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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

18. 5. 2016 - 19:28

Wer und was ist ein Nerd?

Der Künstler Johannes Grenzfurthner geht mit seinem autobiografischen Roadmovie "Traceroute" dieser Frage ausgiebig auf den Grund.

Wenn man sich als Kind oder Jugendlicher in den 70er und 80er Jahren eher für Raumsonden, Comics und Computerspiele interessiert hat als fürs BMX-Fahren, Schwimmen und Fortgehen, dann war die Chance groß, ein Nerd zu sein – auch, wenn es diesen Begriff damals in Österreich noch nicht gegeben hat.

Einer, der viel aus seiner nerdigen Wissbegier und seinem Anderssein gemacht hat, ist der Wiener Künstler und monochrom-Gründer Johannes Grenzfurthner. Er hat an seinem 40. Geburtstag sogar einen eigenen Film darüber gedreht: das autobiografischen Roadmovie "Traceroute". Darin fährt er ein Monat lang mit zwei Freunden und einigen mobilen Videokameras durch die USA, trifft und interviewt interessante und ungewöhnliche Menschen und philosophiert über alles, was ihm in den Weg kommt.

Nerds früher und heute

Früher war man als Nerd gerne mal ein verlachter Außenseiter, doch vor rund zehn Jahren ist aus dem ehemaligen Schimpfwort und einer früheren Subkultur Zug um Zug ein facettenreiches Mainstream-Phänomen geworden. Nerds und Geeks gelten mittlerweile als cool und erfolgreich, sie geben Trends vor und man nimmt sich ihrer Schrullen eher interessiert an, als sie abzuweisen. Serien wie "The Big Bang Theory" sind sehr populär, Comic-Verfilmungen hocherfolgreich und die IT-Riesen und ihre Hoodie tragenden Gründer aus dem Silicon-Valley zeigen, wer beim zeitgenössischen Kapitalismus ganz weit vorne steht.

Das Wort "Nerd" in schwarz und weiß stilisiert.

monochrom

Aber mit dem neuen, sehr konsumgetriebenen Nerdtum (Wer seine Figürchen aus der Verpackung nimmt, hat schon verloren!) ist vieles von der ursprünglichen Subkultur verlorengegangen. Die Vielfalt, die ehemals als Brücke zwischen unterschiedlichen Interessensfeldern und Communities wahrgenommen wurde, ist in vielen Fällen einer scheuklappenbehafteten Pedanterie gewichen. Viele Nerds haben sich in ihrem jeweiligen Themenfeld niedergelassen und interessieren sich wenig für Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Bereichen. Die oben genannte Machtverschiebung hat darüber hinaus dafür gesorgt, dass aus ehemaligen Mobbing-Opfern die neuen Bullys hervorgegangen sind - das beste Beispiel dafür ist "Gamergate".

Johannes Grenzfurthner hält einen "Terminator"-Kopf.

monochrom

Nerds sind leidenschaftlich: Gleich leckt Herr Grenzfurthner den Terminator.

"Traceroute" wurde schon im Mai im Wiener Votiv Kino im Rahmen des Ethnocineca-Festivals gezeigt und im Juni beim Austrian Filmfestival.

Mitte bis Ende September 2016 läuft der Film im Topkino in Wien.

Johannes Grenzfurthners Film rudert deshalb zurück und widmet sich gewissermaßen dem Old-School-Nerdtum, das sich vor allem durch eine unkonventionelle und neugierige Sicht auf die Welt kennzeichnet. Es geht um eine unbändige Wissbegier für quasi alles, das aus Technologie und Popkultur (im Fall von Grenzfurthner auch aus Philosophie und Sex) hervorgeht und um einen starken Drang, ständig neue Dinge zu lernen, zu verarbeiten, zu remixen.

Diese "gute", ursprüngliche Nerdkultur ist alles andere als tot. Doch die engstirnigen Ungustln und ihre Mobs, Shitstorms und Gehässigkeiten sind leider oft lauter als jene Stimmen der Klugen und Besonnenen. Das ist überall so, und mittlerweile eben auch innerhalb der Nerd-Community, die längst keine einzelne kohärente Gemeinschaft mehr ist. Außer beim rastlosen Johannes Grenzfurthner und seinem persönlichen Fleckerlteppich an interessanten Gesprächen, schlauen Wortspielen, kuriosen Anspielungen und famosem Videomaterial aus Kindheitstagen.