Erstellt am: 19. 5. 2016 - 15:02 Uhr
Wahlkampf-Finale: Ein Rückblick
Zehn TV-Duelle in 150 Minuten im ersten Durchgang. Unzählige Konfrontationen im zweiten. Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen absolvierten in den vier Wochen bis zur Stichwahl mehrere Duelle. Sie lieferten sich einen harten Schlagabtausch nach dem anderen. Begonnen hat es auf Puls4 mit dem ersten Fernsehduell zwischen den beiden Hofburg-Kandidaten. Hier wurde klar: Der softe Kurs ist vorbei. Hier wurden beide ziemlich angriffig, zum Teil auch untergriffig. "Wir befinden uns in einer Situation, die wir so noch nie hatten. Dass ein Bundespräsidentschaftskandidat das Sch-Wort verwendet, ist für einen staatsmännischen Stil unüblich", erklärt Kommunikations- und Verhaltensprofilerin Tatjana Lackner.
Bis zum legendären Duell auf ATV, das unmoderiert verlaufen ist, schien die Tonalität eine ganz andere zu sein (zu sehen hier). Von der anfänglichen Zurückhaltung Van der Bellens war nichts mehr zu spüren: "Sie haben in den letzten Wochen so viel Kreide gefressen, Herr Hofer. Nur sieht man es Ihnen noch nicht an", lautete der Vorwurf Van der Bellens, als es um die EU ging. Doch Hofer blieb ihm nichts schuldig: "Herr Doktor, Sie sind heute so böse. Ich weiß gar nicht warum? Ich habe Ihnen nichts getan."
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Eines ist klar: Dem Amt des Bundespräsidenten wurde noch nie so viel Bedeutung beigemessen. Viele Diskussionen rund um einen Richtungswechsel der Republik Österreich und die Frage "Was wäre wenn?" beschäftigten die Bevölkerung in den letzten Wochen. In der Zwischenzeit wurde ein neuer Bundeskanzler namens Christian Kern ernannt, der wiederum eine neue Regierung auf die Beine gestellt hat.
Die Themen, die in diesem Wahlkampf heiß diskutiert wurden, waren vor allem der Umgang mit der Flüchtlingskrise, die Position der Kandidaten zur EU, die Wirtschaft, die vermeintliche Unabhängigkeit des Ex-Grünen-Chefs und des blauen Burschenschafter und das Verständnis vom Amt des Bundespräsidenten.
Strategien: Van der Bellen versus Hofer
Kommunikations- und Verhaltensprofilerin Tatjana Lackner hat sich die Auftritte der letzten Tage und Wochen genau angesehen: Während Van der Bellen als Denker auftritt, vertritt Hofer eine "Hands on-Mentalität" und stellt sich als Macher dar. Van der Bellen wirke vor allem gelassen und legt somit eine gewisse Souveränität an den Tag. "Vor allem inhaltlich kann Van der Bellen punkten. Er hat einen Weitblick, aber auch einen Einblick in die EU und darüber hinaus; ist aber auch gut vernetzt", so Lackner.
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Hofer hingegen verfolgt die "Hammer the message"-Strategie. Über die eigene Geschichte und persönlichen Elementen kann er Emotionen bedienen. Der Ex-Rhetoriktrainer weiß aber auch seine eigene Situation für sich zu nutzen. "Wenn wir überlegen, wo er gestartet hat, nämlich als Nobody und, was wir heute über ihn wissen, hat er sich richtig gut gebrandet." Tendenziell war er der Aufschläger, der ordentlich ausgeteilt hat, ohne auf seine devote, freundliche Geste zu verzichten. "Eine Sichtfeld-Schere" ortet Lackner beim blauen Kandidaten. "Den sympathischen Blauen von nebenan kann man ihm nur so lange abkaufen, so lange man kein Facereading betreibt. Beobachtet man seinen kalten Blick bei gewissen aggressiven Aussagen, während er wohlwollend dem anderen zugewandt ist, kann man ihn durchaus entlarven." Inhaltlich hat er sich kaum mit den Querschlägen Van der Bellens auseinandersetzen müssen, viel mehr hatte er ein anderes Manöver: Seinen Gegner häufig als "vergesslichen, alten Professor" aufzudecken.
Van der Bellens Fehler im Wahlkampf liegt auf der Hand. Er hat seinen Gegner unterschätzt und sich nicht genügend vorbereitet. Emotionen ansprechen konnte er kaum. Immer wieder schien er zu gelassen, zu alt und weniger dynamisch, während Hofer im Wahlkampf formlich aufgeblüht ist. "Faktum ist: Rhetorisch ist Hofer versierter in den Kniffen. Er hämmert simple Messages. Doch die Frage ist, ob die Welt wirklich so einfach gestrickt ist, wie sie sich akustisch darstellt", sagt Rhetorikprofi Lackner.
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"Hautevolee" vs. "Die Menschen"
Die Kniffe der Rhetorik beherrsche Hofer sehr gut, deswegen gaben sie ihm oft den Vorsprung. "Bagatellisieren, beschwichtigen, bemitleiden. Das kann er richtig gut und das hat ihm geholfen, dem Gegenüber Wind aus den Segeln zu nehmen", meint Rhetorik-Expertin Lackner. Immer wieder versuchte Hofer das elitäre Personenkomitee von Van der Bellen als "die Elite des Landes" darzustellen und sich als "der kleine Mann aus dem Volk" zu positionieren. "Sie haben die Hautevolee. Ich möchte diese Unterstützung nicht – ich will die Menschen."
Van der Bellen wollte jedoch die Breite seines Unterstützungskomitees nutzen, um sich erneut als unabhängig zu deklarieren. Doch Hofer nutzte auch dieses Argument, um gewieft ein Lagerwahlkampf zu inszenieren und die Opfer-Rolle einzunehmen. Van der Bellen konterte: "Die G’stopften sind für Sie also keine Menschen?" Die dynamische Attitüde Van der Bellens konnte er jedoch nicht durchgehend halten und schien gegen Ende des Wahlkampfes ziemlich genervt. Einige Überraschungsmomente konnte er dennoch für sich verbuchen wie die Metapher mit dem österreichischen Nationalteam. "Das ist die österreichische Nationalmannschaft, die jetzt nach Frankreich fährt, um vielleicht - wer weiß - die Europameisterschaft zu holen. Die Hälfte dieser Leute sind irgendwie aus Zuwandererfamilien, Migrationsfamilien, Flüchtlingsfamilien, die hätten alle nicht Österreicher werden und den österreichischen Fußball auf diese Höhe bringen können, wenn sie über diese dreißig Jahre ihre Politik der Abschottung hätten betreiben können."
Wahlkampf im Netz
Der Auftritt im Netz ist ein integraler Bestandteil in der politischen Kommunikation. Noch haben das nicht alle Parteien und Politiker in Österreich erkannt. Yussi Pick, Strategieberater und Wahlkampfexperte, findet, die Onlinekampagnen von Van der Bellen und der FPÖ seien gut geführt worden. Beide konnten das Netz gut nutzen und fernab von traditionellen Medien Wähler mobilisieren. "Van der Bellen hat sich selten direkt an das Volk gewandt. Dafür hat sein junges Team während dem gesamten Wahlkampf für viel Bewegung gesorgt." Die FPÖ verfolgt seit Längerem eine "Newsroom-Strategie", denn sie hätten kaum eine Chance in traditionellen Medien mit ihren Botschaften durchzukommen, ohne fact-gechecked zu werden. "Nicht nur über Facebook, wo sie mit vielen Gruppen stark vernetzt sind und sich ein Flüsternetzwerk aufgebaut haben, um ihre Botschaften zu verbreiten, sondern auch über ihre Zeitschrift und ihrem FPÖ-TV erreichen sie ihr Klientel", erklärt Pick.
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Beide Kandidaten haben so gut wie alle Kanäle genutzt, um Wähler zu mobilisieren. Obwohl anfangs Van der Bellen schnell zulegen konnte, holte Hofer bald auf. Während Van der Bellen auf Facebook 114.000 Likes hat, hat Norbert Hofer um die Hälfte mehr. 176.000 Menschen haben seine Fanseite geliked. Auf Instagram hat Van der Bellen rund 6000 Abonnenten und Hofer 5000. Fauxpas gab es da auf beiden Seiten kaum im Netz. Insgesamt sei die politische Kommunikation im Netz ein Neuland in Österreich, weswegen man erst viele Dinge ausprobieren muss.
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"Bei Hofer gibt es kein gewisses Element, das gut funktioniert hat, es ist viel mehr die Gesamtkomposition, die gelungen ist. Van der Bellen hat vor allem über E-Mail viele Menschen über einen Call-to-Action direkt erreicht." Die Plakate, aber auch der Online-Auftritt des Ex-Grünen-Chef hatte eine klare Bildsprache und auch im Netz gab es einen einheitlichen Stil von Shareables, Fotos und Zitaten. Der blaue Kandidat aber richtet seine Wahlkampagne ganz nach der Parteilinie der FPÖ aus. Er legte Wert auf die Widererkennbarkeit seiner Partei. "Die Plakate waren überschaubar. International können sie bestimmt nicht mithalten", so Lackner. Schlau sei Van der Bellens Nutzung des Heimatbegriffs, den sonst nur die FPÖ verwende.
Die aktuellste Umfrage vom 12.Mai wurde von Gallup Österreich durchgeführt und sagt für Hofer 53 Prozent und für Van der Bellen 47 Prozent voraus. Ein letztes Mal vor der Wahl treffen die beiden Kontrahenten im ORF am Donnerstag, dem 19.Mai, ab 20.15 Uhr auf ORF2, aufeinander. FM4 wird den Wahlabend begleiten und über die Ergebnisse berichten.