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Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

25. 5. 2016 - 16:05

Wann endet die ökonomische Apartheid?

Streikende Minenarbeiter wurden von der Polizei im südafrikanischen Marikana erschossen. Ihre Witwen fordern jetzt Reparation.

Es wird in Herzschrittmachern, Laserdruckern und vor allem in Autokatalysatoren verarbeitet: Platin.

Die größten Vorkommen dieses teuersten Metalls befinden sich in Südafrika, ca 1000 Meter unter der Erdoberfläche.

Einenhalb Autostunden nordwestlich von Johannesburg liegt die Stadt Marikana, deren Name zum Synonym für die fortgesetzte ökonomische Apartheid geworden ist: Astronomische weiße Profite auf Kosten schwarzer Arbeitskraft, niedrigste Löhne durchgesetzt mit mörderischer Waffengewalt.

Marikana Straßenschilder

Jakob Krameritsch

5 Milligram Platin stecken in einem Autokatalysator.
Rund 12 Millionen mal so viel, 58 kg Platin, holen die Arbeiter in Marikana pro Tag im Schnitt aus der Tiefe.

Die britische Aktiengesellschaft Lonmin macht mit dem Platin aus Marikana einen täglichen Umsatz von 1,7 Millionen Euro. Und zahlt ihren festangestellten Rock Drill Operators 2,50 Euro Stundenlohn.

Im August 2012 eskaliert der Streit zwischen Arbeitern und Aktiengesellschaft. Mehrfach gebrochene Versprechen des Unternehmens, die Wohnsituation der Arbeiter zu verbessern, die in Slums ohne Kanalisation, sauberes Wasser oder Strom leben, sowie der erfolgreiche 6-wöchige Streik der Arbeiter im benachbarten Bergwerk bringen 3000 Rock Drill Operators dazu, ihre Arbeit niederzulegen bis ihre Forderungen vom Management persönlich angehört werden.

Das Massaker von Marikana...

Dazu kommt es nicht mehr. Sechs Tage nachdem der private Sicherheitsdienst von Lonmin Versammlungen durch Waffengewalt auflöst, erschießen Polizeikräfte 34 der streikenden Minenarbeiter und verwunden 70 weitere zum Teil schwer.

Südafrikas Präsident Jakob Zuma ordnet dem Land daraufhin eine Trauerwoche und die Einrichtung einer Untersuchungskommission an. Als Folge davon wurden zwei leitende Polizeikommissare vom Dienst suspendiert.

Vice berichtet über neokoloniale Pläne der britischen Armee in Südafrika.

BASF, Lonmin und das Massaker von Marikana: basflonmin.com

Über den ANC-Politiker Cyril Ramaphosa ist bekannt, dass er am Tag vor dem Massaker per Email beim Ministerium für Bodenschätze und bei der Polizeichefin urgiert hatte, Maßnahmen gegen die Streikenden zu ergreifen. Ramaphosa besaß zur Zeit des Massakers Lonmin-Aktien und saß dort auch im Aufsichtsrat. Heute ist er Südafrikas Vizepräsident.

"Konzerne korrumpieren unsere politischen Führer. Sie geben ihnen Bestechungsgelder." sagt der anglikanische Bischof von Pretoria, Johannes Seoka. Der Massenmord an den streikenden Minenarbeitern sei keine "Tragödie", sondern vorsätzlich geplant gewesen.

...und BASF

Gemeinsam mit Witwen von ermordeten Arbeitern aus Marikana und unterstützt von der Aktionsgruppe kritische Aktionäre besuchte Bischof Seoka die Aktionärshauptversammlung des deutschen Chemiekonzerns BASF.

Niemand baut mehr Fahrzeugkatalysatoren als der langjährige Platin-Hauptabnehmer aus Ludwigshafen, der seit 1966 in Südafrika aktiv ist.

Zweimal am Tag fixiert BASF an der Londoner Platin-Börse gemeinsam mit u.a. den Großbanken Goldman Sachs und HSBC die Preise für das edelste Metall. Ein Schmuckproduzent verklagte den Chemieriesen und die Banken bereits wegen Preismanipulationen.

Ansonsten ist BASF um professionelle Imagepflege, corporate social responsability und "Lieferkettenverantwortung" bemüht.

Der CEO von BASF, Kurt Bock: "Wir leisten unseren Beitrag, indem wir ein guter Partner sind für Lonmin, indem wir sicherstellen, dass Lonmin unseren Ansprüchen künftig auch weiterhin gerecht werden kann."

Der Direktor der BASF-sustainability relations Thorsten Pinkepanke, gibt in einem Gespräch mit der Marikana-Delegation in Berlin zu, "dass wir die stakeholder interaction der community relations bei Lonmin als verbesserungswürdig sehen."

Konfrontiert mit Forderungen nach Reparationszahlungen für die getöteten Minenarbeiter hat BASF eine Überprüfung seines Platin-Lieferanten Lonmin durchführen lassen. Den Prüfbericht will BASF aber nicht herzeigen. Die Begründung: der Bericht sei Eigentum des Prüfunternehmens.

Könnte sich das Prinzip der freiwilligen Selbstkontrolle uneleganter ad absurdum führen?

Witwen von Marikana Gemälde

basflonmin.com

Die Witwen von Marikana haben in Kunst-workshops die Traumata des Massakers bearbeitet und fordern von BASF Reparationszahlungen.

Während es sowohl in den USA als auch in China bereits gesetzliche Vorschriften zur Offenlegung von Finanztransaktionen im Rohstoffhandel gibt, wehrt sich die Industrie in der EU gegen entsprechende Gesetze.

Bischof Seoka und die Witwen von Marikana haben bei der letzten BASF-Aktionärshauptversammlung den Antrag gestellt, 8 Millionen Euro von den über 2,66 Milliarden Euro Bilanzgewinn aus 2015 für einen Opfer-Entschädigungsfond zurückzustellen.

Witwe wirft ihre Arme über den Kopf

Agnes Makopano Thelejane

Der öffentliche Ruf nach Reparation stieß bei den Mehrheitsaktionären auf taube Ohren, sie genehmigten stattdessen, eine Dividende von 2,90 Euro je gewinnbezugsberechtigter Aktie auszuschütten.

Ntombizolile Mosebetsane, die Witwe eines erschossenen Minenarbeiters sagt: "Mein Schmerz wird nicht vergehen. Mein Herz und meine Seele sind verletzt, ich werde weder vergessen noch vergeben."

Agnes Makopano Thelejane, ebenfalls Witwe eines ermordeten Platin-Arbeiters fragt: "Warum hat man unseren Liebsten das angetan? Als ich erfuhr, dass mein Mann tot ist, warf ich beide Arme in die Höhe, wie man es auf dem Bild sieht. Der Schmerz war unerträglich. Ich brach in Tränen aus und schrie, die Hände über dem Kopf, entsetzt und ungläubig, mit diesem bohrenden Schmerz in mir, der mich fast umbrachte."

Fest steht: Solange europäische Firmen wiederholt straflos Profite durch Menschenrechtsverletzungen außerhalb Europas erwirtschaften können, bleiben Grenzzäune ungeeignete Mittel gegen den Export sozialer Probleme.