Erstellt am: 18. 5. 2016 - 17:18 Uhr
Auf dem Weg zum Ich
Einer der Lieblings- und Kern-Sätze von „The Grinder“ lautet: „Grinder rests“. Das Fundament der realen, von Fox produzierten Fernsehserie „The Grinder“ ist eine fiktive Serie in der Serie – sie nennt sich ebenfalls „The Grinder“. In ihr gibt ein Charmebolzen von einem Rechtsanwalt, sein Name ist Mitch Grinder, dem Format des Gerichtssaalsdramas neues Schmalz und Pathos.
Hat dieser Grinder wieder einmal – Folge für Folge, immer wieder – einen scheinbar unlösbaren Fall für sich entscheiden können, durch gewieftes Tricksen, riskante Bluffs, so kommen ihm stets süffisant und selbstherrlich, den Gegner mit Lust demütigend, diese Worte des Triumphs über die Lippen: „Grinder rests“.
In der Erzählrealität der realen Show „The Grinder“, die wir als Zuseher beobachten dürfen, ist die hoch erfolgreiche fiktive Show „The Grinder“ nach gut acht Jahren abgesetzt worden und der fiktive Grinder-Darsteller Dean Sanderson nimmt nicht bloß diese Worte mit hinüber in ein Leben abseits der Kameras. Nach nur einer Staffel und 22 Episoden wurde vor wenigen Tagen erst von Fox bekannt gegeben, dass auch der echte „The Grinder“ nicht wiederkehren wird.
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„The Grinder“ spielt also mit der Verwischung der Ebenen, jongliert mit Meta-Spielchen zwischen Fiktion und Fiktion in der Fiktion. Der immerjunge und viel zu gut aussehende Hauptdarsteller, stets bestens frisiert, Rob Lowe gibt Dean Sanderson aka Mitch Grinder aka The Grinder als eine vage Variation seiner Figur Chris Traeger aus „Parks and Recreation“: Ein positiver und wohlmeinender Luftikuss, körperbetont, selbstverliebt und ein bisschen naiv.
Nach dem Ende des fiktiven „The Grinder“ sieht sich Dean Sanderson nun orientierungslos und zieht bei der Familie seines kleinen Bruders Stewart Sanderson (Fred Savage) ein, der tatsächlich Anwalt ist. Der „Grinder“ weiß nicht wohin und sehnt sich nach seinem alten Glanz, kann abseits seines Serien-Charakters kaum Halt finden. So folgt er seinem Bruder in Kanzlei und Gerichtsgebäude, um gegen dessen Willen bei Fällen mit „Grinder“-Skills auszuhelfen. Das bedeutet: Charisma, Cheesiness, Bezirzen der Anwesenden, treudoofer Optimismus, das Herunterbeten von speziell melodramatischen Drehbuchpassagen, Schönheit. Von der echten Juristerei hat der „Grinder“ nämlich freilich kaum eine Ahnung.
„The Grinder" hat einen zentralen Motor und einen Hauptwitz, der sich abgewandelt durch die gesamte Show zieht: Die Weltvergessenheit von Rob Lowes Figur, sein Glauben, er könne mit juristischem Halbwissen aus seiner Fernsehkarriere, seinen schauspielerischen Fähigkeiten im echten Anwaltsbusiness mitmischen.
Hier liegt eine große Stärke von "The Grinder": Auch in der Realität der Serie hat der Grinder nämlich immer wieder Erfolg. Menschen lassen sich auch da nämlich lieber von Entertainment-Tricks und dick aufgetragenem Drama überzeugen als von langweiligen Gesetzen. Ein anderer Lieblingssatz des Grinders, in Variationen: „But what if it wasn’t?“, oder, „But what if we could?“. Kaum zu widerlegende Fakten und Argumente der Gegenseite kontert der Grinder, erfüllt vom ehrlichen Glauben an das Gute, oft bloß mit durch nichts abgefederten, meist auch kaum Bezug zu tatsächlichen Möglichkeiten habenden Gegenfragen, die einzig auf die Hoffnung bauen.
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Von einem One-Trick-Pony hat sich „The Grinder“ recht schnell zu einer verschachtelten Referenz-Spielerei entwickelt, die sich aber eben nicht komplett in allzu eitler Abstraktion verliert, sondern mitunter auch gar rührend die Emotionen und Macken der Figuren pflegt und neue Töne in die Funktionsweisen der klassischen Familien-Sitcom schmuggelt.
Zwar ist es prickelnd, wenn der Schauspieler Timothy Olyphant („Justified“) in „The Grinder“ als eine fiktionale Version des Schauspielers Timothy Olyphant auftritt, der in einem „The Grinder“-Spin-Off den neuen Grinder - oder den „fake Grinder“, wie Dean Sanderson ihn wenig erfreut nennt - verkörpert.
Viel mehr lebt die Show aber vor allem auch von der Chemie zwischen den unterschiedlichen Sanderson-Brüdern, die aber doch so oft dasselbe wollen. Dean Sanderson, der Träumer, Fred Savages Stewart Sanderson, der geerdete Realist. In brüderlicher Verbundenheit beneiden sie einander liebevoll: Der eine hat das Talent zur Grandezza und zur Publikumsbegeisterung, der andere hat es im echten Leben geschafft, hat Familie, Frau, Kinder, das gute bodenständige Leben.
Wenn Dean und Stewart Sanderson zueinanderfinden, wenn sie gemeinsam grinden und in der Kollaboration die Antwort finden, dann vibriert diese kleine, oft solide, manchmal herausragende, manchmal okaye, viel zu früh abgesetzte Show vor Flauschigkeit. Die Fragen von Identität und Rollenspiel, Zukunftsglauben und Wunsch nach Utopie, kostümiert im Mäntelchen von Albernheit. Aber was, wenn es vielleicht alles doch ganz anders sein könnte?