Erstellt am: 9. 6. 2016 - 17:09 Uhr
Berg-Film
Die im Titel der Dokumentation gestellte Frage hatte mich neugierig gemacht. Wie würde die Angesprochene selbst wohl auf "Wer hat Angst vor Sibylle Berg" antworten? Ich frage also per Mail nach. Frau Berg antwortet umgehend: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich vor mir fürchten. Vielleicht mögen Sie nicht, was ich schreibe. Auch unverständlich, aber in Ordnung. Aber fürchten? Bitte, reizender als ich kann man doch als Mensch kaum sein."
Und da ist er auch schon, der feine Bergsche Witz. Lakonisch, mal schwarz und schneidend, mitunter sich zwischen den Zeilen tummelnd. Zu finden in ihren Schreiben, in Interviews und natürlich auch in der Doku. Dank der sehe ich Frau Berg beim Computer-Tippen ab jetzt übrigens bildlich vor mir. In einem angenehm-geleerten, wohnzimmerartigen Raum. Hinter der Glasschiebetür grüne Wiese.
Zorro Film/Böller und Brot
Stress-Momente
Sibylle Berg ist Vielschreiberin. Neben ihren ein Dutzend Romanen (zuletzt erschien Der Tag, als meine Frau einen Mann fand) schreibt sie eine wöchentliche Kolumne und hat zahlreiche Theaterstücke verfasst, die sie zuletzt auch selbst inszenierte. Zudem produziert die Deutsch-Schweizerin Einspieler für Schulz und Böhmermann. Außerdem Essays, Hörspiele...
Brot und Böller nennen sich die beiden Regisseurinnen Wiltrud Baier und Sigrun Köhler, die es geschafft haben, die Autorin vor die Kamera zu bringen. Die Film-Reise beginnt in L.A., als Frau Berg eines der John Lautner-Häuser besucht. "The god of architecture", meint sie im immer wieder stolpernden Gespräch mit Prunk-Besitzer James Goldstein, der eine bedächtige Sibylle Berg durch sein Domizil führt. Eine hollywoodesk-kurios-amüsante Besichtigung - und auch der tatsächliche Beginn der Dreharbeiten.
Wie hat sich das eigentlich angefühlt mit der Kamera begleitet zu werden, frage ich Sibylle Berg. Darauf sie: "Ich habe die Anstrengung, gefilmt und begleitet zu werden, in hohem Maße unterschätzt. Ich fand es eigentlich leider eher furchtbar. Nicht wegen der angenehmen Dokumentarfilmerinnen, sondern weil meine Eitelkeit eher auf meine Arbeit bezogen ist und nicht auf meine Person, weil mir gefilmt werden komplett peinlich ist. Weil ich auf einmal nicht mehr verstand, wozu das gut sein soll, in einer Welt, die gerade andere Probleme hat, und weil die meisten Situationen, in denen die Kameras an waren, hochgradige Stress-Momente waren."
Und so flankieren wir Sibylle Berg bei Theater-Proben, Talk-Shows, Lesungen, mit ihrer Dramaturgie-Klasse. Aber wir gehen auch mit in Gegenden, wo sie am liebsten spaziert, einst arbeitete oder wenn sie mit den befreundeten Katja Riemann und Helene Hegemann zusammensitzt - plus besichtigen weitere Traum-Wohnsitze.
Zorro Film/Böller und Brot
Gut getroffen
Ein schönes, ein treffendes Portrait. Ich würde Frau Berg, nach unseren paar Zusammentreffen, ähnlich beschreiben.
Vom Stil her eher real footage als glattpoliert sind "Wer hat Angst vor Sibylle Berg" 85 Minuten für Berg-Liebhaberinnen. Ein bisschen in der Vergangenheit graben, Vorlieben entdecken, den Lektor kennenlernen - der sich auf eine Weise passend anfühlt, wie das lange und gut miteinander lebende Menschen tun. Kurz: ein bisschen über den Mensch Sibylle erfahren. Authentizität nicht ganz ausgeschlossen.
Denn "sowie man das Haus verlässt. Du musst dich ja irgendwie ankleiden, verhalten, rüsten", erklärt Frau Berg an einer Stelle der Doku bezüglich Sich-Verhalten und Rollen-Spielen.
Ach und jene, die die Autorin nicht mögen (siehe oben: unverständlich, aber in Ordnung), werden das aller Voraussicht nach auch nach diesem Film nicht tun.
Epilog
Ist eigentlich auch schon das Buch zum Film - sprich die Memoiren/Autobiografie - in Planung oder Mache?, maile ich noch. "Erst mal das Denkmal in Zürich. Dann sehen wir weiter", witzelt sie.
Apropos, nein nicht Denkmal.
Gerade ist Sibylle Bergs neues Buch für Mitte/Ende September angekündigt worden. Wunderbare Jahre sind halb wahre, literarische Reiseerzählungen, die Frau Berg folgendermaßen teast: "Es sind Geschichten aus einer Welt, in der man noch reiste, ohne durch Nacktscanner zu müssen, oder erst einmal die Terrorwarnungen durchzulesen. Eine naive Zeit vor dem bösen Erwachen."