubieten.
Steve Gunn glückt in „Park Bench Smile“ ein seltsames Mischverhältnis der Haltungen und Eben-doch-nicht-Haltungen: Der süße Eskapismus, der, genau jetzt, in diesem Augenblick, gelungene Zustand einer grund- und zwecklosen Ausgeglichenheit, die uns wärmt. Gleichzeitig aber doch auch ein diffuses Suchen, antriebsloses Drängen, nebulöses Forschen nach Möglichkeiten und Lösungen zu Aufgaben, die wir noch gar nicht kennen.
Steve Gunn spricht von einer „Mystery of way out there“, und man muss sich dank seines welt- und selbstvergessenen Vortrags auch gar nicht vor weihevollem Hippie-Zinnober fürchten und mit den Augen rollen. Sondern kurz die Sekunde des absoluten Begreifens verstehen. Pure Vernunft ist längst verdampft.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Die Zweifel schleichen sich ohnehin bald schon wieder in den Tag: „I thought you said there’s nothing wrong“; heißt es gleich zweimal in „Park Bench Smile“. Weiter wogen und schaukeln wir.
Für die letzten eineinhalb Minuten des Songs wird Steve Gunn nicht mehr singen. Ein freundlich blechern tönendes Klavier schiebt sich in das Stück, ein ewig zerdehntes, faules Gitarrensolo – langsam, langsam, langsam scheint der Künstler wegzudimmen und wegzudriften – trägt „Park Bench Smile“ gemächlich nachhause. Augen zu, leise, im Kopf formen sich neue Theorien und Gespenster. Die Wahrheit ist da draußen, ganz sicher.